Colin Firth

Empire of Light

Hilary (Olivia Colman) und Stephen (Micheal Ward) bewundern das Feuerwerk zum Jahreswechsel auf dem Dach des Filmpalasts. Foto: © 2022, 20th Century Studios. All Rights Reserved
(Kinostart: 20.4.) Video Killed the Cinema Star: In den 1980er Jahren siecht ein Filmpalast an der englischen Küste dahin – daran ändert auch die Romanze zwischen neurotischer Managerin und schwarzem Kartenverkäufer nichts. Das nostalgische Melodram von Regisseur Sam Mendes wirkt unausgegoren.

Das „Empire“ in der Kleinstadt Margate an der südostenglischen Küste ist keines der heutzutage dominierenden Kinos: kein Multiplex mit Dolby-Surround-Sound, kein IMAX mit Laser-Leinwand und beweglichen Sitzen. Hier werden Filme noch von Hand vorgeführt und gedruckte Eintrittskarten vom Personal am Eingang kontrolliert. Vor langer Zeit machte der opulente Bau an der Strandpromenade der Bezeichnung Filmpalast tatsächlich alle Ehre. Ein lichtdurchströmter Tanzsaal mit Meerblick erinnert an jene goldenen Jahre. Doch wo sich einst nach der Vorstellung ein ausgelassenes Publikum amüsierte, hausen nun Tauben.

 

Info

 

Empire of Light

 

Regie: Sam Mendes,

115 Min., Großbritannien/ USA 2022;

mit: Colin Firth, Olivia Colman, Micheal Ward, Toby Jones

 

Weitere Informationen zum Film

 

Die nostalgische Ode an die Magie des Kinos von Regisseur Sam Mendes spielt Anfang der 1980er Jahre – zu diesem Zeitpunkt läuft das Geschäft mit anspruchsvollen Filmen schon schlecht. Trotzdem leitet Hilary (Olivia Colman) das Haus mit der Strenge und Sorgfalt einer Managerin, die kein Pardon kennt. Sie hat keine Zeit, sich selbst Filme anzusehen; immer gibt es etwas zu tun. Ob sie am Eingang einer Handvoll Besucher Süßigkeiten verkauft oder zwischendurch ihrem Chef Mr. Ellis (Colin Firth) einen Blowjob besorgt.

 

Schwarzer Neuzugang als Lichtblick

 

Hilary steht im Mittelpunkt dieses Films: eine ruhige Frau mit labiler Psyche, deren Stimmung sich schlagartig aufhellt, als der neue Kartenverkäufer Stephen (Micheal Ward) eingestellt wird. Er ist jung, schwarz, gebildet, sieht gut aus – und vor allem teilt er Hilarys Sinn für die kleinen Dinge, die im Leben von Bedeutung sind. Es dauert nicht lange, bis zwischen beiden, so ungleich sie auch sind, zarte Gefühle aufkeimen. Gleichzeitig wächst der Rassismus in der Gesellschaft und die Gefahr, dass Hilary erneut die Nerven verliert.

Offizieller Filmtrailer


 

Zu viele Motive ohne Tiefgang

 

Sam Mendes‘ letzter Film, das Kriegsepos „1917“, war eine ergreifend bildgewaltige Hommage an seinen Großvater, der im Ersten Weltkriegs gedient hatte. Im Gegensatz dazu kommt „Empire of Light“ als unaufdringliches Kleine-Leute-Drama daher. Mit einem persönlichen Element: Mendes will mit diesem Film auch seiner Mutter gedenken, die an einer psychischen Krankheit litt. Mit guten Absichten allein ist es jedoch nicht getan.

 

Das Ergebnis ist ein seltsam oberflächliches Melodram. Es versucht, zu viele Dinge unter einem eingefallenen Kinodach zu vereinen, ohne in die Tiefe zu gehen: die Romanze zwischen Stephen und Hilary wirkt künstlich, die Diagnose ihres Nervenzusammenbruchs zu konstruiert. Der Momentaufnahme der rassistisch aufgeladenen Atmosphäre in der Thatcher-Ära fehlt es an Kontext – und eine berührende Liebeserklärung ans Kino können die hervorragende Kamera und Toby Jones als treuherziger Filmvorführer alleine nicht bewerkstelligen. Mehr als einen Hauch sanfter Nostalgie darf man von „Empire of Light“ nicht erwarten.

 

Wichtige Galavorstellung geht schief

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "1917" – meisterlich suggestiv gefilmtes Drama über den Ersten Weltkrieg von Sam Mendes

 

und hier eine Besprechung des Films "Die Fabelmans" – gelungenes halbautobiographisches Kino-Familienporträt von Steven Spielberg

 

und hier einen Bericht über den Film "Seaside Special – Ein Liebesbrief an Großbritannien" – launige Doku über die letzte Music-Hall-Sommershow im Seebad Cromer von Jens Meurer

 

und hier einen Beitrag über den Film "Die Liebe seines Lebens  (The Railway Man)" – British-Empire-Drama von Jonathan Teplitzky mit Colin Firth.

 

Lange Zeit scheint die Handlung auf einen großen dramatischen Höhepunkt zuzusteuern. Das Kino soll für eine wichtige Galavorstellung wieder auf Vordermann gebracht werden. Berühmte Gäste wie die Schauspiel-Legende Sir Lawrence Olivier und Ex-Beatle Paul McCartney haben sich angekündigt. Für alle Angestellten bedeutet das einen Hoffnungsschimmer für die Zukunft. Doch der Abend läuft mit einem peinlichen Auftritt von Hilary vor versammeltem Publikum aus dem Ruder – schon ist die Hoffnung wieder dahin.

 

Olivia Colman macht Hilarys öffentlichen Ausraster zu einem kleinen Höhepunkt des Films – der verschmierte Lippenstift auf ihren Zähnen ist das Tüpfelchen auf dem i. Trotzdem kann auch sie dem dürftigen Drehbuch von Mendes nicht genügend Leben einhauchen. Auch Micheal Wards wirkt in seiner Rolle als gute Seele an Hilarys Seite viel zu blass. Und vermeintlich wichtige Nebenfiguren in seinem Leben tauchen so spät auf, dass sie kaum einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

 

Feuerwerk als einziger Trost

 

So bleibt „Empire of Light“ im Vergleich etwa mit Steven Spielbergs charmanter und intimer Kino-Familiengeschichte „Die Fabelmans“, die vor wenigen Wochen ins Kino kam, weit zurück. Der Film von Sam Mendes wirkt eher wie eine Montage unausgegorener Konzepte als eine Herzensangelegenheit mit Fingerspitzengefühl. Eine schöne Szene auf dem Filmpalast-Dach mit dem Feuerwerk Silvesternacht versöhnt für einen kurzen Augenblick. Aber sie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier etwas schief gelaufen ist.