Leipzig

Impuls Rembrandt – Lehrer, Stratege, Bestseller

Rembrandt (Werkstatt): Kostümstudie eines alten Mannes in Rüstung (sog. Mann mit dem Goldhelm), Detail, 1650/55, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie. Fotoquelle: Museum der bildenden Künste Leipzig
Rembrandt als Erzieher: Rund 50 Schüler zahlten horrendes Lehrgeld, um im Atelier des Meisters seine Werke kopieren zu dürfen. Seine Rolle als Vorbild, das Generationen von Malern prägte, will das Museum der bildenden Künste beleuchten – doch es verzettelt sich mit einem vagen und diffusen Konzept.

Rembrandt Harmensz van Rijn (1606-1669) war nicht nur einer der berühmtesten und einflussreichsten Künstler aller Zeiten. Sondern auch ein gefragter Lehrer: Im Lauf der Jahrzehnte beschäftigte er in seiner Werkstatt rund 50 Schüler und Gesellen, die seine Malweise kopierten und ihr weite Verbreitung sicherten. Da erscheint die Frage, was und wie Rembrandt lehrte, ein lohnendes Ausstellungs-Sujet.

 

Info

 

Impuls Rembrandt
Lehrer, Stratege, Bestseller

 

03.10.2024 - 26.01.2025

 

täglich außer montags 10 bis 18 Uhr,

mittwochs 12 bis 20 Uhr

im Museum der bildenden Künste, Katharinenstraße 10, Leipzig

 

Katalog 29,90 €

 

Weitere Informationen zur Ausstellung

 

Nun hängt die Güte jedes Unterrichts – wie jeder weiß, der schon einmal anderen etwas beigebracht hat – von seiner Struktur ab: Gegenstand und Methode müssen klar definiert und passend gegliedert sein. Danach geht es Schritt für Schritt: Am besten sollte jede Lerneinheit inhaltlich auf den Ergebnissen der vorangegangenen aufbauen. Wechselbezüge zwischen den Einheiten erlauben, das Gelernte einzuprägen; Exkurse ermöglichen, es zu vertiefen.

 

Eleven in drei Karriere-Phasen

 

Dieses Einmaleins der Wissensvermittlung wird von „Impuls Rembrandt“ souverän ignoriert. Obwohl es sich bei diesem Thema geradezu aufdrängt: Zwar kennt man nicht sämtliche Schüler namentlich, doch die Umstände, unter denen sie bei und für Rembrandt arbeiteten, sind recht genau bekannt. Ebenso die wichtigsten Eleven in den drei Hauptphasen seiner Karriere, die anschließend selbst renommierte Künstler im „Goldenen Zeitalter“ der Niederlande wurden.

Impressionen der Ausstellung


 

Zehn Meisterschüler in vier Dekaden

 

Am Anfang von Rembrandts Laufbahn, als er sich in der zweiten Hälfte der 1620er Jahre in seiner Geburtsstadt Leiden mit seinem Freund und späteren Konkurrenten Jan Lievens ein Atelier teilte, war Gerrit Dou sein wichtigster Schüler. Nach seinem Umzug nach Amsterdam 1631, als er zum hochbezahlten Historien- und Porträtmaler aufstieg, wurden Govert Flinck, Ferdinand Bol und Gerbrand van den Eeckhout seine wichtigsten Mitarbeiter.

 

In Rembrandts Glanzzeit in den 1640er Jahren bildete er Carel Fabritius und Samuel van Hoogstraten aus. Und selbst während seines allmählichen Abstiegs in den 1650/60er Jahren – ihn plagte Geldmangel, denn sein Stil traf den Zeitgeschmack nicht mehr so recht – scharte er noch hervorragende Schüler um sich: von Willem Drost und Nicolaes Maes über Abraham Dijck bis zu Aert de Gelder.

 

Jahresgebühr von 5000 Euro

 

Sie zahlten einen hohen Preis: Rembrandt verlangte jährlich 100 Gulden Lehrgeld ohne Kost und Logis. Das war exorbitant teuer und entsprach nach heutiger Kaufkraft rund 5000 Euro. Dafür mussten sie auf dem Dachboden seines Hauses oder in Atelierräumen Rembrandts Werke kopieren oder variieren – zudem verkaufte der Meister ihre Arbeiten auf eigene Rechnung.

 

Ein damals nicht unüblicher Mix aus Spitzentraining und Ausbeutung: Wäre er nicht eine präzise Darstellung wert? Zumal Rembrandt mehrere Generationen von Schülern ausbildete, deren Schöpfungen sich zeitlich und stilistisch vergleichen ließen. Doch solch eine systematische Behandlung empfinden die Kuratoren offenbar als reizlos. Stattdessen beschreibt Stefan Weppelmann, Direktor des Museums der bildenden Künste (MdbK) die Schau als „einen kunsthistorischen Essay, der aus der spezifischen Leipziger Perspektive – ausgehend vom Sammlungsbestand und der Sammlungsgeschichte – von der Wirkmacht des Künstlers als Lehrer und seiner Werkstatt erzählt“.

 

Vage Ähnlichkeiten, triviale Thesen

 

Nun sind Essays die offenste aller literarischen Formen, ohne Begründungszwänge. Und erzählen darf man alles, was Leser oder Zuhörer irgendwie fesseln könnte. Genau das macht diese Ausstellung in fünf Abteilungen. Deren vieldeutige Titel wie „Rembrandt als Bildregisseur“, „Die Entdeckung des Gesichts“ oder „Gefühl und Menschlichkeit im Alltag“ erlauben ihr, rund 140 Gemälde und Grafiken nach vagen Ähnlichkeiten anzuordnen. Garniert mit leicht wolkigen Thesen wie „Rembrandt war ein Bildregisseur, der Handlungen – oft biblische Geschichten – möglichst dramatisch und zugleich möglichst realistisch inszenierte“. Das wüsste man gern ein wenig genauer.

 

Mal erschließen sich die Bezüge, mal nicht – oder nur bei intensivem Katalogstudium. Insgesamt wirkt die Hängung streckenweise etwas beliebig. Wobei nur neun Gemälde von Rembrandt selbst stammen; dazu kommen 46 Zeichnungen und Radierungen, meist kleine Arbeiten. Allein von seinem Schüler Ferdinand Bol sind zwölf Werke zu sehen, von seinem Ex-Kompagnon und späteren Rivalen Jan Lievens weitere sieben. Da wird der beeindruckende Begriff „Wirkmacht“ sehr großzügig ausgelegt.

 

Geschlachtetes Schwein + Ochse

 

Doch nur selten werden die behaupteten Korrespondenzen tatsächlich anschaulich. Wie etwa beim großformatigen Ölgemälde „Kreuzigung“, das Rembrandts Lehrer Pieter Lastman 1616 schuf: Für seine Kaltnadel-Grafik „Die drei Kreuze“ (1653) übernahm Rembrandt sowohl das Kompositionsschema als auch die dramatische Lichtregie. In anderen Fällen verweisen die Exponate eher auf Abwesendes.

 

Etwa das kleinformatige Gemälde „Das geschlachtete Schwein“ (um 1640), das Isack van Ostade zugeschrieben wird: Mit der Rembrandt-Federzeichnung „Männer, einen Ochsen schlachtend“ (um 1635/40) links daneben verbindet es außer dem blutigen Thema nichts. Dagegen erinnert das Motiv eines aufgespannten Kadavers sehr an Rembrandts berühmtes Gemälde eines „Geschlachteten Ochsen“ (1655) im Louvre – das vermutlich nicht zur Verfügung stand.

 

Beliebte Gattung der Tronien

 

Zudem wirft die Schau Fragen auf, die sie unbeantwortet lässt. So in der Abteilung zu „Tronie und Porträt“: Unter Tronien verstand man Bilder von einem Kopf oder einem Gesichtsausdruck, die einen bestimmten Menschentyp wie Greise und Kinder oder eine Gemütslage wie Freude und Schwermut darstellen sollten. Sie wurden zu Studienzwecken zu großer Zahl angefertigt, waren aber als Gattung bei Käufern und Sammlern sehr beliebt. Auch das Prunkstück der Schau, das lebensgroße Bildnis „Mann im orientalischen Kostüm“ aus dem New Yorker Metropolitan Museum, das Rembrandt 1632 anfertigte, ist eine Tronie; ebenso der berühmte „Mann mit dem Goldhelm“ (1650/55) aus der Berliner Gemäldegalerie.

 

In der entsprechenden Abteilung werden aber Tronien und reale Porträts bunt gemischt. Natürlich ist die Unterscheidung schwierig – aber wäre es nicht die Aufgabe einer Ausstellung, ihre Merkmale herauszuarbeiten und dadurch den Blick dafür zu schärfen? Stattdessen belässt sie es bei amüsanten Hinweisen wie dem, das die „Alte Frau im Fenster“ (um 1665) von Bartolomäus van der Elst unziemlich jugendlich gekleidet ist.

 

Prägnante Konzepte für originelle Ansätze

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam" – hervorragende Analyse des damaligen Kunstmarkts im Städel Museum, Frankfurt am Main

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Inside Rembrandt – 1606-1669" – eindrucksvolle Werkschau, als Quasi-Drama inszeniert, im Wallraf-Richartz-Museum, Köln

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Barock – Nur schöner Schein?" mit Werken von Rembrandt in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim.

 

Keine Frage: Rembrandt zählt zu den am besten erforschten und dokumentierten Künstlern überhaupt. Will man ihn ausstellen, sollte man einen Ansatz finden, der noch nicht so abgegriffen ist. Wie es etwa 2021 dem Städel Museum in Frankfurt am Main gelang, als es in „Nennt mich Rembrandt!“ seine Stellung im niederländischen Kunstmarkt analysierte. Oder dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum, das 2020 seinen Lebensweg als Theaterstück in fünf Akten inszenierte – ein wenig melodramatisch, aber sehr eindrucksvoll.

 

Auch der Vergleich von Rembrandts Werk mit dem von Weggefährten und Schülern kann sehr ergiebig sein. Das beweist derzeit das Kunsthistorische Museum in Wien mit der Schau „Rembrandt – Hoogstraten. Farbe und Illusion“ über das Verhältnis zu seinem Schüler Samuel van Hoogstraten (1627-1678), der sich nach seiner Lehrzeit der intimistischen Genre- und Feinmalerei zuwandte.

 

Die drei genannten Rembrandt-Ausstellungen haben trotz aller Unterschiede eines gemeinsam: ein prägnantes Konzept, das konsequent umgesetzt wurde bzw. wird. Das fehlt der Schau im MdbK; sie will alles Mögliche antippen und verzettelt sich dabei. Exakt das Gegenteil einer gut strukturierten Lerneinheit.