Die schönsten Pläne taugen nichts, wenn es die Umstände nicht zulassen. Für den Videospieler-Erfinder Micha (Charly Hübner) ist das eine neue Erkenntnis. Vor ein paar Jahren hat er ein erfolgreiches Game lanciert; seither ruht er sich mit seinen üppig sprudelnden Einnahmen aus. Nachdem er von seinen verstorbenen Eltern einen alten Gasthof im Klein-Schappleben in Sachsen-Anhalt geerbt hat, schmiedet er kühne Pläne.
Info
Micha denkt groß
Regie: Lars Jessen + Jan Georg Schütte,
89 Min., Deutschland 2024;
mit: Charly Hübner, Jördis Triebel, Ulrich Brandhoff
Weitere Informationen zum Film
Keine Perspektiven für das Dorf
Neben Michas Freundin Jenny (Natalia Rudziewicz) und Masseurin Tina (Jördis Triebel) ist sie einzige Person, die Hoffnungen auf sein Projekt setzt. Andere Perspektiven hat sie den hier verbliebenen Kleinbauern ohnehin nicht zu bieten. Während sich die Dörfler ausgiebig streiten, schlägt die Natur erbarmungslos zu. Der alte Trinkwasserbrunnen trocknet aus, und Besserung ist nicht in Sicht. Die teure und aufwändige Lösung wäre das Bohren eines tieferen Brunnens. Micha muss sich etwas einfallen lassen, wenn seine Vision noch Wirklichkeit werden soll.
Offizieller Filmtrailer
Spezialist für ländliche Milieus
Regisseur Lars Jessen hat sich seit seinem Spielfilmdebüt „Am Tag als Bobby Ewing starb“ (2005) als Spezialist für kriselnde ländliche Milieus etabliert. Sein letzter Kinofilm „Mittagsstunde“ nach dem Roman von Dörte Hansen hat mit seinem neuen Werk einiges gemeinsam: abgesehen von den Hauptdarstellern und Ko-Regisseur Jan Georg Schütte als Nebendarsteller vor allem die Rückkehr des Protagonisten in seine alte Heimat, die wegen Überalterung langsam zu verschwinden droht. Doch es gibt auch Unterschiede.
Michas Eltern sind tot, und er ist nicht auf der Flucht vor seinem alten Leben wie der von Hübner gespielte Protagonist Ingwer in „Mittagsstunde“. In Klein-Schappleben gibt es auch keine Erinnerungen aufzuwärmen. Dass auch Micha hier aufwuchs, ist für seine alten Bekannten ohne Belang. Sie betrachten ihn als fusselbärtigen Berliner, der die Dorfversammlung mit einer Videopräsentation und Wirtschafts-Denglisch für das Ziel begeistern will, das er unermüdlich verfolgt: Die Wellness-Oase muss her.
Kampf ums Wasser mit allen Mitteln
Dass er sich damit heillos überfordert, ahnt seine in Berlin gebliebene Freundin Jenny besser als er selbst. Im Bemühen, das Geld für die Brunnenbohrung zusammenzukratzen, gerät er in die Querelen zwischen Öko-Schäfer Jonas (Ulrich Brandhoff), dem undurchsichtigen Schweinebauern Hermann (Peter Kurth) und dem zugezogenen Prepper Schlüter (Jan Georg Schütte), der für alles eine Verschwörungstheorie hat. Im Kampf ums Wasser ist allen jedes Mittel recht – für die Bauern geht es dabei ums wirtschaftliche Überleben. Ihre existentiellen Machtspiele inszeniert Regisseur Jessen mit gewohnter Sympathie und tiefem Verständnis für seine Figuren.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Mittagsstunde" - nordfriesischer Heimatfilm von Lars Jessen mit Charly Hübner
und hier eine Besprechung des Films "Die stillen Trabanten" - poetischer Episodenfilm von Thomas Stuber mit Charly Hübner
und hier einen Beitrag über den Film "Wie wilde Tiere" über den culture clash zwischen störrischen Dörflern + idealistischen Zugezogenen von Rodrigo Sorogoyen.
Micha bleibt blass
So bleibt auch die Hauptfigur Micha blass. Sein anfänglicher Enthusiasmus weicht nach einiger Zeit im fast ausgestorbenen Dorf einer lähmenden Lethargie. Zu geplatzten Illusionen kommt hinzu, dass Jenny sich schließlich von ihm trennt. Und so wurschteln im Grunde alle allein vor sich hin. Solidarität war gestern, nun werden selbst einfache Handreichungen mit Misstrauen betrachtet. Tina hat eine Menge Verspannungen zu massieren. Die Grundprobleme – allgemeine Hoffnungslosigkeit und den sinkenden Grundwasserspiegel – kann sie damit nicht wegdrücken.
Auch die Unsummen, die Micha in die erfolglose Brunnenbohrung steckt, werden verpulvert. So stellt sich alsbald die Frage, was Jessen, der den Film in nur sechs Drehtagen mit sechs Kameras realisiert hat, eigentlich erzählen will. Die Antwort liefern ein paar Schrifttafeln am Ende: Die Probleme Klimawandel und Grundwasserverlust sollen auf diese Weise zuschauerfreundlich aufbereitet werden. Das gerät allerdings in dieser Produktion der ARD-Sendeanstalten allzu simpel und harmlos.