François Ozon

Mein fabelhaftes Verbrechen

Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz), Odette Chaumette (Isabelle Huppert) und Pauline Mauleon (Rebecca Marder) haben Einiges gemeinsam. Foto: 23 Mandarin et Compagnie - Foz - Gaumont Scope Pictures - France 2 Cinema - Playtime Production
(Kinostart: 6.7.) Lecker und überflüssig wie ein feines Dessert: Regisseur François Ozon verfilmt eine Komödie von 1934. Um ihre Karriere voranzubringen, bezichtigen sich zwei Schauspielerinnen des Mordes an einem Produzenten. Was gelogen ist, aber Anlass für wortreich flotte Enthüllungs-Kaskaden.

Alles beginnt an einem sonnigen Nachmittag im Jahr 1935 in einem Villenviertel vor den Toren von Paris. Sichtlich aufgewühlt verlässt die junge Schauspielerin Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz) einen modernen Betonbau, eilt auf die Straße und läuft stadteinwärts. Zu Fuß begibt sie sich auf den Weg in die Innenstadtwohnung, die sie mit der befreundeten Anwältin Rebecca Marder (Pauline Mauléon) teilt.

 

Info

 

Mein fabelhaftes Verbrechen

 

Regie: François Ozon,

102 Min., Frankreich 2023;

mit: Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Isabelle Huppert

 

Weitere Informationen zum Film

 

Ihr erzählt sie, was ihr in der Villa des Theaterproduzenten widerfahren ist. Der ältere Herr, der sie zu einem Vorsprechen eingeladen hatte, war zudringlich geworden. Daraufhin habe sie ihn von sich geschubst und dann das Weite gesucht. Furchtbar, aber so weit normal, und so gehen die Damen zur Tagesordnung über: Sie brauchen Geld für die Miete, mit der sie sechs Monate im Rückstand sind.

 

Toten-Fund nach Verandatür-Flucht

 

Doch kurz darauf erscheint ein Polizeikommissar und eröffnet ihnen, kurz nach Madeleines Abgang durch die Verandatür sei der Produzent tot aufgefunden worden – mit einer Pistolenkugel im Kopf. Nun hat die Schauspielerin in der Wohnung tatsächlich einen kleinen Revolver und wird prompt des Mordes verdächtigt.

Offizieller Filmtrailer


 

Alternde Kollegin erpresst mit Geständnis

 

Obwohl sie vom Tod des Produzenten sichtlich überrascht ist, überrumpelt sie nun ihrerseits alle mit einer neuen Wendung: Sie gesteht die Tat und legt es mit Rebeccas Unterstützung auf ein mildes Urteil an. Die Rechnung geht auf. Die Freundinnen gewinnen den Fall, und die aufstrebende Aktrice wird über Nacht berühmt.

 

Doch dann erscheint die alternde Schauspielerin Odette Chaudette (Isabelle Huppert) auf der Bildfläche. Offensichtlich neidisch auf den Publicity-Coup der jungen Kollegin, fordert sie gewissermaßen ihre Urheberrechte an der Story ein: Sie allein habe den widerwärtigen Produzenten auf dem Gewissen. Allerdings lässt sie Madeleine und Rebecca wissen, dass ihr Schweigen durchaus käuflich sei.

 

Gottlob wird nicht gesungen

 

Nach diversen mehr oder weniger schweren Stoffen wollte Regisseur François Ozon offensichtlich mal wieder etwas Heiteres drehen. Sein Szenario erinnert zunächst auch an seine eigene Filmkomödie „8 Frauen“ von 2002. Darin konfrontierte er ein weibliches Ensemble mit einer Art Agatha-Christie-Plot und einer Reihe von Musical-Einlagen.

 

Gesungen wird in „Mein Fabelhaftes Verbrechen“ dankenswerterweise nicht. Die Tradition, bei der sich Ozon diesmal bedient, ist die französische Boulevard-Komödie. Sein Drehbuch basiert lose auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Georges Berr und Louis Verneuil von 1934. Für Ozon und sein Team ist das zunächst ein willkommener Anlass, ihrem Hang zum entzückenden Produktions-Design freien Lauf zu lassen, mit reichlich ausladenden Kostümen und Accessoires der Epoche.

 

Pandämonium männlicher Unfähigkeit

 

Wie es sich für das Genre gehört, wird die Handlung von einer Reihe von Überraschungen und Enthüllungen vorangetrieben. Als Sympathieträger fungieren dabei die drei Frauen, während die Männer verschiedene Grade der Trotteligkeit repräsentieren. Sie paart sich beim Staatsanwalt mit Machtwillen, beim Produzenten mit Lüsternheit, bei Madeleines Verlobten mit jugendlich einfältiger Liebe. Nur der Kommissar ist einfach nur doof.

 

Eine interessante Männergestalt gibt es in diesem Pandämonium der Unfähigkeit übrigens doch: Dany Boon spielt einen Geschäftsmann aus Marseille. Als Außenseiter in der Gesellschaft ist er ein bisschen schlauer als die anderen. Aber auch er kann nicht mit dem Einfallsreichtum der drei Frauen mithalten, wenn es darum geht, sich in dieser Männerwelt durchzuschlagen.

 

Mix aus Nostalgie + mildem Spott

 

In diesem Trio ragt Isabelle Huppert bei ihren vergleichsweise wenigen Auftritten schauspielerisch heraus. Dass sich zwischen Madeleine und Rebecca auch leise eine unerfüllte Liebesgeschichte abspielt, verrät die zweitbeste Darstellerin Pauline Mauléon mit nur zwei Blicken. Es ist diese Mischung aus Nostalgie und mildem Spott über die dunklen Aspekte jener gern verklärten Epoche, die diesen im Grunde harmlosen Quatsch bis zur letzten der rund 100 Minuten unterhaltsam machen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Peter von Kant" - Remake des Fassbinder-Films von von François Ozon

 

und hier eine Besprechung des Films "Alles ist gut gegangen" - eindringliche Reflexion über Sterbehilfe von François Ozon

 

und hier einen Bericht über den Film "Sommer 85" - tragische Romanze über erste Jugendliebe von François Ozon

 

und hier einen Beitrag über den Film "Frantz" - subtiles Kammerspiel über Hinterbliebene nach dem Ersten Weltkrieg von François Ozon

 

und hier eine Kritik des Films "Babylon – Rausch der Ekstase" - opulente Ausstattungsorgie über Hollywoods Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm von Damien Chazelle.

 

Ozons Inszenierung verschweigt nicht den Rassismus, den Sexismus und die Homophobie vor 90 Jahren. Sie rückt sie aber nicht in den Mittelpunkt und nimmt sie erst recht nicht als Vorwand für derbe Pointen. Das Nachbarland Deutschland wird nur einmal erwähnt, bekommt dabei aber im Rückblick einen ganz anderen Klang.

 

Verliererin der Tonfilm-Einführung

 

Offensichtlichster Bezug zur Gegenwart ist die zentrale Rolle der Besetzungscouch, auf der seit jeher Sex gegen Karrierechancen gehandelt werden. Wobei Ozon darauf verzichtet, das Thema für seinen eigenen #metoo-Kommentar zu vereinnahmen. Es dient ihm eher dazu, die Erwartungen des Publikums zu unterlaufen und letzten Endes den Weg zum befreienden Lachen zu ebnen.

 

So wird auch die Figur der Odette eben noch witziger, weil sie eine tragische Verliererin des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm repräsentiert. Dabei sind ihre Dialogzeilen schlicht die besten, und ihr Ehrgeiz stellt den aller anderen Akteure in den Schatten. Das wird alles sehr putzig und flott inszeniert und entfesselt dabei, wie bei französischen Filmen üblich, einen Wasserfall aus Wortwechseln.

 

Happy-End ist gleichgültig

 

Zudem: Weil das Personal doch eher aus Klischeefiguren besteht denn aus Charakteren, wird dem Zuschauer das Happy-End am Ende dieser kleinen Zeitreise herzlich egal. Der Film ist wie ein leckeres Dessert: extrem genießbar und dabei absolut überflüssig.