Seit Bram Stoker in seinem Roman „Dracula“ eine historische Figur aus dem Mittelalter mit einem noch älterem Volksglauben verquickte, ist der gute alte Vampir aus der Populärkultur nicht mehr wegzudenken. Der Figur nach unzähligen Verfilmungen noch etwas Neues abzugewinnen, ist nicht einfach. Das personifizierte blutsaugende Böse ist für viele der Fiesling des Vertrauens, da Marotten und Schwächen bekannt und variierbar sind. Das macht ihn aber auch ein wenig langweilig. Warum also nicht in seinem Umfeld nach einem geeigneten Kandidaten schauen, mit dem man die immer gleiche Geschichte vom nach Blut dürstenden Monster anders erzählen kann?
Info
Renfield
Regei: Chris McKay,
93 Min., USA 2023;
mit: Nicolas Cage, Nicholas Hoult, Awkwafina, Ben Schwartz, Adrian Martinez
Weitere Informationen zum Film
Neunzig Jahre Knechtschaft
Das lässt ihm keine Zeit selbst zur oberflächlichsten Pflege, weshalb er seit gut neunzig Jahren denselben, inzwischen verschlissenen Anzug trägt. Es ist der Anzug, den er trug, als Dracula (Nicholas Cage) ihn einst gegen seinen Willen in Dienst stellte. Seitdem muss er zum eigenen Lebenserhalt gelegentlich ein paar Ratten den Lebenssaft aussaugen oder, wenn’s brenzlig wird, Insekten naschen. Dann werden übernatürliche Kräfte und Kampfkunst-Fähigkeiten entfesselt, denen kein Sterblicher etwas entgegensetzen kann.
Offizieller Filmtrailer
Renflieds Vorgeschichte erzählt Regisseur Chris McKay in einer Schwarzweiß-Sequenz, die sich respektvoll ironisch vor den alten Dracula-Filmen mit Bela Lugosi verneigt. Es folgt ein Sprung in die triste Gegenwart. In einer Selbsthilfegruppe für toxische Beziehungen trifft der äußerlich immer noch junge Renfield (Nicholas Hoult, mit irrer Lache) auf Menschen, die vor allem mit Energievampiren Erfahrungen gesammelt haben. Langsam reift in ihm der Wunsch nach Unabhängigkeit von seinem Boss. Nur wie er das anstellen soll, ist ihm noch nicht klar.
Eine neue Aufgabe
Erst als er auf die Polizistin Rebecca (Awkwafina) trifft, eröffnet sich für ihn ein Ausweg. Nun hat er eine neue Aufgabe, denn die ambitionierte junge Frau hat der mächtigsten Verbrecherfamilie von New Orleans den Kampf angesagt und nichts gegen die Hilfe eines äußerst fähigen Mitstreiters einzuwenden. So sieht sich Renfield mit zwei Herausforderungen konfrontiert: sich von seinem rachsüchtigen Chef abzunabeln und Rebecca zu beeindrucken.
Hintergrund
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und hier einen Bericht über den Film "Abraham Lincoln Vampirjäger" - History-Fantasy-Spektakel von Timur Bekmambetov.
Blutige Schauwerte
Blutig geht es in dem Film allemal zu, nicht nur wegen Draculas Ernährungsgewohnheiten. Die machtgierigen Mafiosi haben ebenfalls keine Angst vor abgetrennten Armen oder anderen Amputationen. Für schwache Nerven ist das nichts, wobei wie in alten Horrorfilmen absichtlich wenig Wert auf anatomische Genauigkeit gelegt wird. Im Vordergrund steht stets der Schauwert. Da ist es auch zu verschmerzen, dass die Geschichte an sich wenig innovativ und etwas platt daherkommt.
Das Zusammenspiel von Nicholas Hoult und Nicolas Cage, der als würdiger Nachfolger der überzogen agierenden Dracula-Darsteller Bela Lugosi oder Christopher Lee brilliert, tröstet darüber hinweg und macht großen Spaß. Weniger gelungen ist allerdings die Besetzung der Polizistin Rebecca: Die sinoamerikanische Rapperin Awkwafina wirkt neben den tonangebenden Herren etwas blass.
Bei aller Spielfreude und Zitatenlust bleibt auch die wenig konsistente Story irgendwann auf der Strecke, was wiederum gut in den Kanon der nicht ganz ernst gemeinten Dracula-Filmen passt. Auch wenn diese meistens als alberne B-Movies galten, waren sie dennoch stilbildend. Gut unterhalten wird man in diesem Genre-Mix allemal. Und den Abspann sollte man sich keinesfalls entgehen lassen.