
Ein globaler Evergreen: Rund 30 filmische Adaptionen verzeichnet das Internet von Alexandre Dumas‘ Romanklassiker seit der ersten Verfilmung im Jahr 1908 – TV-Serien und freie, an ägyptische oder japanische Verhältnisse angepasste Versionen mit eingerechnet. Das ist nur etwas weniger als die Zahl der Verfilmungen der „Drei Musketiere“, die kürzlich eine neue, historisch korrekte Bearbeitung erfahren haben. Trotz Eva Green in einer tragenden Rolle war dieser Film jedoch nur an französischen Kinokassen ein Erfolg.
Info
Der Graf von Monte Christo
Regie: Matthieu Delaport und Alexandre de La Patellière,
178 Min., Frankreich/ Belgien 2024;
mit: Pierre Niney, Bastien Bouillon, Anaïs Demoustier
Weitere Informationen zum Film
Ein Kapitän von 19 Jahren
Alles beginnt im Jahr 1815. Napoleon Bonaparte hat endgültig abgedankt und ist nach St. Helena verbannt worden. Für die Hauptfigur Edmond Dantès (Pierre Niney) geht das Leben nun erst richtig los, und es verspricht wunderbar zu werden. Mit gerade einmal 19 Jahren soll er als Kapitän das Kommando über ein Schiff bekommen; nun kann er endlich seine Jugendliebe Mercédes (Anaïs Demoustier) heiraten.
Offizieller Filmtrailer
Verhaftung, Flucht und Rache
Das weckt jedoch den Neid seiner angeblichen Freunde aus der Marseiller Gesellschaft. Sie schieben ihm falsche Dokumente unter, die ihn als unverbesserlichen Bonapartisten denunzieren, also als Anhänger des verbannten Kaisers. Er wird zunächst verhaftet und alsbald ohne echten Prozess auf die berüchtigte Gefängnisinsel Château d’If auf der Küste vor Marseille verfrachtet. Nach dem Willen seiner Widersacher soll er hier bis ans Lebensende schmoren.
Mit Hilfe eines Mitgefangenen, der ihm noch die Koordinaten eines riesigen Piratenschatzes auf der Insel Monte Christo mitgibt, gelingt ihm nach 14 Jahren Haft eine abenteuerliche Flucht. Nachdem er sich den Schatz angeeignet hat, verfügt er über quasi unerschöpflichen Reichtum und eine neue Identität. Jetzt kann es Edmond allen heimzahlen, die ihn um viele Lebensjahre betrogen haben. Die Ränke, die er dafür schmiedet, stehen den ihren in nichts nach; echte Befriedigung wird er dabei dennoch nicht finden.
Fortsetzungsroman im authentischen Look
Wie viele populäre Romane des 19. Jahrhunderts erschien „Der Graf von Monte Christo“ zunächst über zwei Jahre verteilt als Fortsetzungen in einer Zeitschrift und hatte schon dort durchschlagenden Erfolg. Diese Erscheinungsweise ist auch der Grund für die Unmengen überraschender Wendungen, mit denen die Erzählung aufwartet. Auch im 19. Jahrhundert wollte das zahlende Publikum spannend unterhalten werden. So kann sich die Verfilmung auf einen erprobten Spannungsbogen verlassen.
Dem fügt das Drehbuch des Regie-Duos auch nichts Überflüssiges hinzu. Es orientiert sich in der Abfolge der Ereignisse an der Verfilmung von 1954 mit Jean Marais. 70 Jahre später ist deren künstlicher Studio-Look aber passé. Stattdessen lässt man das historische Marseille optisch wiedererstehen; teilweise wurde auch an Originalschauplätzen wie dem mittelalterlichen Burggefängnis Château d’If gedreht, wo die Gefangenen mit Seilen in Löcher herabgelassen werden. Ob sie noch leben, wird durch Zuruf ermittelt.
Der Mann mit der doppelten Maske
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Drei Musketiere – D'Artagnan" – Neuverfilmung des Abenteuerromans von Alexandre Dumas durch Martin Bourboulon
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und hier einen Bericht über den Film "Les Miserables" – opulente Musical-Adaption von Tom Hooper nach dem Roman-Klassiker von Victor Hugo
und hier einen Beitrag über den Film "Jane Eyre" – formvollendete Verfilmung des Romans von Charlotte Brontë durch Cary Fukunaga mit Mia Wasikowska.
Ein Zeitsprung von weiteren neun Jahren zeigt den nunmehr schwerreichen, selbsternannten Grafen gut vorbereitet für seinen Rachefeldzug. Wunderte man sich bisher immer, warum niemand den äußerlich kaum veränderten Edmond wiedererkennt, machen die Regisseure das mit einer einfachen Requisite plausibel. Für die Treffen mit seinen einstigen Bekannten trägt der Graf nun eine Maske, hinter die nur Mercédes zu blicken vermag. Edmond vollführt also eine doppelte Maskerade und ist somit auch physisch von seinem einstigen, unschuldigen Selbst entfernt.
Zeitlose Geschichte mit glaubhaften Darstellern
Dieses schlummert jedoch immer noch unter dem Mantel der Rachsucht, und es bleibt Mercédes vorbehalten, wieder daran zu rühren. Nicht nur diese menschliche Komponente macht den Film auf angenehme Weise altmodisch. Man hat auch auf visuelle Modernisierungen wie schnelle Schnitte oder ausgeklügelte Blickwinkel in Kampfszenen verzichtet, wie sie Hollywood fast zwanghaft benutzt. Hier steht die kraftvolle, zeitlose Geschichte im Fokus, die mit glaubhaften Darstellern immer wieder neu zu unterhalten vermag, selbst bei einer Laufzeit von drei Stunden.