Ein etwas anderes Hochzeitsgeschenk: Am Tag ihrer Heirat bekommt Agnes (Anja Plaschg) von ihrem Bruder als Geschenk den Finger einer kürzlich hingerichteten Kindsmörderin überreicht. Der leblose Körperteil soll der Frischvermählten raschen Nachwuchs bescheren. So besagt es zumindest der Glaube in der oberösterreichischen Provinz Mitte der 1750er Jahre. Aber der makabere Talisman ändert nichts daran, dass Agnes‘ Ehe mit dem Fischer Wolf (David Scheid) ungut verläuft.
Info
Des Teufels Bad
Regie: Severin Fiala und Veronika Franz,
121 Min., Österreich 2024;
mit: Anja Plaschg, David Scheid, Maria Hofstätter
Weitere Informationen zum Film
Suizid als größte Sünde
Agnes schämt sich und nimmt alle Schuld auf sich. Ihre Einsamkeit und die Angst vor dem Unheil, das ihr ohne Kind droht, tun ihr Übriges. Je stärker die junge Frau sich isoliert fühlt, desto schwermütiger wird sie; in ihrer Verzweiflung nimmt sie sogar Rattengift. Dabei wäre Suizid die größtmögliche Sünde vor dem Herrn, wie auch Agnes weiß – schlimmer noch als Mord, weil man nach einem Freitod nicht mehr beichten kann.
Offizieller Filmtrailer
Eine Krankheit, die es noch nicht gibt
Den Begriff „Depression“ gab es damals ebenso wenig wie das Wissen, dass sich dahinter eine schwere psychische Erkrankung mit zum Teil gravierenden körperlichen Auswirkungen verbirgt. „Ich glaub‘, die ist in Teufels Bad“, sagt Wolf deshalb nur resigniert, als er Agnes in seiner Ratlosigkeit zu ihrer Familie zurückbringt.
„Des Teufels Bad“ ist der dritte Film von Veronika Franz und Severin Fiala. Bislang hat sich das österreichische Regie-Duo mit vertrackten Psycho-Szenarien einen Namen gemacht. In ihrem Debüt-Spielfilm „Ich seh, ich seh“, einem raffinierten Verwirrspiel aus Gewalt und Illusion, tyrannisieren zwei elfjährige Zwillingsbrüder ihre Mutter. Im Nachfolger „The Lodge“ wird eine junge Stiefmutter bei dem Versuch, eine Beziehung zu den Kindern ihres Ehemanns aufzubauen, von ihrer eigenen düsteren Vergangenheit eingeholt.
Hauptdarstellerin + Komponistin in Personalunion
Nun steht eine Frau im Mittelpunkt, die sich nichts sehnlicher wünscht als ein Baby, und die daran zerbricht. Sie stürzt in den Abgrund, weil weder sie selbst noch jemand sonst ihr zu helfen weiß – erst recht nicht der Katholizismus mit seinen bisweilen grausamen Ritualen.
Hauptdarstellerin Anja Plaschg ist unter ihrem Bühnennamen „Soap&Skin“ vor allem als Musikerin erfolgreich; sie hat auch den Soundtrack zum Film komponiert. So stellt sie auf gleich zwei Ebenen eine emotionale Verbundenheit mit der Protagonistin her. Agnes‘ seelischen und körperlichen Verfall mitanzusehen, ist manchmal nur schwer erträglich. Plaschg wird so zum mitreißenden Kraftzentrum des Films.
Leinwand so finster wie Agnes’ Seele
Franz und Fiala verstärken dies mit einer atmosphärisch dichten Inszenierung, die stark auf die Effekte von Licht und Schatten setzt. Zu Beginn ist es noch hell, die schroffe Erhabenheit der Landschaft bestimmt das Bild. Doch bald wird es auf der Leinwand so finster wie in Agnes‘ Seele. Dazu legt sich immer wieder ein kalter Nebel über Berg und Tal.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Das Flüstern der Felder" – grandioses Drama über den Ausschluss einer jungen Polin aus ihrer Dorfgemeinschaft im 19. Jh., verfilmt mit animierten Ölgemälden von DK & Hugh Welchman
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und hier einen Bericht über den Film "Die Erscheinung (L'Apparition)" – bewundernswert nuancierte Reflexion über religiöses Bewusstsein am Beispiel von Marien-Erscheinungen von Xavier Giannoli mit Vincent Landon
und hier einen Beitrag über den Film "Die Geträumten" – konzises Kammerspiel über den Briefwechsel von Paul Celan mit Ingeborg Bachmann, verfilmt von Ruth Beckermann, mit Anja Plaschg.
Kein Platz für Märchenhaftes
„Des Teufels Bad“ kommt als Psycho-Folk-Horror-Film in historischem Gewand daher, doch im Grunde erzählt er ein zeitloses, universelles Schicksal. Gewalt und Brutalität sind dabei unterschwellig stets präsent, während sich die Magie im Unspektakulären verbirgt: zum Beispiel darin, wie Agnes sich in ihrer Einsamkeit mit der Natur verbündet und selbst im eisigen Winter Schmetterlinge anzuziehen versteht.
Doch für mehr Märchenhaftes oder gar Fantastisches bleibt kein Platz. Dafür ist Agnes‘ Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, zu bedrückend. Die Musik von Plaschg passt sich dem Ernst der Lage an: Opulente Synthesizer-Texturen und Streicher-Arrangements werden sparsam und präzise eingesetzt. Auch die Kamera von Martin Gschlacht konzentriert sich auf das Wesentliche: Sie weicht Agnes in keiner Sekunde von der Seite und sieht nüchtern zu, wie die junge Frau kopfüber ins Unglück stürzt.
Erlösung bleibt aus
„Ich wollte einfach weg von der Welt“, sagt Agnes bei ihrer letzten Beichte. Aber so einfach hat es ihr der liebe Gott nicht gemacht. Plaschg dabei zuzuschauen, wie sich ihre Agnes bis zum Äußersten in ihren „verrückten Gedanken“ verrennt, hinterlässt einen bestürzenden Eindruck. Irgendwann wird die Leinwand schwarz. Die Erlösung bleibt aus.