
Die grünen Landschaften Südenglands taugen immer noch als Postkartenmotiv: sanft geschwungene Hügel, grasende Tiere, Hecken als Zäune. Doch auch wenn die Briten sich als naturnah verstehen und Gärtnern wie Wandern dort Volkssportarten sind: Um die Ökosysteme auf der Insel ist es schlecht bestellt – auch im Vergleich zu anderen Industrienationen in Europa. Die Artenvielfalt schrumpft dramatisch, die Böden sind ausgelaugt.
Info
Wildes Land – Die Rückkehr der Natur
Regie: David Allen,
75 Min., Großbritannien 2023;
Weitere Informationen zum Film
Bio-Theorie abseits des Mainstreams
Das Paar traf eine weitreichende Entscheidung, inspiriert von den Theorien des Biologen Frans Vera. Der berät die niederländische Regierung zu ökologischen Strategien und vertritt Hypothesen abseits des Mainstreams: etwa dass das urzeitliche Europa nicht, wie oft vermutet, komplett von Wald bedeckt war. Stattdessen sorgten laut Vera große Tiere für offene Flächen und eine Mischung unterschiedlicher Biotope. Also verkauften Tree und Burrell ihr landwirtschaftliches Gerät, rissen die Zäune ab und begannen mit der Renaturierung.
Offizieller Filmtrailer
Märchenhaftes Reenactment
Unterstützung kam von der Fauna: von mikroskopisch kleinen Tieren, denen es gelang, die zu Tode gewirtschafteten Böden erstaunlich schnell wiederzubeleben; und von besagten größeren Tieren, denen Vera eine Schlüsselrolle bei der Umgestaltung zuschreibt. Bis dato domestizierte Nutztiere mussten ihre Instinkte wiederentdecken; so wurden sie etwa fortan im Winter nicht mehr gefüttert.
Von den zwei Jahrzehnten, die auf diese radikalen Schritt folgten, erzählt dieser durchaus inspirierende, wenn auch etwas lobhudelnde Film von Regisseur David Allen. Es ist keine Natur-Doku im eigentlichen Sinne, sondern ein etwas glattpolierte, märchenhaft anmutendes Reenactment eines Transformationsprozesses. Der Film basiert auf Trees Bestseller von 2018, der vier Jahre später auf Deutsch unter dem Titel „Wildes Land – Die Rückkehr der Natur auf unser Landgut“ erschienen ist. Auf Archivmaterial wird dabei verzichtet.
Rettung durch Wanderfalter
Märchenhaft oder zumindest romantisierend mutet die Inszenierung an, weil sich der Ansatz, die Regie an die Natur abzugeben, als durchweg erfolgreich erweist. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass eine etwas kompliziertere Realität zugunsten einer Erzählung glattgebügelt wurde, in der die wundersame Natur stets eine passende Lösung bereithält: etwa, als sich die Ackerkratzdistel ausbreitet – ein Unkraut, gegen das vorzugehen Farmer gesetzlich verpflichtet sind.
Auf dem Knepp-Anwesen kam die Rettung in Gestalt einer Wanderfalter-Art, die zwischen Afrika und Europa pendelt; sie löste das Problem durch Auffressen. Wieso dieser Riesenschwarm aus dem Nichts auftauchte – dazu wäre eine wissenschaftliche Einschätzung durchaus interessant. Schwierigkeiten, mit denen sich das staatlich geförderte Projekt konfrontiert sah, werden zwar thematisiert; trotzdem würde man über dessen Finanzierung gerne mehr erfahren.
Tiere sind die Stars
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der Waldmacher" – Dokumentation über Aufforstung in Afrika von Volker Schlöndorff
und hier einen Beitrag über den Film "Die Zähmung der Bäume – Taming the Garden – Dokumentation über eine Oligarchen-Sammlung von Bäumen in Georgien von Salomé Jashi
und hier eine Besprechung des Films "El Olivo - Der Olivenbaum" – ökologisches Feelgood-Roadmovie von Icíar Bollaín
und hier einen Beitrag über den Film "Das geheime Leben der Bäume" – Essay-Film über Peter Wohllebens Bestseller von Jörg Adolph + Jan Haft.
Tree führt in einem bisweilen redundanten Voiceover durch ihre Geschichte. Schauspieler übernehmen die meisten Rollen, so auch die des kämpferischen Paars in jüngeren Jahren. Die Stars sind jedoch die Tiere, die das Habitat und ihre genetische Programmierung neu entdecken. Märchenhaft wirkt der Film auch deshalb, weil die Bilder tatsächlich eine gewisse Magie ausstrahlen. Spektakuläre Naturfilme gibt es dank moderner Kameratechnik mittlerweile zuhauf. Doch hier in Europa, quasi nah vor der eigenen Haustür wirken derartige Aufnahmen besonders eindrucksvoll.
Bei aller Glätte beglückend
Mittlerweile ist das 1400 Hektar große Anwesen ein weithin beachtetes Projekt; mit Restaurant, Safari-Touren und Campingplatz. Zum Publikumsmagneten wurden Störche, die auf dem Gutshaus ihr Nest bauten: Es war das erste Mal seit rund 600 Jahren, dass in Großbritannien Storchen-Nachwuchs schlüpfte. Vor dem Hintergrund, dass die Rettung der Biodiversität als zentraler Baustein bei der Eindämmung des Klimawandels gilt, vermittelt der bei aller Glätte durchaus beglückende Film eine Vorstellung davon, was möglich ist.