Greta Gerwig

Barbie

Ken (Ryan Gosling) und Barbie (Margot Robbie) fahren durch die Wüste. Foto: TM & © 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. Alle Rechte vorbehalten.
(Kinostart: 20.7.) Kinosommerträumchen in Pink: Die fluffig-satirische Hommage von Regisseurin Greta Gerwig an die berühmteste Puppe der Welt verbindet perfekt inszenierte Unterhaltung mit ernsthafter Gesellschaftskritik aus feministischer Perspektive.

Man liebt oder hasst sie – Barbiepuppen. Für die einen ist Barbie aufgrund ihrer unrealistischen Körperproportionen der Inbegriff weiblicher Diskriminierung in Spielzeugform. Für die anderen ist sie die heiß geliebte Begleiterin der eigenen Kindheit und zugleich Vorbild für eigene Lebensmodelle. Denn seit die Barbiepuppe – benannt nach der Tochter Barbara ihrer Schöpferin Ruth Handler – 1959 auf den Markt kam, hat sie zahllose Frauenrollen verkörpert: Sie war Bauarbeiterin, Ärztin, Pilotin, Astronautin, sogar Präsidentin. Doch niemals war sie, was bis weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus als das dominierende Rollenbild einer Frau galt: Mutter.

 

Info

 

Barbie 

 

Regie: Greta Gerwig,

114 Min., USA/ Großbritannien 2023;

mit: Margot Robbie, Ryan Gosling, Will Ferrell

 

Weitere Informationen zum Film

 

Gleich zu Beginn des Films zertrümmern kleine Mädchen ihre Babypuppen in einer Szene, die augenzwinkernd den berühmten Epochen-Sprung aus der Steinzeit in die Gegenwart am Anfang des Science-Fiction-Klassikers „2001 – Odyssee im Weltraum“ von Regisseur Stanley Kubrick zitiert. Statt des Monolithen aus dem Weltall erscheint Margot Robbie als überlebensgroße, fleischgewordene Barbie. Damit sind die Weichen für die kommenden zwei Stunden gestellt: Hier darf sich niemand sicher auf seinem Sockel fühlen.

 

Zwischen Anbetung und Ablehnung

 

Die Gefahr war groß, dass ein Film über die ikonenhafte Puppe entweder in Barbie-Bashing oder in Konsumverehrung verfällt. Doch der Regisseurin, Autorin und Schauspielerin Greta Gerwig gelingt das Kunststück, die beiden Pole Anbetung und Ablehnung gleichermaßen ernst zu nehmen und zu einem mitreißenden Film zu bündeln, der glänzend unterhält, ohne kritische Untertöne zu vernachlässigen.

Offizieller Filmtrailer


 

Barbie in der Menschenwelt

 

Gerwig hat gemeinsam mit ihrem Lebenspartner, dem Filmemacher Noah Baumbach, auch das Drehbuch verfasst. Sie wurde durch ihre Regie bei den Vorgängerfilmen „Ladybird“ (2017) und „Little Women“ (2019) bekannt für ihre differenzierte und sensible Darstellung weiblicher Perspektiven. Das Barbie-Projekt, an dem zuvor schon verschiedene Akteure jahrelang herumgebastelt hatten, wurde ihr laut Informationen des britischen „Guardian“ auf persönlichen Wunsch von Hauptdarstellerin Margot Robbie angetragen.

 

Der Plot ist übersichtlich: Eine stereotype, von Robbie formidabel verkörperte Barbie verursacht unbewusst einen Riss im Kontinuum, das Barbieland von unserer Realität trennt, als sie beginnt, über schwierige Dinge wie den Tod nachzudenken. Die „seltsame Barbie“ (Kate McKinnon), eine Außenseiterin in Barbieland, schickt sie daraufhin in die Menschenwelt. Dort soll sie nach einem Mädchen suchen, das mit ihr spielt, und ihm dabei helfen, wieder fröhlich zu werden. 

 

Mit Selbstironie zum Profit

 

Begleitet wird sie von ihrem Verehrer Ken, der nirgends ohne seine Rollerblades hingeht; Barbies ewigen Boyfriend gibt Ryan Gosling herrlich dumpfbackig. Während das Duo auf der Suche nach dem Mädchen ist, gerät derweil die Konzernleitung von Mattel in helle Aufregung über den Ausbruch der beiden Puppen. Hier darf sich Will Ferrell in der Firmenboss-Rolle als verpeiltes Alphamännchen austoben.

 

Nebenbei bemerkt: Mattel – Hersteller der Barbiepuppen und nach Lego der zweitgrößte Spielzeugkonzern der Welt – hat den Film mitproduziert. So sind natürlich alle Gestalten, die von den Schauspielern verkörpert werden, auch als Plastik-Figuren zu kaufen. Ein gutes Geschäft für das Unternehmen; da schaden ein paar selbstironische Seitenhiebe nicht. Zumal der Film schon Monate vor seinem Kinostart in der Presse und den sozialen Medien gehyped wurde.

 

Patriarchale Revolution

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Little Women" - unterhaltsames US-Historiendrama über literarisch ambitionierte Frauen von Greta Gerwig

 

und hier eine Besprechung des Films "Lady Bird" - stimmiges Coming-of-Age-Porträt einer 17-Jährigen von Greta Gerwig

 

und hier einen Beitrag über den Film "Babylon – Rausch der Ekstase"  - opulente Ausstattungsorgie über die Traumfabrik Hollywood von Damien Chazelle mit Margot Robbie

 

und hier einen Bericht über den Film "La La Land" - vielfach Oscar-prämiertes Neo-Musical von Damien Chazelle mit Ryan Gosling.

 

Barbie jedenfalls findet in der Menschenwelt das gesuchte Mädchen, das mittlerweile zur Frau (America Ferrera) geworden ist – und zwar zu einer über die Geschlechterverhältnisse zutiefst frustrierten Frau mit einer rebellischen Teenie-Tochter (Ariana Greenblatt). Nicht etwa Cellulite oder die Endlichkeit des Lebens verursachen ihre Traurigkeit, sondern die Unmöglichkeit, all die widersprüchlichen Rollenerwartungen zu erfüllen, die an Frauen gestellt werden. 

 

Währenddessen erkennt der arglose Ken, dass in der realen Welt die Männer (und Pferde!) das Sagen haben: Zeit für eine patriarchale Revolution in Barbieland! Doch das nehmen Barbie und ihre neuen Freundinnen nicht ohne weiteres hin.

 

Ein perfekter Filmspaß

 

Der Film lebt von seinem glänzend aufgelegten, hochkarätigen Ensemble, das mit sichtlicher Spielfreude bei der Sache ist. In nahezu jeder Szene wird ein Feuerwerk an Sprach- und Bildwitz abgebrannt. Hinzu kommt eine schon fast irrwitzige Liebe zum Detail – eine Oscar-Nominierung für das beste Kostüm- und Szenenbild sollte dem Film sicher sein.

 

Zudem gibt es mehrere choreographierte Massenszenen, teilweise mit Gesang und Tanz, deren Opulenz an klassische Hollywood-Musicals heranreicht. Selbst wer nichts mit Barbie & Co. anfangen kann: Dieser Film macht durch seine handwerkliche Brillanz bei gleichzeitigem intellektuellen Tiefgang einfach Spaß! Nur gegen die Farbe Pink sollte man nicht allergisch sein.