„Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“, hieß es früher. Obwohl mittlerweile bekannt ist, dass es auch anders geht, ist das Interesse an den Biographien solcher starken Frauen nach wie vor groß; vor allem wenn sie lange Zeit im Schatten einer Berühmtheit standen. Regisseurin Sofia Coppola kennt sich da aus: Sie musste sich aus dem imposanten Schatten ihres Vaters Francis Ford Coppola hervorarbeiten.
Info
Priscilla
Regie: Sofia Coppola,
113 Min., USA 2023;
mit: Cailee Spaen, Jacob Elordi , Dagmara Dominczyk
Weitere Informationen zum Film
Geschichte einer Emanzipation
Darin durfte ein generationsübergreifendes Ensemble von Frauen Herausforderungen, Entscheidungen, Widersprüche und Lernprozesse durchmachen, die im Hollywood-Kino lange den männlichen Helden vorbehalten waren. In diese Linie reiht sich nun auch die aktuelle Hauptfigur Priscilla ein. Anhand ihrer Beziehung zu Elvis Presley wird die Geschichte einer Emanzipation erzählt. „Priscilla“ ist damit das leise Gegenstück zur knallbunten Filmbiographie „Elvis“ von Baz Luhrman von 2022. Als Vorlage diente Priscilla Presleys 1985 erschienene Autobiographie „Elvis and Me“.
Offizieller Filmtrailer
Höhen und Tiefen einer Ehe
Die chronologische Erzählung beginnt mit einem gelangweilten 14-jährigen Mädchen. Die Tochter eines in Deutschland stationierten US-Soldaten wird 1959 als unbedarfter Teenager in die Welt des damals schon berühmten Rock’n’Roll-Stars Elvis Presley (Jacob Elordi) eingeführt. Der hält neben seinem abzuleistenden Militärdienst mit seiner Entourage weiter am bisherigen Lebensstil fest und hat offenbar Verlangen nach Menschen aus der Heimat.
Für Priscilla (Cailee Spaeny) ist die Einladung zu einer seiner Partys der Beginn eines neuen Lebens, das der Film nun mal bruchstückhaft, mal episch breit nachkonstruiert. Ganze zehn Jahre wird die Beziehung dauern, in denen das schüchterne Mädchen zu einer selbstbewussten Frau heranwächst und dabei alle Höhen und Tiefen eines Lebens an der Seite eines Popstars kennenlernt.
Ein Mann seiner Zeit
Zunächst gebärdet sich der Bürgerschreck nämlich durchaus manierlich. Er bedrängt die Minderjährige nicht, wohl auch, weil dies rechtliche Konsequenzen haben könnte. Erst nachdem Priscilla bereits bei ihm eingezogen ist und ihren Schulabschluss gemacht hat, wird die Beziehung offiziell und sexuell. Das ändert nichts daran, dass Elvis sie immer noch als „sein kleines Mädchen“ betrachtet – sein Püppchen, das er nach seinem Geschmack ausstaffiert. Gleichzeitig soll sie den heimischen „Herd am Laufen“ halten.
Obwohl sie als Elvis’ Ehefrau zum Jet Set gehört, nimmt sie an seinem ausschweifenden Partyleben nur selten teil. Von seinen Hollywood-Eskapaden und Affären erfährt sie meistens nur aus den Illustrierten. Sie selbst erlebt zu Hause einen launischen Gatten, der sich nicht wirklich für sie, ihre Wünsche oder später die gemeinsame Tochter interessiert. Kurz: Elvis wird gezeigt als ganz normaler Mann seiner Zeit, der schließlich unerträglich wird.
Hauptfigur bleibt wenig greifbar
Obwohl Priscilla die Hauptperson ist, bestimmt selbst der zumeist abwesende Elvis die Handlung. Wir erfahren von seinen Launen, seinen Bemühungen, mit dem Zeitgeist Schritt zu halten und von seinen Selbstzweifeln bei schwindendem Erfolg. Priscilla selbst bleibt indessen wenig greifbar. Anders als bei herkömmlichen Biografien gibt es hier keine Reflektion, kein lautes Nachdenken über sich oder das Geschehen. Es passiert einfach. Die Szenen und Bilder sind wie Erinnerungen mal länger oder kürzer, teilweise bleiben sie bruchstückhaft oder rekonstruieren berühmte Fotos, etwa das mit einer mehrstöckigen Hochzeitstorte.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Elvis" – zwiespaltiges Biopic über den King of Rock 'n' Roll von Baz Luhrmann
und hier eine Besprechung des Films "Elvis & Nixon" – skurrile Polit-Komödie über Treffen von Rock-König mit US-Präsident von Liza Johnson
und hier einen Beitrag über den Film "Die Verführten" – gelungenes Drama über Liebeswirren im US-Bürgerkrieg von Sofia Coppola
und hier einen Bericht über den Film "The Bling Ring" über jugendliche Hollywood-Kriminelle von Sofia Coppola.
Vorwissen ist von Vorteil
Etwas biografisches Vorwissen wäre jedoch von Vorteil, denn erklärt wird nichts. Das lässt viel Raum für eigene Interpretationen, aber ähnlich wie die Hauptfigur fühlt man sich auch etwas verloren. Ein echter roter Faden fehlt, und manchmal auch ein bisschen Kontext. Viel Zeit dagegen verwendet Coppola für die Schilderung der „Erziehung“ Priscillas zur idealen, anspruchslosen Ehefrau, auf die Elvis’ anfängliche Enthaltsamkeits- und Hinhaltetaktik hinausläuft. Es sind lange Szenen einer entfremdeten, in letzter Konsequenz toxischen Beziehung.
Die Entwicklung zur jungen Frau, die aufbricht, ihr eigenes Leben zu führen, kommt dabei zu kurz. Welche inneren Kämpfe stattgefunden haben müssen, ob sie sich mit anderen beraten oder ausgetauscht hat, bleibt der Phantasie des Publikums überlassen. Wer sich nicht die gedruckte Vorlage besorgen will, muss aus Szenen beim Karate-Training oder Abendessen mit unbekannten Menschen eigene Schlüsse ziehen. Am Ende bleibt ein seltsam unbefriedigtes, nachdenkliches Gefühl zurück, das im Kino selten geworden ist. Und das ist auch eine Leistung.