Urlaub ist immer eine Belastungsprobe für die Beziehung. Man kann sich nicht wie im Alltag mal eben aus dem Weg gehen, sondern muss miteinander auskommen. So bleibt das Thema der ideale Rahmen für alle erdenklichen enthüllenden Situationen. Regisseur Alireza Golafshan versucht, in seiner neuen Komödie die komischen Seiten herauszustellen. Nachdem er sich im Vorgängerfilm „JGA – Jasmin. Gina. Anna.“ (2022) mit den Höhen und Tiefen des Singledaseins von Mittdreißigern beschäftigte, nimmt er sich nun eine „ganz normale“ Scheidungsfamilie vor.
Info
Alles Fifty Fifty
Regie: Alireza Golafshan,
109 Min., Deutschland 2024;
mit: Moritz Bleibtreu, Laura Tonke, David Kross
Weitere Informationen zum Film
Karriere-Eltern mit klassischer Rollenverteilung
Für Marion und ihren Ex-Mann Andi (Moritz Bleibtreu) trifft das weniger zu. Beide sind erfolgreiche Anwälte mit zahlreichen Terminen. Im Elterngespräch in der Schule drohen sie daher gerne mal mit juristischen Mitteln, wenn die Lehrerin anmerkt, dass ihr Sprössling kein Wunderkind ein und mehr Zeit mit seinen Erziehungsberechtigten bräuchte. Die handeln gemäß der klassischen Rollenverteilung: Sie ist perfektionistisch, immer angespannt und hat den Hang zur Helikopter-Mutti, er bevorzugt einen laissez-faire-Ansatz.
Offizieller Filmtrailer
Getrennte Welten im Italien-Urlaub
Trotzdem hat die Ermahnung der Pädagogin offenbar Eindruck hinterlassen. Für mehr Familienzeit soll ein gemeinsamer Urlaub sorgen, standesgemäß in einem Fünf-Sterne-Resort in Italien. Marion bringt noch ihren neuen Lover Robin (David Kross) mit, einen etwas einfältigen Personaltrainer. Vater Andi reist allein an; für eine neue Beziehung hat er keine Zeit. Robin bemüht sich um Milans Gunst und will mit seinen sportlichen Fähigkeiten punkten. Der Junge liegt aber lieber unterm Sonnenschirm und spielt Videospiele, als ins Meer oder den Pool zu gehen. Vor lauter Wechsel zwischen seinen Elternteilen hat er nämlich schlicht verpasst, schwimmen zu lernen.
Erst eine von der hübschen Mila (Aennie Lade) angeführte Kinderbande vom benachbarten Campingplatz weckt seine Lebensgeister. Während der Junge dort unbeobachtet neue, entspannte Lebenswelten erkundet, giften sich seine Eltern zwischen Gourmet-Essen und Cocktails gesittet an. Sie finden nämlich heraus, dass ihr Filius sie erfolgreich gegeneinander ausgespielt hat. Offenbar müssen sie sich doch auf ein paar verbindliche Erziehungsregeln einigen.
Grobschlächtiger Ton, grenzpeinliche Situationen
So wird das klug ermogelte Espresso-Trinken für den Jungen fortan wieder tabu, und seine Bildschirmzeit wird eingeschränkt. Das schmerzt ihn kaum, denn er hat mittlerweile auf dem Campingplatz Freunde gefunden, die ganz anders sind als seine kultivierte Mischpoke. Auf der Suche nach ihm lernen auch seine Eltern das normale Leben auf einem Campingplatz kennen. In dieser Culture-Clash-Passage ragt Axel Stein als rührseliger Loser Jens heraus: Die Rolle eines Proleten steht ihm einfach gut.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Höhere Gewalt", dem Psychogramm einer Familie im Ski-Urlaub von Ruben Östlund
und hier einen Beitrag über den Film "Quellen des Lebens" - Selbstporträt mit Familienaufstellung von Oskar Roehler mit Moritz Bleibtreu
und hier eine Besprechung des Dramas "Roter Himmel" über die Beziehungsturbulenzen von vier jungen Leuten im Ostsee-Urlaub von Christian Petzold.
Versöhnung als Triebfeder
Dieser von vornherein bedauernswerten Figur versucht David Kross, wenigstens etwas Würde zu verleihen. Doch er bleibt doch nur Stichwortgeber für die Hauptfiguren Marion und Andi, deren potentielle Versöhnung die Handlung vorantreibt. Für einen amüsierten Blick von Außen auf diese sehr bekannte Mechanik der Gefühle sorgt ein kauziger Schwimmlehrer: Er versorgt Milan mit seltsamen, selbst ausgedachten Lebensweisheiten und kommentiert zudem das Geschehen aus dem Off.
Davon abgesehen sind sowohl die Inszenierung als auch die recht handfeste Komik sehr konventionell und vorhersehbar. Man meint, das alles schon mal irgendwo gesehen zu haben. Das kann man witzig finden, oder sich selbst ertappt fühlen, oder befriedigt feststellen, dass es bei Anderen auch nicht so gut läuft. Dafür bietet der Film eine Menge Projektionsflächen, und so ist für alle etwas dabei. Alles Übrige ist bekanntlich Geschmackssache, und der Humor in diesem Film ist mal treffend, mal trifft er nicht – ungefähr fifty-fifty.