Trine Dyrholm + Tim Roth

Poison – Eine Liebesgeschichte

Lucas (Tim Roth) und Edith (Trine Dyrholm) treffen nach vielen Jahren wieder aufeinander. Foto: Filmwelt Verleihagentur
(Kinostart: 30.1.) Kammerspiel auf dem Beziehungsfriedhof: Nach zehn Jahren trifft ein Ex-Paar am Grab seines Kindes wieder aufeinander. Basierend auf dem gleichnamigen Bühnenstück, wird Désirée Nosbuschs Regie-Debüt zum intensiven und exzellent gespielten Dialog-Drama über den Umgang mit Trauer.

Ein Kind zu verlieren, ist die Urangst aller Eltern. Wie lässt es sich danach weiterleben? Manche Paare rücken in der Trauer noch enger zusammen. Andere treibt der Verlust auseinander, denn Tragödien legen meist die Bruchstellen in Beziehungen offen. So war es auch bei Lucas (Tim Roth) und Edith (Trine Dyrholm).

 

Info

 

Poison – Eine Liebesgeschichte

 

Regie: Désirée Nosbusch,

Min., Luxemburg/ Niederlande/ Deutschland 2024;

mit: Trine Dyrholm, Tim Roth

 

Weitere Informationen zum Film

 

Nachdem ihr kleiner Sohn bei einem Unfall ums Leben kam, hielt Lucas es in der Beziehung nicht mehr aus und ging. Edith weiß noch genau, wann: am Silvestertag 2012 um zehn nach sieben. Sie versuchte nicht, ihn zurück zu halten. Nun treffen sie nach zehn Jahren ohne Kontakt am Grab ihres Kindes wieder aufeinander.

 

Gift sorgt fürs Wiedersehen

 

Beide haben ein Schreiben der Friedhofsverwaltung über eine mögliche Giftverseuchung der Grabstelle erhalten. Das ist, trotz des Titels, nicht das Thema des Films – nur ein Anlass, die entfremdeten Eltern an einem Ort zusammenzubringen. Zu Beginn des Films sieht man, wie sie von ihrem jeweiligen Zuhause aufbrechen.

Offizieller Filmtrailer


 

Friedhof neben Staumauer

 

Lucas schmeißt irgendwo in den Niederlanden seine Sachen in sein Auto und genehmigt sich später einen Imbiss an der grauen Meeresküste. Edith steht auf, macht sich einen Kaffee und radelt dann los. Lucas legt Muscheln auf das Grab seines Sohnes, Edith hat Blumen mitgebracht. Der Friedhof befindet sich direkt an einem Fluss, den eine gewaltige Staumauer abschließt.

 

Der traditionelle Gottesacker mit Kirche neben einem Monument moderner Ingenieurskunst bietet einen beeindruckenden Anblick. Es ist, als wäre diese brutale Betonmauer eine Manifestation der Trauer dieser zwei Menschen: ein gigantischer Block, der ihr Leben vor dem Verlust von allem trennt, was danach kommt.

 

Regie-Debüt mit Theater-Adaption

 

Dieser außergewöhnliche Drehort befindet sich in Vianden in Luxemburg. Regisseurin Désirée Nosbusch stammt selbst aus dem Großherzogtum. In den 1980er Jahren wurde sie als Moderatorin und TV-Darstellerin in der Bundesrepublik bekannt, „Poison“ markiert ihr spätes Regiedebüt.

 

Es ist eine Adaption des gleichnamigen Bühnenstückes der niederländischen Dramatikerin Lot Vekemans. Man merkt dem Film seine Herkunft vom Theater an; im Grunde besteht die Handlung daraus, dass zwei Menschen eineinhalb Stunden lang an mehr oder weniger demselben Ort in geschliffenen Sätzen miteinander sprechen.

 

Exzellente Darstellung widersprüchlicher Gefühle

 

Edith und Lucas legen gegenseitig ihre Wunden offen, sie zerfleischen einander in ihrer noch immer omnipräsenten Trauer und halten sich unverheilte Verletzungen vor. Und doch scheinen immer wieder Momente von Humor und Zärtlichkeit zwischen ihnen auf.

 

Da braucht es exzellente Darsteller wie Trine Dyrholm und Tim Roth, um ein solches Zwei-Personen-Stück zu tragen. Ohne schauspielerische Effekthascherei balancieren sie die Seelenqualen ihrer Figuren. Auf ihren zerfurchten, ungeschminkten Gesichtern drücken sich all ihre widersprüchlichen Gefühle aus: Trauer, Wut, Verbitterung, Sehnsucht, Liebe, Hoffnung.

 

Momentaufnahme zweier Leben

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Candelaria - Ein kubanischer Sommer" – Tragikomödie über altes Ehepaar, welches die Leidenschaft neu entdeckt von Jhonny Hendrix Hinestroza

 

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und hier eine Besprechung des Films "Die Königin des Nordens" – athmosphärisch dichtes Mittelalter-Epos über Margarethe I. von Charlotte Sieling mit Trine Dyrholm.

 

Auch wenn kaum etwas über die Hintergründe der Figuren enthüllt wird, werden sie lebendig. „Poison – Eine Liebesgeschichte“ ist eine Momentaufnahme. Wir erfahren nicht, woran genau die Beziehung zerbrach, oder warum es keinen Versuch gab, sie zu kitten.

 

Wir sehen nur, wie unterschiedlich beide mit dem Verlust ihres Kindes umgehen. Edith wirkt wie gefangen in ihrer Trauer; erst recht, als sie erfährt, dass Lucas mit seiner neuen Frau noch einmal Vater wird und an einem Buch über den Tod ihres Kindes arbeitet. Ein solcher Neuanfang kam für sie bisher nicht in Frage.

 

Kein Feelgood-Film

 

Neben den intensiven Gesprächen zeichnet den Film eine hervorragende Kameraarbeit aus. Während äußerlich nicht viel passiert, schaffen geschickte Schauplatzwechsel innerhalb des Friedhofs und seiner unmittelbaren Umgebung Abwechslung.

 

„Poison – Eine Liebesgeschichte“ ist kein Feelgood-Kino. Der Film gibt auch keine Anleitung zum besseren Umgang mit Verlust und Trauer, dafür sind die Protagonisten zu menschlich und entsprechend fehlerbehaftet. Doch allen Verletzungen zum Trotz liegt etwas Hoffnungsvolles in der vorsichtigen Wiederannäherung zwischen Edith und Lucas.