
Dieses Werk ist ein Unikum. Noch nie kam ein Spielfilm über die Biographie eines aussichtsreichen US-Präsidentschaftskandidaten kurz vor dem Wahltag auf die Leinwand; der Kinostart in den USA war vor einer Woche. Muss man seinen Machern den Vorwurf versuchter Wahlbeeinflussung machen? Kaum: Der Film enthüllt oder skandalisiert nichts, sondern präsentiert nur seit langem bekannte Fakten und Verhältnisse.
Info
The Apprentice – The Trump Story
Regie: Ali Abbasi,
120 Min., Kanada/ Dänemark/ Irland 2024;
mit: Sebastian Stan, Jeremy Strong, Marija Bakalova
Weitere Informationen zum Film
Objekt für Trumps Rachsucht
Nicht von ungefähr wurde der Film in Kanada gedreht, zusammen mit europäischen Partnern. In den USA wollte sich vermutlich keine Produktionsfirma daran die Finger verbrennen. Trump ist berühmt-berüchtigt für seine Rachsucht, und er hätte durchaus Anlass dazu. Nicht etwa, weil der dänisch-iranische Regisseur Ali Abbasi ihn verleumdete – weit schlimmer: Er stellt den jungen Donald als ehrgeizigen, aber unsicheren und wankelmütigen Charakter dar. Das kann der heutige Egomane gar nicht leiden.
Offizieller Filmtrailer
Anwalt unter Mafia-Typen
Nach seinem Uni-Abschluss wurde er 1971 mit 25 Jahren schon Geschäftsführer der Immobilien-Firma seines Vaters Fred Trump. Der Familien-Tyrann hatte viel Geld mit öffentlich gefördertem Wohnungsbau für sozial Schwache verdient, was Donald (Sebastian Stan) wenig behagt: In einer der ersten Szenen streitet er über Rückstände mit renitenten Mietern, die ihn mit heißem Wasser übergießen wollen. Da gefällt ihm das plüschige Ambiente teurer Nachtclubs deutlich besser.
Dort wird er eines Abends dem Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong) vorgestellt. Den ehemaligen Chefberater von Kommunistenjäger Joe McCarthy eine schillernde Figur zu nennen, wäre stark untertrieben. Als Strippenzieher und Ausputzer mit besten Kontakten in höchste Kreise umgibt er sich mit zwielichtigen Mafia-Typen. Seine Homosexualität muss Cohn vor der Öffentlichkeit verbergen, lebt sie aber hinter geschlossenen Türen heftig aus. „Fickst Du viel?“, fragt er nach den Begrüßungsfloskeln Donald: „Du siehst aus wie einer, der viel fickt.“ Soviel zum Umgangston in Cohns Entourage.
Heirat mit Bling-Bling-Beauftragter
Tagsüber geriert er sich wie ein Renaissancefürst: Frühstück im Bademantel, Assistenten flitzen herum, zwischen zwei Happen lautstarke Telefonate mit Richtern und Senatoren. Gesetze seien egal, erklärt Cohn seinem neuen Schützling: Entscheidend sei, um jeden Preis gewinnen zu wollen. Dafür sind ihm auch unlautere Mittel recht wie Erpressung mit kompromittierenden Fotos oder Tonband-Mitschnitten von Gesprächen im eigenen Haus, etwa bei orgiastischen Partys mit einem gewissen Andy Warhol. Ob er als Künstler erfolgreich sei, fragt Donald den nebenher beim Drink.
Abgesehen von Cohn wird Donald auch von einer starken Frau geprägt: Ivana (Marija Bakalova). Das Model beeindruckt ihn, weil es sich von einem Türsteher nicht abwimmeln lässt. Viele Rosen und teure Geschenke später heiratet er Ivana 1977. Sie wird Ende des Jahrzehnts Vizepräsidentin der „Trump Corporation“ und Innenausstatterin monumentaler Großbauten, also quasi seine Bling-Bling-Beauftragte – bis zur Vergewaltigung in der Ehe.
Vom Zauderer im Nu zum Großmaul
Sein Versprechen vom gemeinsamen Leben in Luxus ist umso attraktiver, da New York Mitte der 1970er Jahre am Ende erscheint: beinahe pleite, marode, vermüllt und voll grassierender Armut. Fast verständlich, dass skrupellose Geschäftsleute als weiße Ritter erscheinen, die mit Millionen-Investitionen der Stadt wieder aufhelfen wollen. So ergattert Donald Trump 1977 für sein erstes Großprojekt – den Umbau des 62-stöckigen „Commodore Hotel“ zum spiegelglatten „Grand Hyatt New York“ – eine Steuerbefreiung, deren Wert bis heute 400 Millionen US-Dollar betragen soll.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Fahrenheit 11/9" – engagierte Dokumentation über den Aufstieg von Donald Trump von Michael Moore
und hier eine Besprechung des Films "Die Erfindung der Wahrheit – Miss Sloane" – brillantes Porträt einer Polit-Lobbyistin von John Madden mit Jessica Chastain
und hier einen Beitrag über den Film "A Most Violent Year" – faszinierender Thriller über Heizöl-Großhandel (!) 1981 in New York von JC Chandor mit Oscar Isaac
und hier einen Bericht über den Film "Holy Spider" – packender Thriller über Prostituierten-Morde im Iran von Ali Abbasi
und hier eine Kritik des Films "The Real American – Joe McCarthy" – Dokudrama über den US-Kommunistenjäger der 1950er Jahre + seinen Berater Roy Cohn von Lutz Hachmeister.
Funkensprühendes Kräftemessen
Und damit durchkommt: Fortan eilt er mit dem 1983 eröffneten „Trump-Tower“, Casinos in Atlantic City und ähnlichen Mammutbauten scheinbar von Erfolg zu Erfolg – obwohl er zeitweise am Rand des Bankrotts balanciert. Der aasige Cohn stolpert entkräftet hinterher. Aus gesundheitlichen Gründen: 1984 wird bei ihm AIDS diagnostiziert.
Seine Agonie, und wie ihm Trump auf großspurig-halbherzige Art beisteht, nimmt im Film viel Platz ein. Ohnehin steht dieses Duo infernale im Zentrum; das wird dank Jeremy Strong zum funkensprühenden Kräftemessen. Mit stechendem Blick agiert er so energiegeladen und kampfeslustig, dass sein sonnenbankgebräuntes Raubvogelgesicht im Wortsinne vibriert. Dagegen bleibt Sebastian Stan stets der eifrig bemühte Sohn seines Papas; man nimmt ihm die Verwandlung zum prahlsüchtigen Narzissten nicht recht ab, weil sein ausgekochtes Geschäftsgebaren kaum vorkommt.
Psychogramm ohne Zielpublikum
Was den Verdacht der Wahlbeeinflussung zusätzlich entkräftet: Der Film-Trump hat mit dem polternden Ex-Präsidenten wenig zu tun. Ihm fehlen noch die Lust an ständigen Regelverstößen, rabiater Rücksichtslosigkeit und größenwahnsinniger Selbstverherrlichung, die ihn für die Hälfte der US-Wähler so attraktiv macht. Weshalb dieses Psychogramm vermutlich nicht diejenigen ins Kino locken dürfte, für die es eigentlich wohl gedacht ist.