
Ob in Los Angeles, Toronto, Dubai oder Frankfurt am Main: Überall füllt die iranische Sängerin Googoosh die Konzerthallen. Wieviele Fans kommen, hängt von der Größe der dortigen exiliranischen Gemeinde ab. Die Sängerin war in ihrer Heimat vor dem Sturz des Schahs eine berühmte Pop-Sängerin, durfte aber nach der Islamischen Revolution 1979 nicht mehr öffentlich auftreten. Im Jahr 2000 verließ sie den Iran und wurde zu einer Symbolfigur der persischen Diaspora.
Info
Googoosh – Made of Fire
Regie: Niloufar Taghizadeh;
95 Min., Deutschland
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Berufsverbot bei Rückkehr in Heimat
Ihr Vater, ein Akrobat und Tänzer, steuerte zunächst als Manager ihr gesamtes Dasein. Dem konnte sie sich nur durch Flucht in eine Ehe entziehen – der ersten von vieren. Als sie im Iran längst ein populäre Sängerin geworden war, versuchte sie erfolglos, sich auch in Europa eine Karriere aufzubauen. Dann ging sie in die USA, wurde durch ihren damaligen Mann kokainsüchtig, kam davon los, kehrte in einen radikal veränderten Iran zurück – und wurde dort mit Berufsverbot belegt.
Offizieller Filmtrailer OmU
Hände zittern wie Espenlaub
Danach sei sie für 20 Jahre „unsichtbar“ gewesen, berichtet Googoosh: eine durchschnittliche Frau unter dem Kopftuch. Erst ein Angebot, im Ausland auf Tournee zu gehen, befreite sie aus dieser erzwungenen Passivität. Die Veranstalter nahmen sie zwar nach Strich und Faden aus, aber sie schöpfte auf der Bühne neues Selbstbewusstsein – und damit die Kraft, dem Iran für immer den Rücken zu kehren.
Der entwaffnende Moment, als Googoosh bei ihrem ersten Comeback-Konzert in Kanada dem Publikum ihre wie Espenlaub zitternden Hände zeigt, wurde auf Film festgehalten. Der Ausschnitt ist einer der wenigen gut erhaltenen Archivfunde, die Regisseurin Taghizadeh aufbietet. Dagegen sind VHS-Aufnahmen aus der Zeit vor 1980 offenbar etliche Male umkopiert worden – darunter auch von iranischen Spielfilmen, bei denen Googoosh mitwirkte. Diese Bilder sehen entsprechend unscharf und mitgenommen aus.
Viele Lieder an-, aber nie ausgespielt
Das künstlerische Klima in der späten Schah-Zeit, die Modernisierung nach westlichem Vorbild anstrebte, und Googooshs Rolle darin bleiben ebenfalls flüchtig und schwer zu greifen. So werden zwar Auftritte von ihr in TV-Shows immer wieder an-, aber ihre Lieder leider nie ausgespielt. Immerhin vermitteln die Untertitel einen Eindruck davon, welch enorme Rolle die blumige persische Poesie in den Texten dieser Popmusik spielte.
Auch wenn Googoosh und ihre jeweiligen Gesangspartner mitunter aussahen wie das deutsche Schlagerpärchen Cindy & Bert: lyrisch und musikalisch waren ihre Lieder selten leichtgewichtig. Sie stammen von angesehenen Textern und Produzenten. Vielleicht wirken sie deswegen auch meist zeitlos.
In den Armen liegen, mitsingen + weinen
Mitschnitte von Googooshs umjubelten Auftritten aus jüngerer Zeit legen jedenfalls nahe, dass ihre Wirkung auf das Exil-Publikum ungebrochen ist. Sie zeigen Iranerinnen und Iraner aller Altersstufen, die sich in den Armen liegen, mitsingen und oft dabei weinen – auch junge Leute, die keine Erinnerungen an die Epoche vor der Islamischen Revolution haben können.
Hintergrund
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Im Studio mit Extraportion Bling-Bling
Die letzte Station des Films ist ein US-Tonstudio, wo eine Benefiz-Single zugunsten der Protestbewegung im Iran aufgenommen wird. Daran beteiligen sich auch andere prominente Sängerinnen und Schauspielerinnen – mit der für Exil-Iranerinnen obligatorischen Extraportion Bling-Bling. Tatsächlich kommen Männer in dem Film kaum zu Wort; nur die musikalischen Leiter von Googooshs Band geben kurze Kommentare ab.
Zudem vermeidet Regisseurin Taghizadeh die in heutigen Musik-Dokus üblichen Superlative, wobei gern von verschollenen Genies die Rede ist, die aufgespürt und wiederentdeckt werden müssen. Das hat Googoosh so wenig nötig wie prominente Fürsprecher: Ihre Geschichte ist dramatisch und hoffnungsvoll genug, um auch außerhalb exiliranischer Kreise gewürdigt zu werden.