Viggo Mortensen + Vicky Krieps

The Dead Don’t Hurt

Der dänische Einwanderer Holger Olsen (Viggo Mortensen) und Vivienne Le Coudy (Vicky Krieps) haben sich verliebt. Foto: Alamode Film
(Kinostart: 8.8.) Jeanne d’Arc im Wilden Westen: Regisseur und Hauptdarsteller Viggo Mortensen lässt ein Paar gegen die Welt um 1860 kämpfen. Vom Leid des Bar-Pianisten bis zur finalen Schießerei ist alles drin, was zum Western-Genre gehört, doch der Film verzettelt sich in Rückblenden und Parallelaktionen.

Ein Ritter erscheint in einem lichten Wald. Eine Frau stirbt in Beisein ihres Mannes. Ein Vater nimmt seinen Jungen und macht sich mit ihm auf eine Reise. „The Dead Don’t Hurt“ beginnt mit einer Aneinanderreihung symbolisch aufgeladener Szenen. Bis sich daraus eine nachvollziehbare Handlung zusammensetzt, dauert es eine Weile.

 

Info

 

The Dead Don't Hurt

 

Regie: Viggo Mortensen,

129 Min., USA/ Mexiko 2023;

mit: Viggo Mortensen, Vicky Krieps, Garret Dillahunt

 

Weitere Informationen zum Film

 

Dabei ist die Geschichte des Films in der Tat spannend und könnte ihre Stärken als geradliniger Spätwestern ohne überflüssige Schnörkel leicht ausspielen. Mit der unabhängigen Franko-Kanadierin Vivienne LeCoudy (Vicky Krieps) und dem wortkargen dänischen Einwanderer Holger Olsen (Viggo Mortensen) kann sie mit zwei Hauptfiguren aufwarten, die für sich genommen ebenso interessant sind wie als Paar.   

 

Neustart in der Wildnis

 

Vivienne, die mit einem Bourgeois liiert ist, begegnet Olsen (wie er von ihr genannt werden will) im San Francisco der 1860er Jahre. Verglichen mit dem Rest des weiten Landes hat sich hier bereits eine urbane Gesellschaft entwickelt. Dennoch lässt Vivienne von einem Tag auf den anderen ihr wohl eingerichtetes Leben hinter sich und folgt ihrem neuen Freund in die Wildnis. In einer selbst gezimmerten Holzhütte möchte der seinen Traum vom freien Leben verwirklichen.

Offizieller Filmtrailer


 

Korrupte Männer ziehen die Strippen

 

Auf ihre Frage, was er dort genau zu tun gedenke, lautet seine Antwort gleich nach der Ankunft in der eher unwirtlichen neuen Umgebung: „So wenig wie möglich.“ Also ist es zunächst vor allem Vivienne, die die Initiative ergreift und anpackt. Nach dem ersten Erschrecken stellt sich allerdings auch heraus, dass sie und Olsen nicht nur als Partner, sondern auch als Paar gut harmonieren. Gemeinsam verwandeln sie ihren staubig-schattenlosen Grund und Boden in ein ansprechendes, von Grün und Blumen umgebenes Zuhause.

 

Olsen erweist sich außerdem als begabter Zimmermann, und so erhält er schon bald Aufträge zum Scheunenbau von den Bewohnern einer nahegelegenen Kleinstadt. Sie ist das Einfallstor in ein neuerschlossenes Bergbaugebiet und wird von einer Bande korrupter Männer dominiert. Farmer Alfred Jeffries (Garret Dillahunt) und Bürgermeister Rudolph Schiller (Danny Huston) ziehen im Hintergrund die Strippen – mit dem Ziel, sich auf Kosten der erwarteten Glücksucher zu bereichern.

 

Aus Überzeugung an die Front

 

Dagegen hat Alfreds Sohn Weston vor allem Spaß daran, seine Umwelt ganz offen zu tyrannisieren. Insbesondere der Klavierspieler im örtlichen Saloon hat unter ihm zu leiden. Doch Westons Fokus verlagert sich, als Vivienne entscheidet, dass sie als selbständige Frau ebenfalls einen Job und eigenes Geld braucht. Dafür heuert sie im Saloon an. Fortan richtet sich Westons Begehren vor allem auf sie.

 

Die Lage spitzt sich zu, als Olsen sich bei Ausbruch des Bürgerkriegs 1861 freiwillig für die Unionisten meldet, also die Armee der Nordstaaten. Genau wie Vivienne kann er nicht anders, als seinen Überzeugungen zu folgen – auch wenn er sieht, welchen Kummer er ihr damit bereitet. Mit dem Versprechen, bald zurück zu sein, verlässt er Frau und Hof, um für die Sache zu kämpfen, an die er glaubt.

 

Eine ungewöhnliche Beziehung

 

Tatsächlich werden jedoch mehrere Jahre vergehen, bis er desillusioniert aus dem Krieg heimkehrt. Zu Hause findet er Vivienne zwar noch vor, aber zu seiner Überraschung hat sie nun einen Sohn, Vincent. Bis sie und Olsen wieder das gute Team werden, das sie vor seinem Aufbruch waren, bedarf es äußerer und innerer Kämpfe. Für letztere findet der Film angemessene Bilder in der Landschaft und den Gesichtern seiner Protagonisten.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Neues aus dem Westen" - stimmiger Neo-Spätwestern von Paul Greengrass

 

und hier einen Beitrag über den Film  "The Homesman" - aufwühlend realistischer Western von und mit Tommy Lee Jones

 

und hier eine Besprechung des Films "Little Women" - unterhaltsames US-Historiendrama über von Greta Gerwig.

 

Insgesamt ist „The Dead Don’t Hurt“ am besten, wenn er sich auf seine starken Charaktere verlässt und zeigt, welchen Gewinn eine Partnerschaft bedeuten kann, die Liebe nicht mit Besitz verwechselt, sondern den anderen als eigenständig bestehen lässt. Die Beziehung zwischen Vivienne und Holger ist von den Anfängen bis über das Ende hinaus nicht nur für ihre Zeit außergewöhnlich. Darüber, dass es am Ende fast pflichtgemäß zur genretypischen Schießerei kommt, lässt sich da gut hinwegsehen.

 

Regisseur traut seiner Fabel nicht

 

Schade ist allerdings, dass Mortensen bei seiner zweiten Regiearbeit – sein Debut als Regisseur feierte der Schauspieler 2020 mit dem Familiendrama „Falling“ – der Kraft seiner Fabel offensichtlich nicht traut. Statt sie vom Kennenlernen der Liebenden bis zum Neuanfang der übriggebliebenen Patchwork-Restfamilie konsequent voranzutreiben, baut das von ihm selbst verfasste Drehbuch gleich am Anfang den Tod von Vivienne ein; eine völlig unnötige Vorwegnahme.

 

Zum anderen sorgen zahlreiche weitere Rückblenden und Parallelhandlungen für Verwirrung. Statt der Geschichte mehr Tiefe zu verleihen, hemmen sie den Erzählfluss. Zumal das Bild vom edlen Ritter, der Vivienne immer wieder erscheint, um sie an ihren verschwundenen Vater und ihre von der Mutter geerbte Verehrung für Jeanne D’Arc zu erinnern, kaum origineller ist als der shoot-out am Ende.