Devid Striesow

Roxy

Die beiden Russen Andrej (Ivan Shvedoff, li) und Levan (Vakho Chachanidze, hinten) steigen mit ihrem Hund Roxy zu Thomas (Devid Striesow, re.) ins Taxi. Foto: Across Nations Verleih - East End Film
(Kinostart: 25.1.) Russenmafia-Reprise in Klassik-Soße: Regisseur Dito Tsintsadze wärmt das Klischee vom kriminellen Oligarchen auf, hinter dem Dunkelmänner her sind. Fehlbesetzungen, schale Gags und ein beharrlich schweigender Devid Striesow ergeben eine Gangsterkomödie, die besser ein Hörspiel wäre.

Die Russen-Mafia ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. In den 1990/2000er Jahren starrte man in Westeuropa mit fasziniertem Grauen auf Banditen-Banden aus dem Osten, die keine Hemmungen kannten. Sie warfen mit Geld um sich, protzten ungeniert mit Statussymbolen, drehten ganz große Dinger und beseitigten Rivalen mit skrupelloser Brutalität. Diese Parallelgesellschaft lieferte Stoff für monumentale Kino-Epen von „Tödliche Versprechen – Eastern Promises“ (2007) von David Cronenberg bis „Verräter wie wir“ (2015) von Susanna White.

 

Info

 

Roxy

 

Regie: Dito Tsintsadze,

100 Min., Deutschland/ Belgien/ Zypern 2023;

mit: Devid Striesow, Camilla Borgezani, Vakho Chachanidze, Ivan Shvedoff

 

Weitere Informationen zum Film

 

Mittlerweile ist die reale wie mediale Präsenz der Russen-Mafia stark zurückgegangen. Schon aus logistischen Gründen: Da Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs, so lückenhaft und inkonsequent sie seien mögen, vor allem auf die oberen Zehntausend zielen, ist der Transfer von – legal oder illegal erworbenem – Vermögen schwieriger geworden. Zudem haben sich Polizei und Justiz im Westen auf die Methoden von Zuzüglern aus der Ex-Sowjetunion eingestellt: Auftragsmorde auf offener Straße sind passé.

 

Gestriger Plot + Figuren

 

Deshalb erscheint „Roxy“ vom georgischen Regisseur Dito Tsintsadze etwas aus der Zeit gefallen. Plot und Figurenkonstellation seiner Gangsterkomödie kommen recht gestrig daher. Was kein Nachteil sein muss: Genrefilme über die Unterwelt erzählen häufig von vergangenen Tagen – historische Patina macht sie fürs Publikum leichter verdaulich. Doch der Abstand zur Gegenwart lässt „Roxy“ eher abgestanden wirken.

Offizieller Filmtrailer


 

Woody-Allen-Figur als Oligarch

 

Und unbeholfen: Anfangs wird Thomas Brenner (Devid Striesow) als Hauptfigur mit einer Kurzbiographie aus dem Off eingeführt, die sich kein Traumatherapeut schematischer hätte ausdenken können. Opa war SS-Mann, Papa bei der Stasi – da musste Thomas natürlich maulfauler Taxifahrer in selbstgewählter Isolation mit Ordnungsfimmel werden.

 

Dagegen ist sein Mit- und Gegenspieler Vakho Chachanidze das genaue Gegenteil. Dem schmächtigen, quirligen Georgier mit fahriger Hektik und hyperexpressiver Mimik würde man jede Hauptrolle in einer Sittenkomödie von Woody Allen oder Roberto Benigni zutrauen – bloß nicht den kriminellen Oligarchen Levan, den er hier mimen soll.

 

Geifernder Kampfhund + blasse Gattin

 

Auf der Flucht landet Levan in Karlsruhe, steigt mit seinem Adjutanten Andrej (Ivan Shvedoff als steifer Bürokrat) in Thomas‘ Taxi, wedelt mit Geldscheinen und engagiert Thomas für zusehends zwielichtigere Aufträge. Nicht zu vergessen der massige Kampfhund „Roxy“, den Levan mit sich herumzerrt; er darf speichelnd und geifernd für tierische Situationskomik sorgen.

 

Sowie Levans Frau Liza samt Sohn Vova, die bald auch noch eintreffen. Camilla Borghesani gibt Liza mit derart blasser, ausdrucksloser Arroganz, selbst im Wodka-Rausch, dass bald klar wird: Sie mag eine miserable Schauspielerin sein, aber sie wäre eine hervorragende Oligarchen-Gattin.

 

Striesow schweigt + räsonniert im Off

 

Die dürftige Handlung lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen. Hinter Levan sind irgendwelche Dunkelmänner her; ob sie für ein „staatliches Ministerium eines Landes“ arbeiten, wie sie behaupten, oder auf eigene Rechnung, bleibt unklar und ist auch egal. Diese Typen überreden Thomas mit noch dickeren Geldbündeln, seine Klienten zu verraten – prompt werden diese nacheinander wie Schießbudenfiguren abgeräumt.

 

Was Thomas zum Seitenwechsel motiviert: reine Geldgier, Freude an Macht über Leben und Tod oder gar zarte Gefühle für die unnahbare Liza? Man erfährt es nicht, denn er bleibt stumm. Genauer: Der geübte Stoiker Striesow schweigt unbewegt und verschmitzt in die Kamera, während seine Off-Stimme erratische Gedankensplitter von sich gibt. Als Hörspiel-Krimi mit Striesow-Standbild wäre dieses Werk überzeugender. Damit überhaupt etwas zu hören ist, werden viele Szenen mit aufdringlicher Klassik-Soße von Vivaldi, Bach und Tschaikowski übergossen.

 

Wortloser 1980er-Neonbar-Sex

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Verräter wie wir" – eindrucksvoll präziser Geheimdienst-Thriller über die Russenmafia von Susanna White nach Vorlage von John Le Carré

 

und hier eine Besprechung des Films "Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war" – schräge Doku über sizilianisches Leben mit Verbrechern von Franco Maresco

 

und hier einen Beitrag über den Films "Nichts passiert" – subtile Familien-Tragikomödie von Micha Lewinsky mit Devid Striesow als konfliktscheuem Biedermann.

 

Das verwundert bei einem Vielfilmer wie Dito Tsintsadze, der seit Ende der 1990er Jahre in Deutschland lebt. In 23 Jahren hat er 14 Filme meist über Außenseiter gedreht, abwechselnd Problem-Dramen und Schwarzhumoriges. Seine Produktivität geht offenbar auf Kosten der Präzision: War „Lost Killers“ (2000) über fünf Loser in Mannheim noch treffend beobachtet, reiht er in „Roxy“ flache Klischees aneinander.

 

Etwa Transgender-Schauspieler mit Stoffpimmel-Kostümen oder eine nymphomanische Tresenschlampe, die sich wortlos von Thomas besteigen lässt, in einer Neonbar wie aus den 1980er Jahren – dieser ranzige Altherrenscherz ist noch älter. Tsintsadze nennt als Vorbilder Filme der Coen-Brüder – man darf wohl ergänzen: und die von Tarantino – doch von deren Feingefühl bei Location-Auswahl, Timing und absurdem Wortwitz ist er so weit entfernt wie ein russischer Knastbruder von Roman Abramowitschs Luxusjacht.

 

Sieben Jahre Wartezeit

 

Sein sorgloser Dilettantismus hat vielleicht einen simplen Grund. Bei der Filmpremiere erzählte Striesow, nach ersten Probeaufnahmen habe es sieben Jahre gedauert, bis endlich die Dreharbeiten begannen; vermutlich mangels Finanzierung. Derweil ist die Zeit über das „Roxy“-Skript in der Schublade einfach hinweggegangen.