Fedora-Hut, Lederjacke und Peitsche – fertig ist das Kostüm von Indiana Jones, genannt Indy. Sein enorm hoher Wiedererkennungswert funktioniert seit mehr als 40 Jahren. Kaum ein anderer Filmheld war und ist so beliebt; insbesondere, weil der abenteuerlustige Archäologe Schwächen und Defizite zeigte. Das war 1981, als mit „Jäger des verlorenen Schatzes“ der erste Film der Reihe auf die Leinwand kam, eine noch sehr seltene Kinohelden-Eigenschaft.
Info
Indiana Jones und das Rad des Schicksals
Regie: James Mangold,
154 Min., USA 2023;
mit: Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Mads Mikkelsen, Toby Jones
Weitere Informationen zum Film
Regisseur des Johnny-Cash-Biopic
Diesmal tritt Spielberg allerdings nur als ausführender Produzent auf. Er hat den Regiestuhl James Mangold überlassen, der schon mehrfach schlagkräftige Helden auf die Leinwand brachte – etwa 2005 im Biopic „Walk the Line“ über die Country-Music-Legende Johnny Cash.
Offizieller Filmtrailer
Mit dem Schicksals-Rad gegen Nazis
Mangold lässt es in bewährter Manier gleich am Anfang richtig krachen. Der computertechnisch verjüngte Indiana Jones wird im Jahr 1944 auf Rettungsmission für seinen Archäologenfreund Basil Shaw (Toby Jones) geschickt. Dieser hat ein antikes Artefakt entdeckt, das angeblich Archimedes höchstpersönlich entwickelt haben soll. Es kann Risse im Zeitverlauf lokalisieren – also mit anderen Worten Zeitreisen ermöglichen. Das erinnert an einen anderen 1980-Jahre-Klassiker, die Sci-Fi-Komödie „Zurück in die Zukunft“ (1985) von Robert Zemeckis.
Dieses „Rad des Schicksals“ will der skrupellose Nazi-Wissenschaftler Jürgen Voller (Mads Mikkelsen) benutzen, um den Verlauf des Zweiten Weltkriegs zugunsten des Dritten Reiches zu verändern, was Indy natürlich verhindern muss. Die spektakuläre Hatz mündet schließlich in einen James-Bond-tauglichen Zweikampf auf dem Waggondach eines fahrenden Schnellzugs über einer Schlucht.
Mechanismus von Antikythera als Vorbild
Dabei geht das Schicksals-Rad teilweise verloren, was Indy ein Vierteljahrhundert später immer noch beschäftigt. Er referiert darüber in seinen Vorlesungen vor lustlosen Studenten, die 1969 andere Dinge im Kopf haben als Altertümer. Bis zu seiner Emeritierung versucht der Professor erfolglos, seine Zuhörerschaft für die Geschichte des Objekts zu begeistern. Es ist optisch dem realen „Mechanismus von Antikythera“ nachempfunden; einer Art astronomischer Uhr aus dem antiken Griechenland zur Beobachtung von Sonne und Mond.
Plötzlich taucht Patenkind Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge) auf und bietet Indy an, gemeinsam nach dem besagten Rad zu suchen. Er schnappt sich seine alte Abenteurer-Ausrüstung, die immer noch gut passt, und flugs geht es nach Nordafrika. Dass Helena alles andere als selbstlose Absichten verfolgt, ahnt er da noch nicht.
Aale lösen Schlangenphobie aus
Nach diesem furiosen Einstieg folgt Regisseur James Mangold eindeutig und absichtlich den ausgetretenen Pfaden bisheriger Indiana-Jones-Abenteuer. An schön anzusehenden Schauplätzen wie Tunesien, Ägypten oder Griechenland inszeniert er etliche rasant gefilmte Verfolgungsjagden, mal zu Pferd in der U-Bahn, mal per Tuk-Tuk-Autorikscha durch verwinkelte maghrebinische Gassen oder im Meer, wo massenweise Aale lauern und Indys Schlangenphobie triggern.
Hintergrund
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Planet als Kolonial-Abenteuerspielplatz
Trotz aller vertrauten Tonlage, die Regisseur Mangold anschlägt, ist aber der Duktus des Films insgesamt zeitgemäß. Patentochter Helena würde sich eine Anrede als „Schätzchen“ niemals bieten lassen; nicht von ungefähr sieht sie aus und agiert wie eine Wiedergängerin von Katherine Hepburn. Mehr Respekt zeigt die Produktion auch vor Ross und Reiter: Viele der spektakulären Stunts sind mittlerweile tierschonend computergeneriert.
Dem Spaß am Abenteuer tut das keinen Abbruch, auch wenn man eigentlich nur Erwartetes serviert bekommt. Nicht obwohl, sondern gerade weil sich Indiana Jones durch vertraute Gefilde bewegt: eine prädigitale Welt vor der Globalisierung, in der sich zwar allerlei weiße Flecken auf der Landkarte füllen und exotische Kulturen entdecken ließen, aber der ganze Planet im Grunde ein einziger Abenteuerspielplatz für die Kolonialmächte war. Das ist unwiderruflich vorbei – daher würde eine weitere Fortsetzung der Serie zusehends anachronistischer. Wenn Indy am Ende seinen Hut aufhängt, dann vermutlich für immer.