Benjamin (Leonard Scheicher) hat einen Auftrag: Er soll seinen verschwundenen Freund Wanja (Jakub Gierszał) finden. Der ist seit einer Weile auf Kuba, um für seine Masterarbeit über Seekühe zu forschen; nun scheint er abgetaucht. Beauftragt wurde Benjamin von Wanjas Vater, der zwar reichlich Geld, aber offenkundig ein schlechtes Verhältnis zu seinen Kindern hat.
Info
Vamos a la playa
Regie: Bettina Blümner
90 Min., Kuba/ Deutschland 2022
mit: Leonard Scheicher, Victoria Schulz, Maya Unger, Jakub Gierszal u.a.
Weitere Informationen zum Film
Sextourismus auf Kosten des Vaters
Stattdessen bringt sie spontan ihre Freundin Judith (Maya Unger) mit zum Flughafen. Denn Katharina betrachtet die Reise in erster Linie als Gelegenheit, auf Kosten ihres Vaters Urlaub zu machen – sextouristische Selbstversuche inklusive. Benjamin ist dagegen ein korrekter, gewissenhafter Typ, der jede Ausgabe sorgfältig dokumentiert und alles tut, um seinen verschollenen Freund zu finden.
Offizieller Filmtrailer
Wohlstandsgefälle und Familiendynamik
Der Film begleitet dieses ungleiche Trio auf seiner Odyssee durch ein Land, das – zumindest für das Tourismus-Marketing – als Inbegriff von Lebensfreunde trotz widriger Umstände gilt. Dem gegenüber scheinen sich die Reisenden ihrer Privilegien kaum bewusst, auch wenn diese immer wieder mit ihren guten Absichten kollidieren. Als sich ausgerechnet die skeptische Judith in den Tanzlehrer Ignacio (Eugenio Torroella Ramos) verguckt, bringt dies das Beziehungsgefüge der Gruppe noch mehr durcheinander.
In dieser unheilvollen Mischung steckt allerhand dramatisches Potenzial. Und doch gelingt es der Regisseurin Bettina Blümner nur selten, aus den Spannungsfeldern ihrer Geschichte Funken zu schlagen: Neben dem Wohlstandsgefälle zwischen Touristen und Einheimischen zählt dazu vor allem die Familiendynamik, über deren Hintergründe der Zuschauer zu wenig erfährt, um sich dafür zu interessieren.
Unterhaltungselektronik gegen Armut
Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass ihre Protagonistinnen so erratisch agieren, dass es selbst für orientierungslose Wohlstandskinder überzogen wirkt. Etwa, wenn Wanja – dem sie nach langer Suche eher zufällig über den Weg laufen – verlangt, dass sie das Konto ihres Vaters komplett leer räumen. Er will die kubanische Familie, die ihn aufgenommen hat, auf eine Shoppingtour einladen. Ausgerechnet die Figur in der Gruppe, die das Leben auf der Karibikinsel etwas besser kennt, glaubt also, strukturelle Armut mit Kofferraum-Ladungen voller Unterhaltungs-Elektronik lindern zu können.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Scherbenpark" - Prekariats-Girlie-Porträt mit einer wunderbaren Jasna Fritzi Bauer von Bettina Blümner
und hier einen Beitrag über den Film "Hasta la vista, Sister" von John Roberts mit noch mehr Europäerinnen auf Kuba-Mission
sowie hier eine Besprechung der Tragikomödie "Letzte Tage in Havanna" von Fernando Peréz - facettenreicher Blick auf die kubanische Hauptstadt aus kubanischer Perspektive.
Einsprengsel ohne Einblick
Atmosphärisch stimmige, durchaus authentisch wirkende Bilder können kaum darüber hinwegtäuschen, dass das Potenzial dieser culture clash story weitgehend verschenkt wird. Bekannt wurde Regisseurin Blümner 2007 mit einer anderen Coming-of-Age-Erzählung, dem Dokumentarfilm „Prinzessinnenbad“; darin schaute sie 15-jährigen Kreuzbergerinnen beim Erwachsenwerden zu. Obwohl „Vamos a la playa“ eine fiktionale Geschichte ist, sind in die eher dünne Handlung offenbar autobiographische Erfahrungen der Filmemacherin eingeflossen. Im Rahmen ihres Regiestudiums hatte sie vor 20 Jahren an einem Austausch mit einer kubanischen Hochschule teilgenommen.
Auf dokumentarische Elemente verzichtet sie auch bei diesem Spielfilm nicht komplett. So filmen sich ihre Akteure sporadisch mit dem Handy und sinnieren über Fragen, die zwar einen Eindruck vermitteln, wie die drei ticken, mit dem Rest des Films aber wenig zu tun haben – Katharina etwa überlegt, was eigentlich einen guten Orgasmus ausmacht.
Diese Einsprengsel wirken aber eher unmotiviert. Sie geben weder Einblicke, wie die drei Mittzwanziger die Situation auf Kuba beurteilen, noch helfen sie dabei, das Beziehungsgeflecht zwischen den Protagonisten besser nachzuvollziehen. Dabei gilt letzterem offenbar Blümners Hauptinteresse, aber beim Publikum kommt davon leider herzlich wenig an.