Michel Hazanavicius

Final Cut of the Dead

Maskenbildnerin Nadia (Bérénice Bejo), die Schauspielerin Ava (Matilda Lutz) und ihr Kollege Raphaël (Finnegan Oldfield) wissen auch nicht, wie es weiter gehen soll. Foto: © Lisa Ritaine
(Kinostart: 16.2.) Krise des Zombiefilms trifft Krise des Films übers Filmemachen: Regisseur Michel Hazanavicius inszeniert ein wirres Horror-Spektakel als verschachtelte Film-im-Film-Konstruktion mit dämlicher Dilettanten-Crew – für Mitwirkende wohl ein großer Spaß, für Zuschauer weniger.

Zombies sind auch nicht mehr, was sie einmal waren. Verkörperten sie im stilbildenden Genre-Klassiker „Night of the Living Dead“ (1968) von George A. Romero noch das kollektiv Verdrängte der Gesellschaft, das sie im buchstäblichen Sinne auffraß, taugen sie heutzutage nur noch als Papp-Kameraden in Zombie-Komödien, die im Dutzend billiger hingeschlachtet werden.

 

Info

 

Final Cut of the Dead

 

Regie: Michel Hazanavicius,

110 Min., Frankreich 2022;

mit: Romain Duris, Bérénice Bejo, Finnegan Oldfield

 

Website zum Film

 

Auch Filme übers Filmemachen haben schon bessere Tage gesehen. Mit „Achteinhalb“ schuf Federico Fellini 1963 ein brillant vielschichtiges Vorbild, dessen schillernde Komplexität kaum je wieder erreicht wurde. Die meisten solcher Filme ähneln berufsständischen Klagen, etwa von Bäckern über zu hohe Mehlpreise oder Bankern über zu niedriges Zinsniveau: existentiell für die Betroffenen, mäßig spannend für alle Außenstehenden.

 

Schnell, günstig + annehmbar

 

Die Krise der Zombiefilme und die der Filme übers Filmemachen kommen in „Final Cut of the Dead“ zusammen – nur ergibt Minus mal Minus hier nicht Plus. Rémi (Romain Duris) ist ein Regisseur, den zweitklassig zu nennen eine Auszeichnung wäre. Als ambitionsloser Handwerker seines Metiers kurbelt er herunter, was von ihm verlangt wird: Infomercials, Reklamespots, Beiträge für TV-Boulevardmagazine und ähnliches mehr. „Schnell, günstig und annehmbar“ ist sein Motto – ein selten aufrichtiger Werbeslogan.

Offizieller Filmtrailer


 

Bande von Verlierern ist billig zu haben

 

Deshalb wird er beauftragt, den Pilotfilm für einen neuen japanischen B-Movie-Streamingdienst zu liefern: eine abstruse Zombie-Story in einer Supermarkt-Ruine. Sie füllt als kontinuierliche Plansequenz die erste halbe Stunde von „Final Cut of the Dead“: viel Gerenne und Geschrei der Akteure, garniert mit abgerissenen Gliedmaßen, Äxten in Schädeln und literweise Kunstblut. Totaler Trash eben, aber verpackt als Film-im-Film-Konstruktion: Um seinen Film realistischer wirken zu lassen, hat der Regisseur einen obskuren Blutstern-Fluch aktiviert, der alle Schauspieler nacheinander zu Zombies mutieren lässt. Schnitt.

 

Nun folgt eine dreiviertelstündige Rückblende, welche die Vorgeschichte dieses Drehs erzählt. Rémi wird von einer verwachsenen japanischen Produzentin (Yoshiro Takehara) engagiert, die ohne Schminke eine Zombie-Hauptrolle übernehmen könnte – auf diesem Niveau bewegen sich die Gags. Dann wird eine Bande von Verlierern rekrutiert, die billig zu haben sind. Hauptdarsteller Raphaël (Finnegan Oldfield) arbeitete zuvor mit der Autorenfilm-Koryphäe Lars (wohl: von Trier) und will jede Zeile des Drehbuchs durchdiskutieren.

 

Making-of der ersten halben Stunde

 

Doch seine Partnerin Ava (Matilda Lutz) hat die Ausstrahlung einer Schaufensterpuppe. Kameramann Philippe leidet unter Rückenproblemen, ein zweiter ist ein adipöser Alkoholiker, der Tontechniker wird von Durchfall geplagt – lauter Anlässe für feuchtfröhliche Kotzekacka-Witze. In letzter Minute müssen noch Maskenbildnerin Nadja (Bérénice Bejo – in der Realität Hazanavicius’ Lebensgefährtin ) als Hauptdarstellerin und Simone Hazanavicius (Tochter des Regisseurs) als Mädchen für alles einspringen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Artist" – brillantes Neo-Stummfilm-Melodram  mit fünf Oscars prämiert von Michel Hazanavicius

 

und hier eine Besprechung des Films "Juan of the Dead" – aberwitzige Zombie-Komödie aus Kuba von Alejandro Brugués

 

und hier einen Beitrag über den Film "Der Schaum der Tage" – wunderbar verspielte Verfilmung des surrealen Roman-Klassikers von Boris Vian durch Michel Gondry mit Romain Duris

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Voodoo" – hervorragender Überblick über diese Weltreligion und ihren Zombie-Mythos im Roemer- und Pelizaeus-Museum, Hildesheim.

 

Trotz aller Hindernisse kommt es endlich zum Drehtag, der live nach Japan übertragen wird. Fürs Kinopublikum als Film-im-Film-im-Film: Zu sehen ist quasi das Making-of des wirren Zombie-Gemetzels, das die ersten 30 Minuten von „Final Cut of the Dead“ füllte. Und siehe da: Alles läuft beinahe schief, aber dank wildem Herumimprovisieren und vollem Körpereinsatz kriegt diese Dilettanten-Crew alle Haarnadel-Kurven und stoppelt die bestellte halbe Stunde zusammen. Ende der Vorstellung.

 

Fun for all the family

 

In solchen Fällen sprechen Genrefilm-Foren und Festival-Jurys gern nachsichtig von einer „Liebeserklärung ans Kino“. Einem Regie-Anfänger oder drittklassigen Routinier könnte man „Final Cut of the Dead“ nachsehen. Doch Michel Hazanavicius hat 2011 mit der Stummfilm-Komödie „The Artist“ eine der zauberhaftesten Hommagen an Hollywood vorgelegt, die es je gab – zurecht mit fünf Oscars und zahllosen weiteren Preisen prämiert.

 

Was den Regisseur bewogen hat, mit diesem kruden Spektakel zu seinen seichten TV-Anfängen zurückzukehren, bleibt unerfindlich; vielleicht wollte er einfach nur Partnerin und Tochter gemeinsam in einem Filmprojekt unterbringen. Für seine Familie gewiss ein großer Spaß, für Außenstehende weniger.