Russell Crowe + Franco Nero

The Pope’s Exorcist

Pater Gabriele Amorth (Russell Crowe,re) will einen Dämon austreiben. Foto: Sony Pictures
(Kinostart: 6.4.) Hauptberuf Teufelsaustreibung: Sie will ein römischer Priester im Auftrag des Papstes 70.000 Mal praktiziert haben. Der Klerikal-Schocker von Regisseur Julius Avery bietet weitere alternative Wahrheiten – etwa die Enthüllung, dass die Spanische Inquisition auf das Konto von Dämonen ging.

„Der Exorzist“ von Regisseur William Friedkin war 1973 der unheimlichste und erfolgreichste Horror-Film des Jahres. Mit nur einer Handvoll Spezialeffekte prägte dieser Film die kollektive Vorstellung des Publikums von Besessenheit durch Satan. Seine Erfolgs-Formel wurde seitdem fröhlich weiterkopiert, wenn auch nie wieder mit derartiger Resonanz.

 

Info

 

The Pope’s Exorcist

 

Regie: Julius Avery,

100 Min., USA 2023;

mit: Russell Crowe, Daniel Zovatto, Alex Essoe, Franco Nero 

 

Weitere Informationen zum Film

 

Ein halbes Jahrhundert später hat Hollywood sie auseinander genommen und für die Gegenwart neu zusammengesetzt: in „The Pope’s Exorcist“. Der Film basiert auf den Schriften des 2016 verstorbenen Priesters Gabriele Amorth, der 1986 zum Exorzisten der Diözese Rom ernannt worden war. Er behauptet, im Namen des Papstes 70.000 (!) Exorzismen durchgeführt zu haben. Amorth war ein gerngesehener Gast in TV-Talkshows und betrieb zuletzt auch eine eigene Facebook-Seite.

 

Vorher Espresso, nachher Whisky

 

Diesen medial begabten Pfaffen spielt Russell Crowe als schwer sympathischen Ironiker mit Spleens: Sein Gabriele schätzt vor der Arbeit einen Espresso und nach getanem Werk einen Schluck Whisky. Zucker dagegen meidet er – der sei „des Teufels“. Jungen Frauen etwas nachzuträllern ist ihm ein Wohlgefallen, an seiner Arbeit Interessierten empfiehlt er die Lektüre seiner Bücher mit der bescheidenen Einschätzung: „Sie sind gut“.

Offizieller Filmtrailer


 

81-jähriger Franco Nero als Papst

 

Im Film vertritt er auch die Ansicht, dass für 98 Prozent seiner Fälle eher Ärzte und Psychologen zuständig seien – das würde hochgerechnet bedeuten, dass Amorth im Lauf von 30 Jahren mit rund 3,5 Millionen Personen zu tun hatte. Wenn ein bisschen Theater hilft, bedient er sich auch gerne dieser Methode, wie die Auftakt-Szene demonstriert.

 

Dafür muss er sich später vor einer Gruppe jüngerer Kirchenfunktionäre rechtfertigen, aber diese Grünschnäbel trinken Cappuccino – was wissen die schon vom Leibhaftigen!? Nein: Die einzige Autorität, die Amorth akzeptiert, ist der Papst persönlich; verkörpert vom mittlerweile 81-jährigen Franco Nero. Dieser schickt ihn kurz darauf nach Spanien, wo er es mit einem Fall zu tun bekommt, der zu den restlichen zwei Prozent gehört.

 

Siebenjähriger mit Willem-Dafoe-Mimik

  

Erinnert diese Einführung noch an die Vatikan-Version eines James-Bond-Actionfilms, ist der zweite Erzählstrang klassischer Horror. Eine US-Kleinfamilie kommt nach Spanien, um ein altes Kloster zu restaurieren; es ist die einzige Hinterlassenschaft des Vaters, der bei einem Unfall getötet worden war. Dort lüften unbedachte Bauarbeiter versehentlich eine Pforte zur Hölle.

 

Der unschuldige Sohn zeigt alsbald alle Anzeichen von Besessenheit: Heavy-Metal-Gruftstimme, anatomisch unmögliche Verrenkungen, Superkräfte und eine an Willem Dafoe erinnernde Mimik, was bei einem Siebenjährigen zugegebenermaßen wirklich unheimlich aussieht. Wie Pater Amorth den Sohn rettet und ganz unbescheiden dahinter kommt, dass das ganze Spektakel ihm selbst galt, soll hier nicht weiter ausgebreitet werden.

 

Eiskaltes Christentum-Recycling

 

Es handelt sich, um den veralteten Begriff zu bemühen, um reinen Kintopp – Kinobudenzauber mit Ach und Krach und auch ein bisschen Sex-Appeal im Stil des italienischen Giallo-Horrors, der möglicherweise in katholischen Gebieten besonders gut ankommen wird. Die religiösen Motive, mit denen der Film hantiert, stammen ja aus der Geschichte des Christentums, und es ist nicht uninteressant, wie das Drehbuch damit umspringt, nämlich eiskalt.

 

Kommen wir noch einmal auf die (im Abspann wiederholte) Empfehlung für die Werke von Gabriele Amorth zurück: „Sie sind gut“, das soll offenbar heißen: Sie sind spannend, unterhaltsam, und es gibt mehrere davon. Auch wenn der Mann offensichtlich eine Schraube locker hatte, ist er sicher jemand, der weiß, wie man eine Gruselgeschichte erzählt.

 

200 Pforten zur Hölle bewachen

 

Beim Lesen müssen den Machern dieses Films die Augen übergegangen sein: 200 gefallene Engel schmoren in der Hölle und haben kein anderes Anliegen, als auf Erden Schaden anzurichten. 200 Pforten zur Hölle müssen bewacht werden, um diese Dämonen davon abzuhalten. Das ist eine Menge Arbeit und ergibt eine Menge Stoff für Sequels, wenn die Rechnung aufgeht.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Jenseits der Hügel – După dealuri" – vielschichtiges Exorzismus-Drama im rumänisch-orthodoxen Kloster von Cristian Mungiu, dreifacher Cannes-Preisträger 2012

 

und hier eine Besprechung des Films "Die Erscheinung (L'Apparition)" – bewundernswert nuancierte Reflexion über religiöses Bewusstsein am Beispiel von Marien-Erscheinungen von Xavier Giannoli mit Vincent Landon

 

und hier eine Kritik des Films "Verteidiger des Glaubens – das Scheitern eines Papstes" – Doku über Josef Ratzinger und sein Pontifikat als Benedikt XVI. von Christoph Röhl

 

und hier einen Beitrag über den Film "Midsommar" – klug komponierter Mystery-Horror-Thriller über Obsessionen in schwedischer Landkommunen-Sekte von Ari Aster

 

und hier einen Beitrag über den Film "Kingsman: The Secret Service" – originell-zynische Agentenfilm-Parodie von Matthew Vaughn mit Colin Firth.

 

Denn das Zauberwort „Franchise-System“ steckt dem Film im Hals wie seinen bedauernswerten Darstellern die roten Vögel, die sie ständig hochwürgen müssen. Der Film verhält sich zum Original-„Exorzisten“ von Friedkin, den er in mehreren Einstellungen zitiert, wie die „Alien“-Fortsetzungen zum Original von 1979, und wie alle James-Bond-Filme zu „Goldfinger“ von 1964.

 

Klerus schützt vor Dämonenarmee

 

Der katholische Klerus erscheint dabei wie ein Männer-Geheimclub im Stil der „Kingsmen“-Spione oder „Avengers“-Superhelden. Er verbringt seine Zeit offenbar nur zur Tarnung mit Missionsarbeit, Immobilienhandel, Gängelung seiner Schäfchen und Kindesmissbrauch. In Wirklichkeit beschützt er uns vor der Überwältigung durch eine Dämonenarmee – und hat dafür leider nur einen Spezialagenten zur Verfügung.

 

Nicht immer wird klar, ob solche haarsträubenden Konstruktionen der paranoiden Weltsicht des echten Amorth entspringen oder eher der Kaltschnäuzigkeit des Filmteams, dem scheinbar alles egal ist, solange es nur eine Fortsetzung daraus melken kann. Es hat noch mehr Enthüllungen alternativer Wahrheiten aus der Kirchengeschichte zu bieten: zum Beispiel, dass seit 1492 sowieso alles nicht so gemeint war.

 

Schauerliche Geschichtsklitterung

 

Als Kolumbus Amerika entdeckte, war nämlich schon einmal ein Dämon mit seinem Masterplan durchgekommen und hatte den Vatikan infiltriert. Schon gewusst? Die Grausamkeiten der Spanischen Inquisition – dafür waren die von der anderen Seite verantwortlich! Solche Geschichtsklitterung ist schon ziemlich dreist, und von ein paar Drehbuchlöchern und Anschlussfehlern abgesehen, auch schon das Schauerlichste an diesem Film.