Vorsicht vor fremden Männern, die Süßigkeiten anbieten! Die Missionarinnen Schwester Paxton (Chloe East) und Schwester Barnes (Sophie Thatcher) müssten es eigentlich besser wissen. Das nach dem Zufallsprinzip zusammengestellte Paar durchstreift ein Provinzkaff in Colorado, fest entschlossen, wenigstens einen der Einwohner von ihrem mormonischen Glauben zu überzeugen.
Info
Heretic
Regie: Scott Beck + Bryan Woods,
110 Min., USA 2024;
mit: Hugh Grant, Sophie Thatcher, Chloe East
Weitere Informationen zum Film
Missionarinnen in der Falle
Doch die sind so begierig, ihre Botschaften zu verkünden, dass sie sogar versuchen, seine teilweise übergriffigen Fragen zu beantworten. Zunehmend wird ihnen aber klar, dass der Mann keineswegs einen neuen Glauben annehmen möchte. Es gibt auch keine Kuchen backende Gattin. Dafür scheint das merkwürdig eingerichtete Haus von innen größer zu sein als von außen.
Offizieller Filmtrailer
Tödliches Mansplaining
Das Regie führende Duo Scott Beck und Bryan Woods hat sich mit dem Drehbuch für den Film „A Quiet Place“ (2018) für das Horror-Genre empfohlen. Darin kämpft eine Familie nach einer Invasion von Aliens ums Überleben – indem sie sich ganz, ganz leise verhält, da die gefräßigen Eindringlinge scharfe Hörorgane haben und vor allem auf Geräusche reagieren.
Ums Überleben geht es auch in diesem weitgehend auf die drei Hauptfiguren konzentrierten Kammerspiel. Typisch fürs Genre sind der männliche Bösewicht und seine jungen und weiblichen potentiellen Opfer. Die naheliegende Figur des dozierenden älteren Herrn, der natürlich alles besser weiß, spielt lediglich unterschwellig eine Rolle – und nur so lange, wie der Schlagabtausch noch rein verbal abläuft.
Schwester Barnes schöpft Verdacht
Vor allem die abgeschottet aufgewachsene Schwester Paxton ist von Reeds rhetorischem Feuerwerk eingeschüchtert und versucht, mit ihren religiösen Überzeugungen dagegenzuhalten. Schwester Barnes hingegen hat trotz ihrer Jugend schon viel gesehen; sie schöpft als erste Verdacht, dass Mr. Reeds Charme nur Fassade ist. Der gemütliche Herr in der Papa-Strickjacke hegt nämlich reichlich krude Ansichten über die Welt.
Offenbar hat der Hobbyphilosoph irgendwann die Bodenhaftung verloren. Redselig breitet er seine wilden Theorien über Popkultur und Religion vor den leicht naiven jungen Frauen aus. Hugh Grant spielt das schön doppelbödig und süffisant. Dabei entbehrt seine selbst zusammengebasteltes Privatreligion nicht einer gewissen Komik; etwa wenn er Analogien zum Gesellschaftsspiel „Monopoly“ verwendet oder den Song „The Air That I Breathe“ (1974) von The Hollies auf einem alten Plattenspieler in Dauerschleife abspielt – er war die Vorlage der ersten Single „Creep“ der Band „Radiohead“.
Wahl zwischen Glaube und Tod
Da sitzen die Missionarinnen bereits in Reeds verwinkelter Bibliothek. Sie werden bald auch den Rest des vertrackt konstruierten Hauses kennenlernen, das tief in den felsigen Untergrund gebaut ist und noch einige Überraschungen bereithält. Und sie werden vor die Wahl gestellt, an ihrem Glauben festzuhalten oder zu sterben. Denn eines steht für Reed fest: Religion bedeutet Kontrolle, und die will er auch haben.
Hintergrund
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Ein selbsternannter Häretiker
Je tiefer sich die Handlung ins Innere des Hauses verlagert, desto spärlicher werden die Lichtquellen. Dabei existiert dieses labyrinthische Haus auch als Modell: Wie ein Autor, der sich eine Geschichte ausdenkt, schnitzt Mr. Reed Figuren und positioniert sie in den Räumen seines Spielfelds. Nur endet die Geschichte anders als von ihm geplant. Das macht die konventionelle Horror-Story auch für weniger Hartgesottene erträglich.
Gleichzeitig kann man hier einen Wendepunkt in Hugh Grants Schauspielkarriere miterleben: vom verschusselten Charmeur zum hintergründigen Fiesling. Obwohl die beiden jungen Darstellerinnen durchaus überzeugen, bleibt seine Leistung als selbsternannter Häretiker überragend. Daher ist es nicht so wichtig, dass der Plot einige dramaturgische und logische Schwächen aufweist und das Ende recht vorhersehbar ausfällt.