Fanny Ardant + Cécile de France

Im Herzen jung

Shauna (Fanny Ardant) und Pierre (Melvil Poupaud) kommen sich näher. Foto: Alamode Film
(Kinostart: 3.8.) Es funkt beim Wiedersehen nach 15 Jahren: Regisseurin Cardine Tardieu türmt im Liebesdrama zwischen einer pensionierten Architektin und einem wesentlich jüngeren Arzt einige Hürden auf. Beide nehmen die Hindernisse gelassen – und tasten sich zugleich wie Teenager aneinander heran.

Filme über den dritten Frühling gibt es zuhauf. Meistens geht es um einen männlichen Protagonisten, der auf seine alten Tage noch einmal eine junge Frau erobern möchte und damit in der Regel erfolgreich ist. Wenn es um Frauen in ähnlicher Position geht, liegen Zweifel nahe, ob diese Liaison eine Zukunft hat. So war es schon in der Komödie  „Couchgeflüster – Die erste therapeutische Liebeskomödie“ (2005), und so ist es auch in Carine Tardieus neuem Drama. Der deutsche Verleihtitel, der wohl leichte Unterhaltung versprechen soll, erweist sich als eher irreführend. Das französische Original heißt schlicht und hintersinnig zugleich: „Les Jeunes Amants“, also „Die jungen Liebhaber“.

 

Info

 

Im Herzen jung 

 

Regie: Carine Tardieu,

112 Min., Frankreich/ Belgien 2021;

mit: Fanny Ardant, Cécile de France, Melvil Poupaud

 

Weitere Informationen zum Film

 

Da trifft eine Frau 15 Jahre nach der ersten kurzen Begegnung einen viel jüngeren Mann, der sich noch lebhaft an sie erinnert. Damals war er einer der behandelnden Krankenhausärzte ihrer besten Freundin, die im Sterben lag. Er war einfühlsam und offenbar interessiert an der älteren, freigeistigen Frau. Der Zufall bringt sie anderthalb Jahrzehnte wieder zusammen. Eine Dienstreise führt Pierre (Melvil Poupard) und einen Kollegen, der außerdem der Sohn der Verstorbenen ist, nach Irland.

 

Unwiderstehliche Anziehungskraft  

 

Shauna (Fanny Ardant) erholt sich dort in deren altem Haus und beherbergt die beiden Reisenden. Die gegenseitige Anziehung beim ersten Treffens kommt sofort wieder, wird aber von Shauna und Pierre unterdrückt. Pierre ist inzwischen verheiratet und hat zwei Kinder. Shauna hat sich nach ihrer Pensionierung allein eingerichtet, umgeben von Erinnerungsstücken an ihr erfülltes Leben als Architektin; häufig wird sie von ihrer Tochter besucht. Durch die Erinnerung an Shaunas Freundin und Pierres Arbeit in der Krebsforschung bleiben die beiden in Kontakt. Sie treffen sich Lyon wieder, wo sich erst zögerlich und dann ernsthaft eine Affäre entspinnt, die beider Leben aus dem Gleichgewicht bringt.

Offizieller Filmtrailer


 

Eine unabhängige Frau

 

Die Filmidee stammt ursprünglich von der 2015 verstorbenen Regisseurin Sólveig Anspach, die darin die Geschichte ihrer eigenen Mutter verarbeiten wollte. Tardieu hat diese respektvoll übernommen; sie erzählt einfühlsam und glaubhaft von einer ungewöhnlichen Liebe, aber auch von Krankheit und Älterwerden. Dabei konzentriert sie sich nicht nur auf die beiden Liebenden, sondern bettet beide sowohl in ihren Alltag als auch in ihr soziales Umfeld ein.

 

Pierre ist aufrichtig und offen, ein leidenschaftlicher Forscher und für seine oft weiblichen Patienten ein mitfühlender Arzt. Er setzt alles daran, ihnen das Leben durch neue Therapien zu erleichtern. Seine Frau Jeanne (Cécile de France) trägt das mit, ohne sich durch seine Arbeit zurückgesetzt zu fühlen. Seine Affäre mit einer mehr als 20 Jahre älteren Frau kann sie aber nicht tolerieren. Schon weil Shauna keine Bilderbuchmutter ist, sondern ganz anders als sie selbst: Nach einigen enttäuschenden Beziehungen legt sie Wert auf ihre Unabhängigkeit.

 

Melancholische Grundstimmung

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die schönen Tage" – leichthändiges Liebesdrama von Marion Vernoux mit hinreißender Fanny Ardant + jungem Liebhaber

 

und hier eine Besprechung des Film "Zimmer 212 - In einer magischen Nacht"  – fantastische Tragikomödie über notorische Ehebrecherin, die junge Liebhaber bevorzugt, von Christophe Honoré.

 

und hier einen Bericht über den Film "A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe" – intergenerationelle Amour fou mit Sophie Rois + jugendlichem Außenseiter von Nicolette Krebitz

 

und hier einen Beitrag über den Film "La belle saison – Eine Sommerliebe" – berührendes lesbisches Liebesdrama in den 1970er Jahren von Catherine Corsini mit Cécile de France

 

Ihr Alter von 70 Jahren sieht man ihr nicht an, obwohl sich bei ihr langsam kleine Ausfallerscheinungen einschleichen – freilich nur von ihr bemerkt. Nicht nur deswegen wehrt sie sich zunächst gegen die Avancen des viel jüngeren Mannes, dem der Altersunterschied nichts auszumachen scheint. Vor allem weiß sie aber um die Reaktionen, die diese Beziehung provozieren wird; beispielsweise bei ihrer Tochter, die ihr Liebesglück auch noch nicht gefunden hat.

 

Alle Figuren scheinen eine gewisse Melancholie zu teilen, die sich auch in den stumpfen Farben der Ausstattung und einer dauernden herbstlichen Naturstimmung niederschlägt. Die zart aufkeimenden Gefühle zwischen den nur scheinbar ungleichen Liebenden verleihen dem Geschehen ein paar lebendigere Farbtupfer.

 

Die große Entsagung

 

Dass Shauna und Pierre verwandte Seelen sind, daran lässt die Geschichte keinen Zweifel. Allerdings bildet neben der großen Altersdifferenz noch Shaunas Krankheit eine zusätzliche Hürde. Da sie den Jüngeren nicht belasten möchte, versucht sie, sich von ihm zu trennen. Auf die große Entsagung folgt aber nicht, wie in konventionellen Erzählungen, das große Melodram. Carine Tardieu bleibt bei ihrem zärtlichen und gleichzeitig unaufgeregten Blick.

 

Mit diesem Blick zeigt sie auch den ersten zaghaften Kuss der beiden, die sich wie Teenager aneinander herantasten – spürbar bemüht, nichts falsch zu machen. „Wir alle atmen dieselbe Luft“, sagt Pierre beim Wiedersehen nach längerer Trennung. Damit spendet er nicht nur Shauna und sich selbst Trost und Gelassenheit, sondern auch dem Publikum, das dieses Gefühl zurück ins echte Leben mitnehmen kann.