Bettina Blümner

Vamos a la playa

Katharina (Victoria Schulz) am Pool. Foto: jip film & verleih
(Kinostart: 27.4.) Sextourismus auf der Sozialismus-Insel: Drei junge Deutsche suchen auf Kuba nach einem verschollenen Freund und geraten stattdessen in erotische Verwicklungen. Trotz stimmiger Bilder verschenkt Regisseurin Bettina Blümner das dramatische Potenzial ihrer Culture Clash Story.

Benjamin (Leonard Scheicher) hat einen Auftrag: Er soll seinen verschwundenen Freund Wanja (Jakub Gierszał) finden. Der ist seit einer Weile auf Kuba, um für seine Masterarbeit über Seekühe zu forschen; nun scheint er abgetaucht. Beauftragt wurde Benjamin von Wanjas Vater, der zwar reichlich Geld, aber offenkundig ein schlechtes Verhältnis zu seinen Kindern hat.

 

Info

 

Vamos a la playa

 

Regie: Bettina Blümner

90 Min., Kuba/ Deutschland 2022

mit: Leonard Scheicher, Victoria Schulz, Maya Unger, Jakub Gierszal u.a.

 

Weitere Informationen zum Film

 

Die verachten ihn dafür, zu glauben, sich alles kaufen zu können. Zu allem Überfluss tue er auch noch so, als sei er schwer krank – nur um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Das vermutet zumindest Wanjas Schwester Katharina (Victoria Schulz). Sie begleitet Benjamin nach Kuba, obwohl sie sich über den Verbleib ihres Bruders wenig Sorgen zu machen scheint. 

 

Sextourismus auf Kosten des Vaters

 

Stattdessen bringt sie spontan ihre Freundin Judith (Maya Unger) mit zum Flughafen. Denn Katharina betrachtet die Reise in erster Linie als Gelegenheit, auf Kosten ihres Vaters Urlaub zu machen – sextouristische Selbstversuche inklusive. Benjamin ist dagegen ein korrekter, gewissenhafter Typ, der jede Ausgabe sorgfältig dokumentiert und alles tut, um seinen verschollenen Freund zu finden.

Offizieller Filmtrailer


 

Wohlstandsgefälle und Familiendynamik

 

Der Film begleitet dieses ungleiche Trio auf seiner Odyssee durch ein Land, das – zumindest für das Tourismus-Marketing – als Inbegriff von Lebensfreunde trotz widriger Umstände gilt. Dem gegenüber scheinen sich die Reisenden ihrer Privilegien kaum bewusst, auch wenn diese immer wieder mit ihren guten Absichten kollidieren. Als sich ausgerechnet die skeptische Judith in den Tanzlehrer Ignacio (Eugenio Torroella Ramos) verguckt, bringt dies das Beziehungsgefüge der Gruppe noch mehr durcheinander.

 

In dieser unheilvollen Mischung steckt allerhand dramatisches Potenzial. Und doch gelingt es der Regisseurin Bettina Blümner nur selten, aus den Spannungsfeldern ihrer Geschichte Funken zu schlagen: Neben dem Wohlstandsgefälle zwischen Touristen und Einheimischen zählt dazu vor allem die Familiendynamik, über deren Hintergründe der Zuschauer zu wenig erfährt, um sich dafür zu interessieren.

 

Unterhaltungselektronik gegen Armut

 

Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass ihre Protagonistinnen so erratisch agieren, dass es selbst für orientierungslose Wohlstandskinder überzogen wirkt. Etwa, wenn Wanja – dem sie nach langer Suche eher zufällig über den Weg laufen – verlangt, dass sie das Konto ihres Vaters komplett leer räumen. Er will die kubanische Familie, die ihn aufgenommen hat, auf eine Shoppingtour einladen. Ausgerechnet die Figur in der Gruppe, die das Leben auf der Karibikinsel etwas besser kennt, glaubt also, strukturelle Armut mit Kofferraum-Ladungen voller Unterhaltungs-Elektronik lindern zu können.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Scherbenpark" - Prekariats-Girlie-Porträt mit einer wunderbaren Jasna Fritzi Bauer von Bettina Blümner

 

und hier einen Beitrag über den Film "Hasta la vista, Sister" von John Roberts mit noch mehr Europäerinnen auf Kuba-Mission

 

sowie hier eine Besprechung der Tragikomödie "Letzte Tage in Havanna" von Fernando Peréz - facettenreicher Blick auf die kubanische Hauptstadt aus kubanischer Perspektive.

 

Oder wenn Katharina einfach ein paar Scheine drauflegt, damit ihr latin lover beim gemeinsamen Abendessen seinen Salat aufisst – auch wenn er den gar nicht mag. Für Sex bezahlt sie ihn schließlich ebenso; warum also nicht auch dafür, seinen Teller leer zu essen? Sextourismus, sofern er von Frauen ausgeht, begreift sie offenbar als Akt der Selbstermächtigung; ökonomische Ungleichheiten blendet sie komplett aus. Letztlich machen sie und ihr Bruder Wanja genau das, was sie ihrem Vater vorwerfen: Sie setzen Geld ein, um ihre Macht zu demonstrieren. 

 

Einsprengsel ohne Einblick

 

Atmosphärisch stimmige, durchaus authentisch wirkende Bilder können kaum darüber hinwegtäuschen, dass das Potenzial dieser culture clash story weitgehend verschenkt wird. Bekannt wurde Regisseurin Blümner 2007 mit einer anderen Coming-of-Age-Erzählung, dem Dokumentarfilm „Prinzessinnenbad“; darin schaute sie 15-jährigen Kreuzbergerinnen beim Erwachsenwerden zu. Obwohl „Vamos a la playa“ eine fiktionale Geschichte ist, sind in die eher dünne Handlung offenbar autobiographische Erfahrungen der Filmemacherin eingeflossen. Im Rahmen ihres Regiestudiums hatte sie vor 20 Jahren an einem Austausch mit einer kubanischen Hochschule teilgenommen.

 

Auf dokumentarische Elemente verzichtet sie auch bei diesem Spielfilm nicht komplett. So filmen sich ihre Akteure sporadisch mit dem Handy und sinnieren über Fragen, die zwar einen Eindruck vermitteln, wie die drei ticken, mit dem Rest des Films aber wenig zu tun haben – Katharina etwa überlegt, was eigentlich einen guten Orgasmus ausmacht.

 

Diese Einsprengsel wirken aber eher unmotiviert. Sie geben weder Einblicke, wie die drei Mittzwanziger die Situation auf Kuba beurteilen, noch helfen sie dabei, das Beziehungsgeflecht zwischen den Protagonisten besser nachzuvollziehen. Dabei gilt letzterem offenbar Blümners Hauptinteresse, aber beim Publikum kommt davon leider herzlich wenig an.