Pierre Niney

Der Graf von Monte Christo

Edmond Dantés (Pierre Niney) will sich rächen. Foto: capelight pictures
(Kinostart: 23.1.) Der Dauerbrenner unter den Racheengeln: Die klassische Abenteuergeschichte von Alexandre Dumas ist ein erprobter Filmstoff. Kein Grund zum Gähnen: Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière machen in ihrer Kino-Verfilmung des stilbildenden Fortsetzungsromans alles richtig.

Ein globaler Evergreen: Rund 30 filmische Adaptionen verzeichnet das Internet von Alexandre Dumas‘ Romanklassiker seit der ersten Verfilmung im Jahr 1908 – TV-Serien und freie, an ägyptische oder japanische Verhältnisse angepasste Versionen mit eingerechnet. Das ist nur etwas weniger als die Zahl der Verfilmungen der „Drei Musketiere“, die kürzlich eine neue, historisch korrekte Bearbeitung erfahren haben. Trotz Eva Green in einer tragenden Rolle war dieser Film jedoch nur an französischen Kinokassen ein Erfolg.

 

Info

 

Der Graf von Monte Christo

 

Regie: Matthieu Delaport und Alexandre de La Patellière,

178 Min., Frankreich/ Belgien 2024;

mit: Pierre Niney, Bastien Bouillon, Anaïs Demoustier

 

Weitere Informationen zum Film

 

Was bedauerlich ist, denn dieser Versuch, das Genre des handgemachten Abenteuerfilms ohne übertriebene Spezialeffekte zu entstauben, ist durchaus gelungen. Für das Drehbuch zeichneten Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière verantwortlich. Nun setzen sie als Regisseure des „Grafen von Monte Christo“ auf eine ähnliche Strategie. An der Geschichte mussten sie dafür nichts ändern, denn sie bietet zur Genüge, was das Herz begehrt: Intrigen, Mord, Liebe, Rache und Selbstjustiz.

 

Ein Kapitän von 19 Jahren

 

Alles beginnt im Jahr 1815. Napoleon Bonaparte hat endgültig abgedankt und ist nach St. Helena verbannt worden. Für die Hauptfigur Edmond Dantès (Pierre Niney) geht das Leben nun erst richtig los, und es verspricht wunderbar zu werden. Mit gerade einmal 19 Jahren soll er als Kapitän das Kommando über ein Schiff bekommen; nun kann er endlich seine Jugendliebe Mercédes (Anaïs Demoustier) heiraten.

Offizieller Filmtrailer


 

Verhaftung, Flucht und Rache

 

Das weckt jedoch den Neid seiner angeblichen Freunde aus der Marseiller Gesellschaft. Sie schieben ihm falsche Dokumente unter, die ihn als unverbesserlichen Bonapartisten denunzieren, also als Anhänger des verbannten Kaisers. Er wird zunächst verhaftet und alsbald ohne echten Prozess auf die berüchtigte Gefängnisinsel Château d’If auf der Küste vor Marseille verfrachtet. Nach dem Willen seiner Widersacher soll er hier bis ans Lebensende schmoren.

 

Mit Hilfe eines Mitgefangenen, der ihm noch die Koordinaten eines riesigen Piratenschatzes auf der Insel Monte Christo mitgibt, gelingt ihm nach 14 Jahren Haft eine abenteuerliche Flucht. Nachdem er sich den Schatz angeeignet hat, verfügt er über quasi unerschöpflichen Reichtum und eine neue Identität. Jetzt kann es Edmond allen heimzahlen, die ihn um viele Lebensjahre betrogen haben. Die Ränke, die er dafür schmiedet, stehen den ihren in nichts nach; echte Befriedigung wird er dabei dennoch nicht finden.

 

Fortsetzungsroman im authentischen Look

 

Wie viele populäre Romane des 19. Jahrhunderts erschien „Der Graf von Monte Christo“ zunächst über zwei Jahre verteilt als Fortsetzungen in einer Zeitschrift und hatte schon dort durchschlagenden Erfolg. Diese Erscheinungsweise ist auch der Grund für die Unmengen überraschender Wendungen, mit denen die Erzählung aufwartet. Auch im 19. Jahrhundert wollte das zahlende Publikum spannend unterhalten werden. So kann sich die Verfilmung auf einen erprobten Spannungsbogen verlassen.

 

Dem fügt das Drehbuch des Regie-Duos auch nichts Überflüssiges hinzu. Es orientiert sich in der Abfolge der Ereignisse an der Verfilmung von 1954 mit Jean Marais. 70 Jahre später ist deren künstlicher Studio-Look aber passé. Stattdessen lässt man das historische Marseille optisch wiedererstehen; teilweise wurde auch an Originalschauplätzen wie dem mittelalterlichen Burggefängnis Château d’If gedreht, wo die Gefangenen mit Seilen in Löcher herabgelassen werden. Ob sie noch leben, wird durch Zuruf ermittelt.

 

Der Mann mit der doppelten Maske

 

Hintergrund

 

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und hier einen Beitrag über den Film "Jane Eyre" – formvollendete Verfilmung des Romans von Charlotte Brontë durch Cary Fukunaga mit Mia Wasikowska.

 

Ein Ausbruch scheint allein wegen der dicken Wände unmöglich, und so verbringen Edmond und sein Zellengenosse, ein unliebsamer Priester, Jahre damit, sich in Richtung Meer zu graben. Allein diese Episode nimmt schon ein gutes Drittel des dreistündigen Streifens ein. Es betont in seiner visuellen Intimität das ungerechte Leiden der Hauptfigur und motiviert gründlich ihren Rachedurst. Nach der geglückten Flucht schwelgen die Bilder in satten Mittelmeerfarben, um später nach Edmonds Rückkehr ins städtische Marseille gedämpfter zu werden.

 

Ein Zeitsprung von weiteren neun Jahren zeigt den nunmehr schwerreichen, selbsternannten Grafen gut vorbereitet für seinen Rachefeldzug. Wunderte man sich bisher immer, warum niemand den äußerlich kaum veränderten Edmond wiedererkennt, machen die Regisseure das mit einer einfachen Requisite plausibel. Für die Treffen mit seinen einstigen Bekannten trägt der Graf nun eine Maske, hinter die nur Mercédes zu blicken vermag. Edmond vollführt also eine doppelte Maskerade und ist somit auch physisch von seinem einstigen, unschuldigen Selbst entfernt.

 

Zeitlose Geschichte mit glaubhaften Darstellern

 

Dieses schlummert jedoch immer noch unter dem Mantel der Rachsucht, und es bleibt Mercédes vorbehalten, wieder daran zu rühren. Nicht nur diese menschliche Komponente macht den Film auf angenehme Weise altmodisch. Man hat auch auf visuelle Modernisierungen wie schnelle Schnitte oder ausgeklügelte Blickwinkel in Kampfszenen verzichtet, wie sie Hollywood fast zwanghaft benutzt. Hier steht die kraftvolle, zeitlose Geschichte im Fokus, die mit glaubhaften Darstellern immer wieder neu zu unterhalten vermag, selbst bei einer Laufzeit von drei Stunden.