Als Inez (Teyana Taylor) 1994 aus dem New Yorker Gefängnis Rikers Island entlassen wird, ist sie gerade einmal 22 Jahre alt. Wie sie dort gelandet ist, erfährt der Zuschauer nicht. Für den Handlungsverlauf scheint das aber auch irrelevant zu sein. Die so abgehärtete wie impulsive Afroamerikanerin aus Brooklyn schaut nach vorne und will sich nicht unterkriegen lassen. Auch wenn ihre ehemalige Chefin ihr keinen Job als Haarstylistin mehr gibt und sie zunächst nicht einmal ein Dach über dem Kopf hat.
Info
A Thousand and One
Regie: A.V. Rockwell,
119 Min.USA 2023;
mit: Teyana Taylor, Will Catlett, Josiah Cross, Aven Courtney
Weitere Informationen zum Film
Neustart in Harlem
Sie zieht mit dem Jungen nach Harlem, wo niemand die frischgebackene Patchwork-Familie kennt, zu der bald auch Inez’ Freund Lucky (William Catlett) gehört. Allen Unwägbarkeiten zum Trotz gelingt es den dreien, sich ein neues Leben aufzubauen. Der introvertierte Terry (mit 17: Josiah Cross) entwickelt sich bestens, trotz des psychischen Gepäcks, das er offenbar mit sich herumschleppt. Seine Lehrerin findet sogar, dass er aufgeweckt genug für ein Studium an einer Elite-Uni sei. Sie ermutigt ihn, sich in Harvard oder am MIT (Massachusetts Institute of Technology) zu bewerben.
Offizieller Filmtrailer OmU
Rhythmus der Großstadt
Eine eindimensionale amerikanische Selbstermächtigungsgeschichte ist der Film dennoch nicht. Das Langfilmdebüt der Regisseurin und Drehbuchautorin A.V. Rockwell erweist sich tatsächlich als bemerkenswert facettenreich – nicht zuletzt durch einen stimmigen Blick, den es auf das Leben in den afroamerikanisch geprägten Wohnvierteln wirft. Die Stadt wirkt fast wie ein weiterer Protagonist in der Geschichte. Mit Gefühl für ihren Rhythmus und ihre natürliche Lebendigkeit fängt die Regisseurin die Atmosphäre von sonst wenig ausgeleuchteten Ecken ein.
Dass Rockwell den Regisseur Spike Lee zu ihren Vorbildern zählt, überrascht insofern nicht, da der mit atmosphärisch aufgeladenen Großstadt-Filmen wie „Do The Right Thing“ (1989) oder auch „Summer of Sam“ (1999) das New Black Cinema prägte. Der Regisseurin führt zudem eindrücklich vor, wie schwer es ist, ein Kind in einer armen Wohngegend großzuziehen. Etwa, wenn der jugendliche Terry immer wieder in anlasslose Polizeikontrollen gerät, die, wie die Statistik belegt, überproportional häufig Latinos und Afroamerikaner treffen.
Willkür und Verdrängung
Dieses sogenannte stop and frisk-Programm – „anhalten und filzen“ – hat Rudy Giuliani eingeführt, der New Yorker Bürgermeister der Jahre 1994 bis 2001 und spätere Trump-Anwalt. Sie wurde aber auch unter seinem demokratischen Nachfolger Michael Bloomberg umfänglich von der Polizei eingesetzt. Diese Aspekte des Lebens erzählt „A Thousand And One“ auf eine Weise mit, die gerade durch ihre Beiläufigkeit eine subtile Wucht entwickelt – auch wenn der Film dadurch bisweilen etwas zerfasert.
Hintergrund
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Melodramatischer Hakenschlag
Auf den letzten Metern entwickelt sich der Film dann zum veritablen Melodram. Aufhänger dafür ist eine Offenbarung, die ein dickes Fragezeichen hinter die Erzählung von der tapferen Löwenmutter setzt, die es ihrem Kind zuliebe mit der ganzen Welt aufnimmt. Ob es diesen Hakenschlag wirklich gebraucht hätte – darüber ließe sich wohl streiten. Doch er verleiht der Geschichte emotionale Komplexität und rückt Inez’ Motivation in ein neues Licht.
Die einzige Schwäche des Films ist, dass die Wechsel zwischen den verschiedenen angerissenen Themenfeldern nicht immer geschmeidig wirken, sondern oft etwas holprig. Doch auch in solchen Momenten wird das Drama, das Anfang des Jahres den Wettbewerb des Sundance Festival gewann, immer noch von der eindrucksvollen Performance von Hauptdarstellerin Teyana Taylor zusammengehalten.