Die Lola in diesem Film ist keine Frau und auch kein Filmpreis. Hinter dem Namen verbirgt sich eine Maschine, mit deren Hilfe man in die Zukunft blicken kann. Am Anfang ist Lola ein verführerisches Experiment. Doch als der Zweite Weltkrieg eskaliert, wird sie zur Kriegerin: Mit Hilfe ihrer Vorhersagen greift Lola in den Lauf der Geschichte ein, rettet Leben und löscht andere aus – wie jede Erfindung ist auch sie ein zweischneidiges Schwert.
Info
Lola
Regie: Andrew Legge,
80 Min., Irland/ Großbritannien 2023;
mit: Stefanie Martini, Emma Appleton, Rory Fleck Byrne, Aaron Monaghan
Weitere Informationen zum Film
Quantenmechanik macht’s (mal wieder) möglich
Wie genau die Maschine funktioniert, wird in Andrew Legges Debütfilm nicht erklärt. Ein Gewirr aus Drähten, Lampen und Bildschirmen macht es in Kombination mit Quantenmechanik möglich, dass Lola Radio- und Fernsehsignale aus der Zukunft empfangen kann. Plötzlich flackert David Bowie als Ziggy Stardust auf dem Monitor auf – bevor die künftige Pop-Ikone überhaupt auf die Welt kommt.
Offizieller Filmtrailer
Aus dem Experiment wird Ernst
Doch schon bald wird aus dem Spiel bitterer Ernst. Denn Thom und Mars, wie sie sich liebevoll nennen, sind überzeugte Kriegsgegnerinnen und wollen mit ihrer Erfindung nur Gutes tun. Als England unter Beschuss der Nazis gerät, schicken sie über einen Piratensender Warnungen vor den nächtlichen Bombenangriffen an die britische Bevölkerung. Es ist eine gut gemeinte Aktion, die verheerende Folgen hat.
Denn dadurch kommt ihnen das britische Militär auf die Schliche. Unter Aufsicht der Geheimdienstler Sebastian Holloway (Rory Fleck Byrne) und Henry Cobcroft (Aaron Monaghan) sollen die Schwestern nun ihr „Frühwarnsystem“ im Dienst einer weitaus größeren Kriegsoperation ausbauen. Zunächst scheint der geniale Plan für die Briten sogar aufzugehen. Doch auf den Triumph folgt die Katastrophe: Thom macht eine falsche Vorhersage – und am Ende gewinnt Hitler den Krieg.
Kühnes Debüt mit historischer Kamera
Regisseur Andrew Legge ist mit kleinem Budget ein kühner Science-Fiction-Film gelungen. Erzählt wird die Geschichte anhand von vermeintlichen Found-Footage-Aufnahmen, die 2021 angeblich im Keller jenes Hauses entdeckt wurden, in dem sich die Handlung hauptsächlich zuträgt. Gedreht wurde dafür teilweise auf 16mm mit einer Bolex-Kamera. Zusammengeschnitten ist das Material wie eine Art Liebesbrief an Thom, den Martha vor 80 Jahren fertig gestellt haben soll.
„Lola“ ist ein Erstlingswerk, das so wild und frei daherkommt, wie man es sich wünscht. Mal flackern die verkratzten schwarz-weißen Bilder zur klug eingesetzten Filmmusik. Mal kommen sie mit strengem Voiceover im Wochenschau-Charakter daher. Die Kunst liegt in der Montage, im Erzeugen eines Grooves, der durch die geschickte Kombination von Bild- und Tonfragmenten entsteht.
Filmische und literarische Vorbilder
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Theorie von Allem" – raffiniert inszenierter Thriller über parapsychologisch-physikalische Phänomene 1962 von Timm Kröger
und hier eine Besprechung des Films Film "The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben" – brillantes Biopic über das Informatik-Genie Alan Turing im Zweiten Weltkrieg von Morten Tyldum mit Benedict Cumberbatch
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Things to Come - Science-Fiction-Film" – vergnüglicher systematischer Überblick über Kino-Visionen des Künftigen im Museum für Film und Fernsehen, Berlin
und hier einen Bericht über den Film "Tabu – Eine Geschichte von Liebe und Schuld" – raffinierte Hommage von Miguel Gomes an den gleichnamigen Stummfilm-Klassiker von Friedrich Wilhelm Murnau.
In der spielerischen Art, in der „Lola“ die Historie umschreibt, erinnert der Film einerseits an Robert Zemeckis‘ Klassiker „Zurück in die Zukunft“ von 1985. In Bezug auf den alternativen Kriegsverlauf kommen einem Robert Harris‘ Bestseller „Vaterland“ und Philip K. Dicks Roman „Das Orakel vom Berge“ („The Man in the High Castle“) in den Sinn. Dennoch bleibt Regisseur Legge stets seiner eigenen Geschichte treu und hat dabei ein paar durchaus originelle Ideen.
Pop-Hits aus der Zukunft
In einer Szene etwa bekommt Martha die fatalen Folgen ihrer Einmischung schmerzlich zu spüren, als sie Musik von David Bowie von zuvor funktionierenden Koordinaten zu empfangen versucht. Stattdessen läuft nun jedoch ein faschistischer Propaganda-Popsong des fiktiven Künstlers Reginald Watson. Für den Film wurde das Lied geschrieben und vorgetragen von Neil Hannon, dem Sänger und Mastermind der britischen Band „The Divine Comedy“.
Legges liebevoller Rückgriff auf das Found-Footage-Genre ist trotz begrenzter Produktionsmittel fantasievoll, unterhaltsam und raffiniert. Die Tatsache, dass die Ambitionen des Regisseurs das Budget oftmals übersteigen, nimmt man gerne in Kauf. Die Stärke des Films liegt in der ausgewogenen Mischung aus düsteren Themen und Momenten purer Freude; etwa denen, wenn beide Protagonistinnen unbeschwert ihre Lieblingshits aus der Zukunft singen.