Speyer

Die Habsburger im Mittelalter – Aufstieg einer Dynastie

Träger der typischen Habsburger-Nase: Porträt des Kaisers Friedrich III. (Detail) von Hans Burgkmair d. Ä. (1473–1531), entstanden um 1510, Tempera auf Fichtenholz. Foto: OÖ Landes-Kultur GmbH, Land Oberösterreich
Mächtiger geht es nicht: Keine Dynastie in Europa hat länger ge- und mehr Territorien beherrscht als die Habsburger. Wie ihnen das gelang, zeichnet das Historische Museum der Pfalz aufwändig und einfallsreich nach; aber nur die ersten 250 Jahre – das folgende Weltreich fehlt.

Habsburg liegt in der Schweiz. Südlich der Stadt Brugg im Kanton Aargau, rund 30 Kilometer westlich von Zürich, befindet sich die kleine Gemeinde Habsburg mit kaum 500 Einwohnern. Dort steht die Stammburg der gleichnamigen Fürstengeschlechts. Sie soll bei ihrem Bau im 11. Jahrhundert hochmodern gewesen sein, wirkt aber auf heutige Betrachter eher ungeschlacht und abweisend – wie man sich eine mittelalterliche Trutzburg vorstellt.

 

Info

 

Die Habsburger im Mittelalter – Aufstieg einer Dynastie

 

16.10.2022 - 16.04.2023

täglich außer montags 10 bis 18 Uhr

im Historischen Museum der Pfalz, Domplatz 4, Speyer

 

Katalog 27,90 €

 

Weitere Informationen zur Ausstellung

 

Ihre engen Gemäuer genügten den Habsburgern schon um 1230 nicht mehr; sie hatten weiterreichende Ambitionen. Mit Erfolg: Im Lauf der Zeit stiegen sie zu einer der mächtigsten Dynastien des Kontinents auf, deren Territorialbesitz halb Europa umfasste, zeitweise auch weite Teile Amerikas – als Reich von Karl V. (1500-1558), in dem „die Sonne nicht unterging“. Wie ihnen das gelang, will die Ausstellung „Die Habsburger im Mittelalter“ im Historischen Museum der Pfalz erklären: allerdings nur den „Aufstieg einer Dynastie“ bis zum Tod von Maximilian I. 1519, dem „letzten Ritter“. Diese Zäsur erweist sich als Manko.

 

Beherrscher von Nordschweiz + Elsass

 

Die Ursprünge der Habsburger liegen im 11. Jahrhundert; ein Graf Werner (gest. 1096) soll sich erstmals nach dem Stammsitz der Familie genannt haben. Mitte des 13. Jahrhunderts erstreckte sich ihr Machtbereich auf kleinteilig verstreuten Besitz in der Nordschweiz und am Oberrhein im Elsass bis Colmar. Dazwischen lag die wohlhabende und einflussreiche Handelsstadt Basel, welche die Habsburger trotz etlicher Versuche nie unter ihre Kontrolle bekamen.

Impressionen der Ausstellung


 

Haus Österreich entsteht bis Mitte des 14. Jh.

 

1273 wurde Rudolf IV. von Habsburg zum römisch-deutschen König Rudolf I. gewählt. Eine Überraschung, die in der Schau originell inszeniert wird: als simulierte Tagesschau mit Live-Berichterstattung von der Wahl. Als einfacher Graf kam Rudolf nur als Kompromisskandidat gegen aussichtsreichere Rivalen zum Zuge. Der mächtigste von ihnen war der böhmische König Ottokar II. Přemysl (1232-1278); er erkannte Rudolfs Wahl nicht an. In der entscheidenden Schlacht fiel Ottokar. Rudolf konnte nun die Herzogtümer Österreich und Steiermark als Lehen an seine Söhne vergeben, die damit in die erste Reihe der Reichsfürsten aufstieg.

 

Bis Ende des 14. Jahrhunderts bemächtigten sich die Habsburger auch Kärntens, Tirols und der Mark Krain im heutigen Slowenien. So entstand das „Haus Österreich“; es konkurrierte im Spätmittelalter mit zwei anderen mächtigen Familien, den Luxemburgern und den Wittelsbachern, um die Vorherrschaft im Reich. Ohne Scheu vor skrupellosen Winkelzügen: 1356 hatte Kaiser Karl IV. in der „Goldenen Bulle“ den Ablauf der Königswahl durch sieben Kurfürsten geregelt. Das wurmte Herzog Rudolf IV. (1335-1369), der nicht dazuzählte.

 

Freche Urkunden-Fälschung

 

Der Urenkel des gleichnamigen Habsburger-Königs ließ fünf Urkunden fälschen, die ihn durch allerlei Privilegien den Kurfürsten gleichstellten. Dieses „Privilegium maius“ tat der Kaiser als substanzlos ab, doch Rudolfs kriminelle Energie zahlte sich deutlich später aus. Als sein Habsburger-Nachfahre Friedrich III. (1415-1493), seit 1440 römisch-deutscher König, 1452 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurde, akzeptierte er die im „Privilegium maius“ formulierten Ansprüche – Frechheit siegte nach knapp 100 Jahren.

 

Wie kommt ein Museum in Speyer auf die Idee, den Werdegang eines Herrscherhauses nachzuzeichnen, das man gemeinhin mit Wien, Salzburg, Budapest oder Madrid assoziiert – aber kaum mit der pfälzischen Kleinstadt? Der Anlass für die Schau ist etwas morbide: Rudolf I. kam 1291 hierher, um zu sterben. Er wollte im Dom beigesetzt werden, den die Salier errichtet hatten – genauer: in der leeren Grabstätte, die für den Stauferkaiser Friedrich Barbarossa bestimmt gewesen war –, um damit posthum sein eigenes Königtum symbolisch zu erhöhen.

 

Verworrenes ist schwer zu veranschaulichen

 

Aus ähnlichen Gründen gab Maximilian I. ein monumentales Denkmal 1514 in Auftrag: Zwölf Säulen sollten die im Dom bestatteten Monarchen verewigen. Doch er starb fünf Jahre später in Österreich, und das Denkmal wurde nie fertig: So kann die Schau nur Spolien zeigen. Ohnehin fällt es ihr nicht leicht, die verworrene Geschichte der mittelalterlichen Herrschaftsverhältnisse unter besonderer Berücksichtigung der Habsburger zu veranschaulichen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Die Salier - Macht im Wandel" − opulente Überblicksschau über die mittelalterliche Herrscher-Dynastie im Historischen Museum der Pfalz, Speyer

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Die Staufer und Italien - Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa" im Reiss-Engelhorn-Museum, Mannheim

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Karl der Große: Macht − Kunst − Schätze" − dreiteilige Mammutschau über das kulturelle Vermächtnis der Karolinger in Aachen

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Schätze des Glaubens" mit Meisterwerken der Sakralkunst im Mittelalter im Bode-Museum, Berlin.

 

Sie gibt sich redlich und einfallsreich Mühe, installiert viele aufwändige Reproduktionen von Kirchenfenstern und Handschriften, durchsetzt mit goldglänzenden Pretiosen aus Kirchenschätzen. Darunter sind eindrucksvolle Kostbarkeiten, etwa die Original-Urkunde von 1298 zur Wahl von Rudolfs Sohn Albrecht I. (1255-1308) zum römisch-deutschen König: An einem unscheinbaren Pergamentstück hängen sieben massige Wachssiegel. Oder ein so genannter Olifant: ein Jagdhorn aus Elfenbein, das um 1200 fein beschnitzt worden war. Oder kleine Holzkopien der so genannten Schwarzen Mandern: 28 Bronzefiguren zur Verherrlichung der Habsburger, die ebenfalls Maximilian I. für sein Grabmal bestellt hatte. Die lebensgroßen Originale stehen heute in der Innsbrucker Hofkirche.

 

Tu felix Austria nube

 

Dennoch: All diese hochkarätigen Exponate dienen nur der Illustration; die eigentliche Geschichte ist in den zahlreichen Wandtexten und anderen Erläuterungen enthalten. Man muss viel und konzentriert lesen, um die Zusammenhänge zu verstehen. Was die Frage aufwirft, wie sinnvoll es ist, einen derart verwickelten Sachverhalt als Großausstellung in Szene zu setzen – und ob er dadurch den Besuchern nachhaltig vermittelt werden kann. Das vermag eher der klar gegliederte und illustrierte Katalog.

 

Mehr noch: Der Rundgang endet mit Maximilian I.. Ihm gelang es vor allem durch geschickte Heiratspolitik, seiner Familie die Herrschaft über Böhmen, Kroatien, Ungarn, die Niederlande, Burgund und Spanien zu sichern. „Bella gerant alii, tu felix Austria nube“ („Kriege führen mögen andere; du, glückliches Österreich, heirate.“): Mit dieser Devise schuf er das weltumspannende Habsburgerreich, dessen Glanz bis 1918 noch heute fasziniert. Doch das kommt in der Speyrer Ausstellung nicht mehr vor; sie erscheint wie der erste Akt eines Schauspiels, dessen Höhepunkt und Finale fehlen.