Ralph Fiennes + Isabella Rossellini

Konklave

Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto) (1.v.l.) hat große Ambitionen. Foto: Courtesy of Focus Features, © 2024 All Rights Reserved.
(Kinostart: 21.11.) In den Verliesen des Vatikans: Wie eine Papstwahl genau abläuft, wissen nur die beteiligten Kardinäle. Den sehr realistischen Dokufiction-Roman von Robert Harris hat Oscar-Preisträger Edward Berger verfilmt: als fesselndes Kleriker-Ränkespiel, das aber dem Glauben seine Wahrheit lässt.

In unserer von Satelliten, Überwachungskameras und Drohnen flächendeckend dauerbeobachteten Welt gibt es nicht mehr viele Orte, die Außenstehenden verborgen bleiben – also ein Geheimnis bergen. Ein solcher geheimnisumwitterter Ort ist das Konklave: die Versammlung aller wahlberechtigten Kardinäle, um nach dem Tod eines Papstes seinen Nachfolger zu bestimmen.

 

Info

 

Konklave

 

Regie: Edward Berger,

120 Min., Großbritannien/ USA 2024;

mit: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, Isabella Rossellini

 

Weitere Informationen zum Film

 

Wie diese Wahlgänge ablaufen, ist genau festgelegt – doch alle Details sind nur den beteiligten Kardinälen bekannt. Sie werden dafür von der Außenwelt isoliert; jeder Kontakt nach draußen wird unterbunden. Einerseits, um sie zu einer raschen Einigung zu drängen; andererseits, um jede Einflussnahme von außen zu verhindern. Seit 1878 findet das Konklave in der Sixtinischen Kapelle statt, seit 1996 wohnen die Kardinäle währenddessen im „Domus Sanctae Marthae“, dem Gästehaus des Vatikans – vorher mussten sie in der Kapelle übernachten.

 

Szenarium möglichst nah an Realität

 

Über das einzigartige Verfahren der Papstwahl hat der britische Autor Robert Harris 2016 einen gleichnamigen Roman veröffentlicht. Seit seinem Weltbestseller „Vaterland“ von 1992 über eine Welt, in der die Nazis den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, gilt Harris als Meister der Dokufiction. In seinen Werken entwirft er Politthriller-Szenarien, die möglichst nah an der Realität angesiedelt sind. Auch für „Konklave“ hat er ausgiebig recherchiert – um dann dem Wahlvorgang nicht nur erstaunliche Wendungen, sondern auch ein verblüffendes Ergebnis zu geben.

Offizieller Filmtrailer


 

Nach Schlachten-Epos nun Kurien-Kammerspiel

 

Dieses Buch hat Edward Berger verfilmt: Mit insgesamt vier Oscars 2023 für „Im Westen nichts Neues“ nach dem Antikriegs-Klassiker von Erich Maria Remarque hat der gebürtige Wolfsburger erreicht, was man als deutschsprachiger Regisseur erreichen kann. Da dürfte ihm die Auswahl seines nächsten Filmstoffs nicht leicht gefallen sein. Er entschied sich abermals für eine Romanverfilmung – nach seinem Schlachten-Epos diesmal für ein Kurien-Kammerspiel.

 

In dem alle wichtigen Figuren hochkarätig besetzt sind: Ralph Fiennes verkörpert den Kardinaldekan Lawrence, der als Vorsitzender des Kardinalkollegiums quasi der zweithöchste Amtsträger der Katholischen Kirche nach dem Papst ist – ihm obliegt die Leitung des Konklaves. Er ist befreundet mit Kardinalstaatssekretär Bellini, den Stanley Tucci als liberalen Feuerkopf gibt.

 

Unbekannter Kardinal in pectore

 

Sein ideologischer Widersacher ist der konservative Patriarch von Venedig Tedesco (Sergio Castellitto), der alle Traditionalisten anspricht. Als mächtigster Gegenspieler erweist sich jedoch der für Missionierung zuständige Kardinal Tremblay (John Lithgow). Auf zahlreiche Anhänger stützt sich zudem der afrikanische Kardinal Adeyemi; er könnte der erste schwarze Papst werden. In diesem Männerklub spielt nur eine Frau mit: Isabella Rossellini führt als Schwester Agnes das Gästehaus, was ihr allerlei Einblicke erlaubt.

 

Zudem beginnt das Konklave mit einer faustdicken Überraschung: einem Akteur, den keiner kennt. Ein Neuankömmling namens Benitez behauptet, in den Diözesen Kabul und Bagdad als Kardinal in pectore gewirkt zu haben. Solche Geheim-Ernennungen gibt es tatsächlich, wenn der Betreffende etwa mit politischen Repressionen zu rechnen hätte, sobald seine Ernennung zum Kardinal bekannt würde. Da Benitez Belege für seinen Status vorweisen kann, lässt Lawrence ihn zum Konklave zu.

 

Keine Lichtgestalt unter Protagonisten

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Im Westen nichts Neues" – Verfilmung des Antikriegs-Romans von Erich Maria Remarque durch Edward Berger, prämiert mit vier Oscars 2023

 

und hier eine Besprechung des Films "Die Bologna Entführung – Geraubt im Namen des Papstes" – authentischen Fall von legaler Kindesentführung durch die Kirche von Marco Bellocchio

 

und hier einen Beitrag über den Film "The Pope’s Exorcist" – Klerial-Schocker über einen Exorzisten der Diözese Rom von Julius Avery mit Russell Crowe

 

und hier einen Bericht über den Film "Verteidiger des Glaubens – das Scheitern eines Papstes" – Doku über Josef Ratzinger und sein Pontifikat als Benedikt XVI. von Christoph Röhl.

 

Nun folgt ein Urnengang dem nächsten – mit allen Winkelzügen, Hinterzimmer-Absprachen, Fehltritten und Bestechungsversuchen, die man sich nur vorstellen kann. Autor Harris bedient jeden denkbaren Argwohn gegen machthungrige und intrigante Kleriker, und Regisseur Berger malt diese Szenen so plausibel wie lustvoll aus. Allerdings mit unparteiischer Äquidistanz: Kein Protagonist erscheint als Lichtgestalt, jeder hat eine oder mehrere Leichen in den Verliesen des Vatikans – und kaschiert sie mit ausgesucht salbungsvollen Worten.

 

Das gilt auch für die Liberalen, mit denen der Autor unverkennbar sympathisiert. Stanley Tucci als Bellini kann zwar den Teufel an die Wand malen, was der Kirche beim Sieg der Traditionalisten drohen würde. Aber er scheut die offene Auseinandersetzung mit ihnen und kneift, so dass er früh aus dem Rennen fliegt. Jetzt ruhen die Hoffnungen der Liberalen auf Lawrence, der alle Ambitionen auf den Heiligen Stuhl abstreitet – aber im Vertrauen einräumt, er habe sich schon einen Papstnamen ausgesucht.

 

Ohne Zweifel keinen Glauben

 

Was dieses Ränkespiel indes von beliebigen Kämpfen um profane Machtpositionen unterscheidet, ist der Glaube. Genauer: die Lehre einer Kirche, deren Reich letzlich nicht von dieser Welt ist, auch wenn sie in ihr kräftig mitmischt. Und dieser Glaube bedeutet manchen Protagonisten viel: Lawrence hadert mit sich und fürchtet, ihn verloren zu haben, darf aber nicht demissionieren. Seine Predigt bei der Eröffnungsmesse könnte zu den eindrucksvollsten Reden zählen, die je auf der Leinwand gehalten wurden. Die Sünde, die er am meisten fürchte, sei die Gewissheit, bekennt Lawrence: Ohne Zweifel „gäbe es kein Mysterium und folglich keinen Grund für den Glauben“.

 

Solche tiefgründigen Einsichten in das Wesen von Religion hört man selten im Kino. Da verzeiht man dem Film gern eine Auflösung, die arg nach Anbiederung an den Zeitgeist aussieht – auch wenn sie auf eine Legende aus dem 9. Jahrhundert zurückgeht.