Thomas Hardiman

Medusa Deluxe

Inez (Kae Alexader) und Divine (Kayla Meikle) fielbern auf den Wettbewerb hin. Foto: MUBI
(Kinostart: 8.6.) Mord ohne Motiv? In Echtzeit erzählt das Kino-Debüt von Tom Hardiman vom Tod eines Haar-Stylisten. Allerdings scheint den Regisseur die Frage nach dem Täter weniger zu interessieren als milieutypische Klischees. So wirkt sein Krimi nach einer Weile schlicht an den Haaren herbeigezogen.

Ausgerechnet skalpiert! Eine grausigere Weise, zu Tode zu kommen, gibt es kaum. Schon gar nicht für einen Haar-Stylisten. Doch genau dieses entwürdigende Ende findet der Profi-Barbier Mosca – just an dem Tag, der sein großer Triumph werden sollte: Er wollte einen regionalen Friseur-Wettbewerb für sich entscheiden.

 

Info

 

Medusa Deluxe

 

Regie: Thomas Hardiman,

101 Min., Großbritannien 2022;

mit: Anita-Joy Uwajeh, Clare Perkins, Darrell D'Silva, Debris Stevenson

 

Weitere Informationen zum Film

 

Gar nicht traurig über sein Ableben ist seine schärfste Konkurrentin Cleve (Clare Perkins), die zudem eine scharfe Zunge hat. Sie bastelt eifrig an den Haaren von Angie (Lilit Lesser) herum und will den Wettbewerb mit einer so genannten Fontange für sich entscheiden: einer von stützenden Drähten in Haubenform gebrachten Haartracht. Sie wurde im späten 17. Jahrhundert von der Herzogin von Fontanges, einer Maitresse von Louis XIV, in Europa popularisiert. 

 

Außenwelt bleibt draußen

 

Doch würde Cleve für ihren Sieg auch morden? Eigentlich will sie ja vor allem, dass dieser Tag wie geplant über die Bühne geht. Die drohende Absage passt ihr gar nicht in den Kram –  und genau so geht es den anderen Stylisten und Models, die sich in dem Gebäude tummeln. Dem Opfer scheint zwar kaum einer nachzutrauern, ein offensichtliches Motiv hat allerdings auch niemand.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Die Außenwelt spielt in diesem launigen, zugleich jedoch recht unfokussierten Whodunit-Krimi von Regisseur Thomas Hardiman keine Rolle. Streng genommen handelt es sich um ein Kammerspiel, das sich über ein weit verzweigtes Gebäude erstreckt – dessen Charme nach zu urteilen, steht es in einem Gewerbegebiet am Rande der Stadt. Umso heller strahlt der Sternenstaub, den die Stylisten über ihre Kreationen verstreuen.

 

Mäandern in Echtzeit

 

Peu à peu erfährt der Zuschauer ein paar Hintergründe: Wer schon einmal ein Techtelmechtel mit wem hatte oder wer mit wem verfeindet ist. Diese Vorgeschichten erhellen allerdings wenig und verpuffen weitgehend. Zwischendurch muss die schlechte Nachricht an Moscas Partner überbracht werden, mit dem er ein kleines Kind hat.

 

Und ab und an taucht ein von Kopfschmerzen geplagter Wachmann auf, der einen gruseligen – oder vielleicht auch nur verstörten – Eindruck macht, um sich Schmerzmittel oder ein paar Feuchtpflegetücher auszuleihen. Dass er letztere braucht, um das Blut aufzuwischen, das aus seinem Spind tropft, scheint niemand zu interessieren. So mäandert die Handlung in Echtzeit vor sich hin, bis die Frage, wie Mosca zu Tode kam, plötzlich und überraschend aufgelöst wird.

 

Cartoonhaft überzeichnet

 

Die murder mystery steht aber sowieso nicht im Mittelpunkt dieser leider eher dünnen und zudem nicht sonderlich spannend inszenierten Handlung; sie spielt fast eine untergeordnete Rolle. Von Klassikern des Genres unterschiedet sich die Story auch dadurch, dass es keinen Ermittler gibt. Die Polizei läuft ab und an planlos durchs Bild, doch das bringt den Handlungsverlauf kaum voran. Eher geht es in der Geschichte darum, ein Panoptikum aus der Welt der Stylisten zu zeichnen – wobei die Figuren erwartungsgemäß viel herumzicken und auch sonst cartoonhaft überzeichnet sind.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Menue" - gelungene gallige Horror-Satire von Mark Mylod

 

und hier eine Besprechung des Films „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ – brillantes Kammerspiel am englischen Hof von Yorgos Lanthimos, Kameramann: Robbie Ryan

 

und hier einen Beitrag über den Film "Midsommar" – unkonventioneller Mystery-Horror-Thriller von Ari Aster

 

und hier einen Bericht über den Film "The Outfit - Verbrechen nach Maß" – raffinierter Herrenschneider-Thriller von Graham Moore

 

Auf visueller Ebene ist das Spektakel, nicht zuletzt aufgrund des extravaganten Designs, phasenweise durchaus eindrucksvoll. Das ist nicht zuletzt der Kameraarbeit von Robbie Ryan zu verdanken. Auf sein Konto gingen schon die fulminanten Visualisierungen von Yorgos Lanthimos Königinnendrama „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ (2019) und der brillanten US-amerikanischen Sozialstudie „American Honey“ (2016) von Andrea Arnold.

 

Endlose Gänge, keine Substanz

 

Leider fehlt es Hardimans selbstverfasstem Drehbuch an vergleichbarer Substanz. Und nicht jeder visuelle Einfall gelingt gleichermaßen stimmig. So wird etwa unnötigerweise die Illusion geschaffen, der Film sei in einem einzigen Take entstanden. Weder gibt es Zeitsprünge noch Schnitte an einen anderen Schauplatz. Welchem dramaturgischen Zweck das dienen soll, erschließt sich allerdings nicht.

 

Auffälligste Konsequenz dieser Idee ist jedenfalls, dass man den verschiedenen Figuren immer wieder durch endlosen Gänge des Gebäudes folgt, um an den nächsten Schauplatz zu gelangen – was bei den ersten Malen noch Assoziationen an den Horrorfilm weckt. Dieses Versprechen bleibt aber unerfüllt, und nach einigen Durchgängen wirkt die Methode schlichtweg ermüdend.

 

Insgesamt wirkt „Medusa Deluxe“ also etwas zerfasert, auch wenn einzelne Einfälle und das ungewöhnliche Setting durchaus Lust auf künftige Arbeiten des Regiedebütanten Thomas Hardiman wecken. Bei diesem Film jedoch bereiten die einzelnen Bestandteile mehr Vergnügen als die Summe seiner Teile.