Kevin Costner

Horizon

Einer der Pioniere ist Hayes Ellison (Kevin Costner). Foto: © TOBIS Film GmbH
(Kinostart: 22.8.) Der lange Weg nach Westen: Allround-Filmemacher Kevin Costner will das Western-Genre mit einer monumentalen Tetralogie wiederbeleben. Im Auftaktfilm werden aber drei Stunden lang nur Figuren eingeführt und Handlungsstränge ausgerollt – das lässt unbefriedigt zurück.

Saftige Wiesen, ein glasklarer Fluss, majestätische Berge am endlosen Horizont: So sieht das versprochene Land aus, das die Siedler nach langem Treck aus dem Osten der USA endlich erreichen. Dass hier Apachen leben, wissen sie nicht – und diese wissen wiederum nicht, warum immer mehr Weiße auftauchen. Ein paar von ihnen zu töten, schreckt die übrigen offenbar nicht ab: Bald blüht eine Siedlung am Flussufer.

 

Info

 

Horizon

 

Regie: Kevin Costner,

181 Min., USA 2024;

mit: Kevin Costner, Sam Worthington, Sienna Miller

 

Website zum Film

 

Weiter weg im Westen tötet derweil Lucy Harvey (Jena Malone) ihren Peiniger-Gatten und flieht mit ihrem Kind. Dessen rachsüchtige Söhne nehmen die Verfolgung auf. Dabei kommt ihnen der grundanständige Hayes Ellison (Kevin Costner) in die Quere. Er rettet das Leben von Lucy und ihrem Kind sowie das der Prostituierten Marigold, die nur auf den Kleinen aufpassen sollte. Allerdings trennen sich ihre Wege so schnell, wie sie sich kreuzten.

 

Kavallerie verhindert Massaker nicht

 

Die mittlerweile „Horizon“ genannte Siedlung am Fluss wird derweil von Apachen angegriffen; deren Stamm hat die Frage entzweit, wie mit den Eindringlingen umzugehen sei. Die US-Kavallerie trifft am nächsten Tag zu spät ein, bringt aber die Überlebenden ins nächstgelegene Fort. Nach Ausbruch des US-Bürgerkriegs werden einige der Soldaten an die Front im Osten entsandt; sehr zum Bedauern von Frances Kittredge (Sienna Miller) und ihrer Tochter, die das Massaker nur knapp überstanden haben und immer noch im Fort leben.

Offizieller Filmtrailer


 

Costner setzt Privatvermögen aufs Spiel

 

Das alles klingt etwas unzusammenhängend? Kein Wunder: Alle Handlungsstränge bleiben unaufgelöst, weil „Horizon“ nur der erste Teil von vier geplanten Western-Spielfilmen sein soll. Diese Tetralogie wollte Kevin Costner als Produzent, Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller in einer Person eigentlich im Abstand von wenigen Monaten ins Kino bringen. Das sollte mitsamt der Zweitverwertung die Gesamtkosten von 200 Millionen US-Dollar wieder einspielen. Costner war davon so überzeugt, dass er dafür sein Privatvermögen eingesetzt hat.

 

Nach Ansicht der Fachpresse ist sein Vorhaben bereits gescheitert. Der Film hat weltweit bislang 34 Millionen US-Dollar eingespielt und lief vor allem in Europa schlecht. Zudem empfand ihn die Kritik wegen seiner offenen Enden schlicht als unbefriedigend. Anstelle eines aufregenden cliffhanger schließt „Horizon“ lahm mit einer Vorschau auf die Fortsetzung.

 

Wären nur Costner-Doubles eingewandert!

 

Costner, der den Mythos des US-Westens liebt, hat seine Haltung zu ihm bereits im Kassenschlager „Der mit dem Wolf tanzt“ (1990) verarbeitet. Nun kehren manche Merkmale wieder: eine mäandernde Erzählung und die herausragende Rolle, die majestätische Landschafts-Panoramen spielen, überdies seine Position zur blutigen Siedlungsgeschichte. Das Schicksal der Indigenen wird auch in „Horizon“ mit einer Mischung aus Respekt und Trauer inszeniert.

 

Wären damals lauter anständige Einwanderer wie Costner ins Land gekommen – wer weiß, welches Utopia der Völkerfreundschaft dadurch erblüht wäre! Leider kam alles anders. Diese Lesart ist heute in der US-Gesellschaft weit verbreitet. Es ist die zeitgenössische Version der im 19. Jahrhundert begründeten Theorie der „Manifest Destiny“, welche die Eroberung des Kontinents mit dem Sendungsbewusstsein rechtfertigte, das Licht der Zivilisation zu verbreiten – ähnlich wie es die europäischen Kolonialmächte in Afrika und Asien taten.

 

Erinnerung an „Heaven’s Gate“-Pleite

 

Dem hat Costner in „Horizon“ nicht viel hinzuzufügen außer Resignation. Zwar wurden Apachen-Berater engagiert, um authentisches Apachentum zu garantieren, doch 90 Prozent der Redezeit gehören den Weißen, und deren Dialoge drehen sich vor allem ums Überleben. Dass es die Siedlerfamilien auch nicht leicht hatten, soll wohl der Indianer-Angriff zeigen; er wird inszeniert wie sonst nur ein Kosaken-Pogrom oder eine Zombie-Attacke.

 

Dass sein eigener Höhenflug vom Scheitern bedroht wird, ist für Costner nichts Neues: In seiner langen Laufbahn wechselten unerwartete Erfolge und kommerzielle Abstürze miteinander ab. „Horizon“ dürfte sich jetzt unter die letzteren einreihen. Dabei erinnert die enorme Fallhöhe dieses Projekts an die legendäre Pleite von Regisseur Michael Cimino mit „Heaven’s Gate“ 1980. Sein Spätwestern über den blutigen Kampf von Großfarmern gegen osteuropäische Einwanderer, der damit den US-Gründungsmythos kritisch zerlegte, überzog das Budget ums Doppelte und wurde von der Kritik zermalmt.

 

Zweiter Teil verschoben, vierter ungedreht

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Dead Don't Hurt" – Spätwestern über ein Paar während des US-Bürgerkriegs von und mit Viggo Mortensen

 

und hier eine Besprechung des Film "Neues aus dem Westen" – stimmiger Neo-Spätwestern über einen Nachrichten-Vorleser von Paul Greengrass mit Tom Hanks.

 

und hier einen Beitrag über den Film  "The Homesman" – aufwühlend realistischer Western über Frauen-Evakuierung von und mit Tommy Lee Jones.

 

„Heaven’s Gate“ riss ein Filmstudio und mehrere Schauspieler-Karrieren in den Abgrund, die von Cimino sowieso. Zudem beendete das Fiasko die künstlerischen Eskapaden der „New Hollywood“-Regisseure und begrub für eine Dekade das ganze Western-Genre unter sich. Erst „Der mit dem Wolf tanzt“ sollte es wiederbeleben, weil dieser Film sowohl bei Kritikern als auch an der Kinokasse erfolgreich war. Dabei hat Costner dieses Werk gegen viele Widerstände und auf eigenes Risiko durchgepeitscht.

 

Dass es „Horizon“ wohl nicht vergönnt sein wird, diesen Coup zu wiederholen, dürfte daran liegen, dass kaum jemand diese Saga bis zum bitteren Ende sehen möchte; schon der erste Teil dauert satte drei Stunden. So bleibt möglicherweise für immer unklar, ob die Mängel des Anfangs im weiteren Verlauf ausgeglichen werden. Der für Mitte August angesetzte Kinostart des zweiten Teils in den USA ist bis auf Weiteres verschoben worden; der vierte Teil ist noch gar nicht gedreht.

 

Produktions-Story ist spannender als Film

 

Dabei sind die Charaktere, die im ersten Teil eingeführt werden, und die Schauspieler-Leistungen des Ensembles durchaus vielversprechend – aber es bleibt bei Versprechen. Dagegen ist der Teaser, der den Film abschließt und auf die kommenden Teile verweist, alles andere als subtil. So lässt sich derzeit nur sagen, dass die Geschichte der „Horizon“-Produktion bislang spannender ist als der Film selbst. Nun bleibt abzuwarten, ob Costners Plan schließlich doch noch auf irgendeine Art und Weise aufgeht.