Craig Gillespie

Dumb Money – Schnelles Geld

YouTuber und Finanzanalyst Keith Gill (Paul Dano) alias Roaring Kitty stellt die Wall Street mit seinen Videos auf den Kopf. Foto: Leonine Studios
(Kinostart: 2.11.) Dumb Movie: Die Spekulationsblase mit „GameStop“-Aktien, die 2021 Wall Street erschütterte, verklärt Regisseur Craig Gillespie zum Klassenkampf von Kleinanlegern gegen das Großkapital. Doch Zocker, die auf Online-Broker-Apps herumtippen, sind so aufregend wie der Börsenreport.

So sehen zeitgemäße Rattenfänger aus: In seinem Youtube-Kanal „Roaring Kitty“ („Schreiendes Kätzchen“) gibt der Finanzanalyst Keith Gill Anlagetipps – mit Bandana-Stirnband und bunten Motiv-Sweatshirts, auf denen Kätzchen abgedruckt sind. Dahinter blendet Gill gern Excel-Tabellen mit Dutzenden von Aktien ein, über deren Kursentwicklung er im rasenden Tempo redet. Der Kanal existiert immer noch, der letzte Videoclip wurde allerdings im April 2021 veröffentlicht.

 

Info

 

Dumb Money – Schnelles Geld

 

Regie: Craig Gillespie,

104 Min., USA 2023;

mit: Paul Dano, Vincent D’Onofrio, Nick Offerman, Seth Rogen

 

Website zum Film

 

Drei Monate zuvor hatte Gill seinen großen Auftritt; diese wenigen Wochen des Ruhms hat nun Regisseur Craig Gillespie mit Paul Dano in der Hauptrolle verfilmt. Seit 2019 hatte Gill für rund 50.000 US-Dollar Anteile von „GameStop“ erworben, weil er diese Software-Einzelhandelskette für unterbewertet hielt – trotz des Booms beim Online-Handel, der die stationäre Konkurrenz alt aussehen lässt. Damit machte er im Internet-Diskussionsforum „WallStreetBets“ („WallStreetWetten“) auf sich aufmerksam.

 

24-fache Kurssteigerung in zwei Wochen

 

Anfang 2021 ging Gills Anlageempfehlung viral, wie man digitale Kollektivhysterie heutzutage nennt. Ohne dass sich die trüben Geschäftsaussichten von „GameStop“ nennenswert verbessert hätten, schoss der Aktienkurs plötzlich in schwindelerregende Höhen: von 20 US-Dollar am 12. Januar auf mehr als 480 US-Dollar am 28. Januar. Einfach, weil Kleinanleger mit kinderleicht zu bedienenden Online-Broker-Apps massenhaft Anteile kauften. Damit trieben sie die Notierung nach oben – darauf hoffend, dass dies noch mehr Käufer anlocken würde, so dass der Preis immer weiter stiege.

Offizieller Filmtrailer


 

Unsinniger Klassenkampf-Schlachtruf

 

So weit, so sattsam bekannt: ein Schneeballsystem. Seine Funktionsweise mit garantiertem Scheitern ist seit dem niederländischen Tulpenfieber der 1630er Jahre unverändert. Neu am Run auf „GameStop“-Aktien war, dass die Börsenzocker ihre Gier nach schnellem Gewinn mit klassenkämpferischen Tönen kaschierten. Mehrere Hedgefonds hatten mit Leerverkäufen auf fallende Kurse spekuliert. Je höher die Kurse stiegen, desto höher wurden ihre Verluste – bis zu mehreren Milliarden US-Dollar. Die „WallStreetBets“-Mitläufer rechtfertigten daher ihre Profitsucht mit dem Schlachtruf, es den verhassten Geldsäcken endlich heimzuzahlen.

 

Perfide an Gillespies Film ist, dass er sich diesen ökonomischen Unsinn zueigen macht und zur archetypischen „David gegen Goliath“-Story auswalzt. Weil es ansonsten wenig zu filmen gibt: Keith Gill, der im Heimstudio Youtube-Clips aufnimmt, seinen Followern mit Bier zuprostet und Gattin Caroline den neuesten Kontostand zuruft, kommt so nerdig wie nervig daher – da mag Paul Dano noch so leutselig dauergrinsen. Sein Loser-Bruder Kevin (Pete Davidson), der von McJobs und Fast Food lebt, funkt zwar angenehm geerdet als advocatus diaboli dazwischen, lässt sich aber mit Luxus-Gadgets ruhigstellen.

 

Lahme Manager, zockende Normalos

 

Auf der Gegenseite sieht es nicht besser aus: Die Hedgefonds-Manager erscheinen als teigige Parvenüs, die Börsianer-Kauderwelsch quatschen und sich ebenfalls Drinks reinkippen – nur eben teure Weine und Whiskeys statt Coke und Pepsi. Genau das Richtige für Brachial-Komiker Seth Rogen, der in der Rolle von Gabe Plotkin, Gründer von „Melvin Capital”, die größte Pleite aller Fonds hinlegt. Wer will schon schwerreich werden, wenn er dann ständig mit solchen Langweilern zu tun hätte?

 

Am ehesten bringen die Kleinanleger etwas Kolorit in die Sache – wie eine Krankenpflegerin oder ein lesbisches Studentinnenpärchen. Also diejenigen, die ihre Ersparnisse in die Spekulationsblase pumpen und damit das Schwungrad zwei Wochen lang am Laufen halten. Mangels Durchblick auf dem Finanzmarkt beschränken sie sich auf die Gretchenfrage: Steige ich aus und mache Kasse, oder erhöhe ich meinen Einsatz? Wer gern Leuten beim Pokern oder Pferdewetten zusieht, mag das spannend oder amüsant finden.

 

Nullsummenspiel unter Kleinanlegern

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Money Monster" – hervorragender Finanzmarkt-Thriller über Kleinanleger an der Börse von Jodie Foster mit George Clooney

 

und hier eine Besprechung des Films "The Wolf of Wall Street"grandiose Börsen-Groteske von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio

 

und hier einen Bericht über den Film  "Der große Crash – Margin Call" – faszinierender Investmentbanken-Thriller von JC Chandor mit Kevin Spacey

 

und hier einen Beitrag über den Film "Tulpenfieber" über den ersten Börsen-Crash im 17. Jahrhundert von Justin Chadwick.

 

Bis das Spiel endet: Am 28. Januar deaktivierten mehrere Online-Broker zeitweilig die Funktion zum Kauf von „GameStop“-Aktien; das stoppte den Kurs-Höhenflug und erlaubte den Hedgefonds, ihre Verluste zu begrenzen. Der Verdacht auf illegale Absprachen dieser Akteure liegt nahe, doch Ermittlungen führten zu keinen justiziablen Ergebnissen. Anleger, die in der Endphase des Höhenkollers eingestiegen waren, blieben auf ihren Verlusten sitzen.

 

Was der Film verniedlicht und verharmlost, anstatt den simplen wirtschaftlichen Mechanismus klarzustellen: Jeder, der beim „GameStop“-Goldrausch absahnte, tat dies auf Kosten eines anderen, der Mondpreise für die Aktien zahlte. Dieses Nullsummenspiel lief weitgehend unter den Kleinanlegern ab; die Milliardensummen, die Hedgefonds verloren, gingen eher an ähnlich große Investmentgesellschaften. Von einer Umverteilung von oben nach unten, gar einem Kampf gegen das Großkapital, kann daher keine Rede sein.

 

Fall für die Finanzaufsicht

 

Doch solche offensichtlichen Zusammenhänge unterschlägt Regisseur Gillespie, damit die gute Laune nicht leidet. Stattdessen schwelgt er am Ende in Feelgood-Episoden, wie die wenigen Profiteure dieser Bonanza ihren unverhofften Geldsegen genießen – eine Verherrlichung von unorganisiertem Selbstbetrug. Dieser Film ist kein Fall für die Freiwillige Selbstkontrolle, die ihn ab zwölf Jahren freigibt, sondern für die Finanzaufsicht.