Rooney Mara

La Cocina – Der Geschmack des Lebens

Auch Max (Spencer Granese) hat ein Auge auf Julia (Rooney Mara) geworfen. Foto: © SquareOne Entertaiment
(Kinostart: 16.1.) Sie werden platziert: In einem New Yorker Großraum-Restaurant der 1980er Jahre läuft alles wie am Schnürchen – bis ein falscher Verdacht und hochkochende Leidenschaften das Menü völlig durcheinander bringen. Turbulente Gastro-Tragikomödie von Regisseur Alonso Ruizpalacios.

Im „The Grill“ ist die Hölle los. Dabei ist das Restaurant noch geschlossen; dem beliebtem Touristen-Lokal am New Yorker Times Square Mitte der 1980er Jahre steht das chaotische Mittagsgeschäft noch bevor. Dafür laufen unten in der Küche die Vorbereitungen längst auf Hochtouren; oben in den Gasträumen wird geputzt oder poliert, und lebendige Hummer landen im Aquarium.

 

Info

 

La Cocina –
Der Geschmack des Lebens

 

Regie: Alonso Ruizpalacios,

139 Min., USA/ Mexiko 2024;

mit: Rooney Mara, Raúl Briones, Anna Diaz, Motell Foster

 

Weitere Informationen zum Film

 

Doch es gibt ein Problem: In der Kasse vom Vorabend fehlt eine hübsche Stange Geld. Besitzer Rashid ist außer sich; deshalb will sein Manager den Dieb unbedingt finden. Bald fällt sein Verdacht auf Pedro (Raúl Briones). Der mexikanische Koch arbeitet schon seit drei Jahren im Restaurant – ohne US-Aufenthaltsgenehmigung, aber voller Energie und Hoffnung, dass er es weiter bringen wird.

 

Koch liebt Kellnerin

 

Unter den Angestellten weiß jeder, dass Pedro eine Affäre mit der kessen Kellnerin Julia (Rooney Mara) hat. Sie ist schwanger, will aber das Kind nicht behalten. Die Kosten für eine Abtreibung betragen 800 US-Dollar – das ist ungefähr die Summe, die verschwunden ist.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Wie Seeleute auf schwankendem Deck

 

In dieses Durcheinander stolpert die junge Estella (Anna Díaz), die gerade erst in New York angekommen ist. Sie kennt Pedro aus Kindertagen; beide stammen aus derselben Kleinstadt. Aber das hilft ihr wenig, als sie auf Probe neben ihm an den Herdplatten steht. In dieser Großküche herrscht extreme Hektik, jeder kämpft für sich allein. Als der Getränke-Automat kaputt geht und den Boden mit Cherry Coke überflutet, stapfen die Angestellten unbeeindruckt durch die klebrige Flüssigkeit; sie wirken wie hartgesottene Seeleute auf einem schwankenden Schiffsdeck.

 

Für solche Metaphern hat der mexikanische Regisseur Alonso Ruizpalacios ein Faible. Das verbindet ihn mit dem britischen Dramatiker Arnold Wesker, der die Vorlage für „La Cocina“ schrieb. Sein Theaterstück „The Kitchen“ ist ebenfalls voller Allegorien und Anspielungen, allerdings im London der 1950er Jahre. Aber die Parallelen liegen auf der Hand: Im Mikrokosmos einer Großküche prallen unterschiedliche Schicksale und Kulturen aufeinander. Die meisten Angestellten sind illegale Einwanderer. Ihnen ist bewusst, dass sie gnadenlos ausgebeutet werden – manche reagieren darauf mit Erbitterung, andere mit Sarkasmus.

 

Von Akkord-Arbeit zu Abend-Chaos

 

Bei seiner Verfilmung hält Regisseur Ruizpalacios an der klassischen Struktur eines Dreiakters fest: Der erste Teil schaukelt sich allmählich zu schweißtreibender Akkord-Arbeit hoch. Dann folgt eine Pause; derweil gönnen sich die Angestellten eine Zigarette auf dem Hinterhof. Dort bleibt Zeit zum Schwärmen: „Jeder von uns hat die Chance, zu träumen“, beschwört Pedro seine Kolleginnen und Kollegen: „Und keiner lacht!“

 

In der Abendschicht spitzt sich schließlich alles zu. Pedro und Julias Gefühle füreinander werden auf die Probe gestellt; gleichzeitig steigert sich der Druck auf die Belegschaft. Erst servieren sich Köche und Kellnerinnen harte Worte und unangenehme Wahrheiten, dann schlägt alles um in Verzweiflung und Gewalt. Warum? Der überforderte „The Grill“-Besitzer ist fassungslos. Er sieht sich als Wohltäter, der seinen eingewanderten Angestellten ermöglicht, ihren „amerikanischen Traum“ zu leben.

 

„Star-Spangeled Banner“ auf Spanisch

 

„Ein wenig Menschlichkeit würde nicht schaden“, sagt Estella, während sie sich ihren Weg durchs Küchengewimmel bahnt. Doch damit kommt man nicht weit, weiß Regisseur Ruizpalacios: Als Student arbeitete er selbst in der US-Systemgastronomie – diese Erfahrung habe ihn nachhaltig geprägt, sagt er.

 

Hintergrund

 

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„La Cocina“ ist Ruizpalacios‘ erster Film auf Englisch. Aber die Latinos im Küchenpersonal sprechen fast genauso viel Spanisch. Das heizt einerseits die kulturellen Spannungen zusätzlich an, sorgt aber auch für kurze Momente der Leichtigkeit: In einer Szene singt der Küchenchef, ein dauerbrüllender Choleriker, die US-Nationalhymne „Star-Spangeled Banner“ auf Spanisch und lässt dazu die Hosen herunter. Was tut man nicht alles zur Motivation seiner Mitarbeiter!

 

Bis zum berauschenden Erlebnis

 

Auch visuell schöpft der Regisseur aus dem Vollen. Der erste Eignungstest, um überhaupt einen Job im „The Grill“ zu bekommen, besteht darin, den Hintereingang zu finden. Ein Labyrinth aus Winkeln und Gängen führt in den dunklen Büro- und Küchenbereich. Aufmerksam folgt die Kamera Estella auf der verschachtelten Route zu ihrem neuen Arbeitsplatz. Wiederholt setzt Ruizpalacios solche Mittel ein, um seine Botschaft zu veranschaulichen: Hier gibt es keine geraden Wege, alles ist ungewiss.

 

Zudem durchbricht der Regisseur das samtige Schwarzweiß der Filmbilder gelegentlich, in dem er gezielt farbliche Akzente setzt. Das mag theatralisch anmuten, wie auch manche Dialoge. Doch es passt zu dieser klug durchdachten Inszenierung, die sich in ihren schönsten Momenten zum berauschenden Kinoerlebnis steigert.