
Man liebt oder hasst sie – Barbiepuppen. Für die einen ist Barbie aufgrund ihrer unrealistischen Körperproportionen der Inbegriff weiblicher Diskriminierung in Spielzeugform. Für die anderen ist sie die heiß geliebte Begleiterin der eigenen Kindheit und zugleich Vorbild für eigene Lebensmodelle. Denn seit die Barbiepuppe – benannt nach der Tochter Barbara ihrer Schöpferin Ruth Handler – 1959 auf den Markt kam, hat sie zahllose Frauenrollen verkörpert: Sie war Bauarbeiterin, Ärztin, Pilotin, Astronautin, sogar Präsidentin. Doch niemals war sie, was bis weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus als das dominierende Rollenbild einer Frau galt: Mutter.
Info
Barbie
Regie: Greta Gerwig,
114 Min., USA/ Großbritannien 2023;
mit: Margot Robbie, Ryan Gosling, Will Ferrell
Weitere Informationen zum Film
Zwischen Anbetung und Ablehnung
Die Gefahr war groß, dass ein Film über die ikonenhafte Puppe entweder in Barbie-Bashing oder in Konsumverehrung verfällt. Doch der Regisseurin, Autorin und Schauspielerin Greta Gerwig gelingt das Kunststück, die beiden Pole Anbetung und Ablehnung gleichermaßen ernst zu nehmen und zu einem mitreißenden Film zu bündeln, der glänzend unterhält, ohne kritische Untertöne zu vernachlässigen.
Offizieller Filmtrailer
Barbie in der Menschenwelt
Gerwig hat gemeinsam mit ihrem Lebenspartner, dem Filmemacher Noah Baumbach, auch das Drehbuch verfasst. Sie wurde durch ihre Regie bei den Vorgängerfilmen „Ladybird“ (2017) und „Little Women“ (2019) bekannt für ihre differenzierte und sensible Darstellung weiblicher Perspektiven. Das Barbie-Projekt, an dem zuvor schon verschiedene Akteure jahrelang herumgebastelt hatten, wurde ihr laut Informationen des britischen „Guardian“ auf persönlichen Wunsch von Hauptdarstellerin Margot Robbie angetragen.
Der Plot ist übersichtlich: Eine stereotype, von Robbie formidabel verkörperte Barbie verursacht unbewusst einen Riss im Kontinuum, das Barbieland von unserer Realität trennt, als sie beginnt, über schwierige Dinge wie den Tod nachzudenken. Die „seltsame Barbie“ (Kate McKinnon), eine Außenseiterin in Barbieland, schickt sie daraufhin in die Menschenwelt. Dort soll sie nach einem Mädchen suchen, das mit ihr spielt, und ihm dabei helfen, wieder fröhlich zu werden.
Mit Selbstironie zum Profit
Begleitet wird sie von ihrem Verehrer Ken, der nirgends ohne seine Rollerblades hingeht; Barbies ewigen Boyfriend gibt Ryan Gosling herrlich dumpfbackig. Während das Duo auf der Suche nach dem Mädchen ist, gerät derweil die Konzernleitung von Mattel in helle Aufregung über den Ausbruch der beiden Puppen. Hier darf sich Will Ferrell in der Firmenboss-Rolle als verpeiltes Alphamännchen austoben.
Nebenbei bemerkt: Mattel – Hersteller der Barbiepuppen und nach Lego der zweitgrößte Spielzeugkonzern der Welt – hat den Film mitproduziert. So sind natürlich alle Gestalten, die von den Schauspielern verkörpert werden, auch als Plastik-Figuren zu kaufen. Ein gutes Geschäft für das Unternehmen; da schaden ein paar selbstironische Seitenhiebe nicht. Zumal der Film schon Monate vor seinem Kinostart in der Presse und den sozialen Medien gehyped wurde.
Patriarchale Revolution
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Little Women" - unterhaltsames US-Historiendrama über literarisch ambitionierte Frauen von Greta Gerwig
und hier eine Besprechung des Films "Lady Bird" - stimmiges Coming-of-Age-Porträt einer 17-Jährigen von Greta Gerwig
und hier einen Beitrag über den Film "Babylon – Rausch der Ekstase" - opulente Ausstattungsorgie über die Traumfabrik Hollywood von Damien Chazelle mit Margot Robbie
und hier einen Bericht über den Film "La La Land" - vielfach Oscar-prämiertes Neo-Musical von Damien Chazelle mit Ryan Gosling.
Währenddessen erkennt der arglose Ken, dass in der realen Welt die Männer (und Pferde!) das Sagen haben: Zeit für eine patriarchale Revolution in Barbieland! Doch das nehmen Barbie und ihre neuen Freundinnen nicht ohne weiteres hin.
Ein perfekter Filmspaß
Der Film lebt von seinem glänzend aufgelegten, hochkarätigen Ensemble, das mit sichtlicher Spielfreude bei der Sache ist. In nahezu jeder Szene wird ein Feuerwerk an Sprach- und Bildwitz abgebrannt. Hinzu kommt eine schon fast irrwitzige Liebe zum Detail – eine Oscar-Nominierung für das beste Kostüm- und Szenenbild sollte dem Film sicher sein.
Zudem gibt es mehrere choreographierte Massenszenen, teilweise mit Gesang und Tanz, deren Opulenz an klassische Hollywood-Musicals heranreicht. Selbst wer nichts mit Barbie & Co. anfangen kann: Dieser Film macht durch seine handwerkliche Brillanz bei gleichzeitigem intellektuellen Tiefgang einfach Spaß! Nur gegen die Farbe Pink sollte man nicht allergisch sein.