Hirokazu Kore-eda

Broker – Familie gesucht

Sang-hyun (Song Kang-ho) amüsiert sich auf dem Rummel mit seiner "Familie". Foto: plaion pictures
(Kino-Start: 16.3.) Danke, dass Du geboren bist: Mit zwei Gaunern, die ein Baby verhökern wollen, inszeniert Regisseur Hirokazu Kore-eda abermals eine warmherzige Patchworkfamilien-Sittenkomödie – erstmals in Südkorea statt in Japan. Statt Sozialkritik dominiert nun Situationskomik.

Familie ist kein Wort, sondern ein Satz – so lautete sinngemäß das Motto von Wes Andersons Komödien-Klassiker „Die Royal Tenenbaums“ von 2001. Bei Hirokazu Kore-eda scheint diese Aussage seine ganze Laufbahn zusammenzufassen. Von “Nobody Knows“ (2004), in dem eine Mutter ihre vier Kinder alleine in der Wohnung zurücklässt, bis zum Cannes-Siegerfilm „Shoplifters“ (2018) hat der japanische Regisseur sich stets darauf konzentriert, die komplexe Beziehungs-Dynamik innerhalb von Familien zu beschreiben.

 

Info

 

Broker – Familie gesucht

 

Regie: Hirokazu Kore-eda.

129 Min., Südkorea 2022;

mit: Song Kang-ho, Gang Dong-won, Bae Doona

 

Weitere Informationen zum Film

 

Mit “Broker – Familie gesucht“ will er offenbar an den großen Erfolg des Vorgängers anschließen: Sein neuer Film ist abermals ein Ensemble-Drama über eine so skurrile wie kleinkriminelle Patchwork-Familie und ihre prekären Verhältnisse – untereinander wie gegenüber dem Gesetz. Doch während „Shoplifters“ scharfsinnig sozial kommentierte, bietet das charmante Roadmovie „Broker“ eher einen sentimentalen Appell an Menschlichkeit und Mitgefühl.

 

Polizei beobachtet Babyklappe

 

Die Geschichte beginnt, als die junge Mutter So-young (Lee Ji-eun) in einer verregneten Nacht ihr Neugeborenes vor einer kirchlichen Babyklappe in der südkoreanischen Hafenstadt Busan ablegt. Dabei wird sie von zwei Polizeibeamtinnen beobachtet: Sie überwachen die Wohltätigkeitsorganisation, um einer Gruppe von Menschenhändlern auf die Spur zu kommen.

Offizieller Filmtrailer


 

Mutter schließt sich Kidnappern an

 

Ihr Verdacht ist begründet: Kaum hat sich So-young von ihrem Sohn verabschiedet, wird er von Dong-soo (Gang Dong-won) und Sang-hyun (Song Kang-ho) entführt. Beide bessern ihren Lebensunterhalt auf, indem sie ungewollte Babys an kinderlose Eltern verkaufen. Das geht so: Dong-soo hat durch seine Aktivität in der Kirche Zugang zu ihren Räumen – die ergatterten Säuglinge werden dann kurzfristig in der Wäscherei seines Komplizen versteckt. Als sich die junge Mutter umbesinnt und ihr Baby zurückholen will, ist es bereits verschwunden.

 

Die Handlung nimmt jedoch eine überraschende Wendung, als So-young mit den beiden Gaunern in Kontakt kommt. Sie ist immer noch unsicher, ob sie tatsächlich eine Mutterrolle übernehmen will, begreift aber, dass man mit dem illegalen Handel von Kleinkindern viel Geld verdienen kann. Also macht sie sich gemeinsam mit den Entführern auf eine Reise quer durchs Land, um potentielle Adoptiveltern ausfindig zu machen.

 

Waise als ultimative Charmeoffensive

 

Für die ultimative Charmeoffensive in diesem Quartett sorgt zudem ein kleiner Waisenjunge aus der Kirche: Er hat sich im Kofferraum ihres Kleintransporters versteckt und wird erst entdeckt, als eine Rückkehr bereits ausgeschlossen ist. Damit ist die improvisierte Ersatzfamilie komplett. Ihre Mitglieder sind dem Zuschauer trotz ihrer individuellen Verfehlungen zu diesem Zeitpunkt längst ans Herz gewachsen.

 

Allerdings tut sich Regisseur diesmal etwas schwerer damit, den passenden erzählerischen Rhythmus zu finden. Nicht nur wirkt die Figuren-Konstellation recht konstruiert. Ein überflüssiger Krimi-Nebenplot, der parallel zum Entführungsdrama abläuft, bringt die Handlung zusätzlich immer wieder aus dem Gleichgewicht. Dadurch fehlt “Broker” die wunderbare Beiläufigkeit, mit der Kore-eda sonst inszeniert.

 

Alles und jeder ist sympathisch

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Shoplifters – Familienbande" – Porträt einer Prekariats-Familie in Japan von Hirokazu Kore-eda, Gewinner der Goldenen Palme 2018

 

und hier eine Besprechung des Films "Parasite" - gelungene Sozialsatire von Bong Joon-ho mit Song Kang-ho

 

und hier einen Beitrag über den Film "Die Taschendiebin - The Handmaiden" - eleganter Erotik-Thriller aus Südkorea von Park Chan-wook

 

Zudem bieten die Figuren insgesamt – ob Täter, Opfer oder Ordnungshüter, die das Quartett verfolgen – nur wenig Reibungsfläche, um den Wohlfühlfaktor nicht zu gefährden. Alles und jeder ist sympathisch. Sozialer Realismus – etwa die Frage, ob eine Abtreibung nicht besser wäre, anstatt ein Kind bei Adoptiveltern oder im Heim aufwachsen zu lassen – wird unnötigerweise mit Genre-Elementen gekreuzt. Das lässt wenig Raum für weiterreichende Reflexion oder emotionale Tiefe.

 

Stattdessen setzen Drehbuch und Inszenierung auf unterhaltsame Situationskomik; dafür sorgen vor allem der südkoreanische Star-Schauspieler Song Kang-ho und die Popsängerin Lee Ji-eun. Sie profiliert sich im Ensemble als Leinwand-Entdeckung, während die Kinderdarsteller mit niedlicher Natürlichkeit und Direktheit die Schwachstellen der Dramaturgie überspielen sollen.

 

Das Glück im Miteinander finden

 

Einmal sagt So-young nachts zu jedem Mitglied ihrer neuen Patchwork-Familie: „Danke, dass du geboren bist.“ Diese Dialogzeile ist für Kore-eda typisch: Er behandelt alle seine Figuren mit menschlicher Wärme und unbedingtem Wohlwollen. Egal wie gebrochen oder fehlerhaft sie sein mögen, behalten sie im Film stets die Chance, im Miteinander ihr Glück zu finden – eine sehr humanistische, aber auch reichlich idealistische Perspektive.