Daniel Hoesl + Julia Niemann

Veni Vidi Vici

Amon Maynard (Laurence Rupp), seine Frau Viktoria (Ursina Lardi) und ihre Adoptivkinder feuern Paula beim Polospiel an: Gewinnen ist alles, was zählt. Foto: © Grandfilm
(Kinostart: 9.1.) Vermögen wird durch Verbrechen erst schön: In der rabenschwarzen Superreichen-Satire von Daniel Hoesl und Julia Niemann erschießt ein Milliardär fremde Leute, um seinem Dasein mehr Würze zu geben. Eine amüsante Groteske zur Ära der Machtergreifung von Trump, Musk, Bezos & Co..

„Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht“, zitiert eine abgeklärte Mädchenstimme Goethes „Faust“ aus dem Off. An die Schöpferkraft der Zerstörung glaubt auch Investor Amon Maynard, der mit allem gesegnet ist, wovon Menschen träumen: Reichtum, Erfolg, Attraktivität, Potenz, Liebe, Familienglück – es ist einfach ekelhaft. Laurence Rupp spielt ihn mit unwiderstehlichem Charme.

 

Info

 

Veni Vidi Vici

 

Regie: Daniel Hoesl + Julia Niemann,

86 Min., Österreich 2024;

mit: Laurence Rupp, Ursina Lardi, Olivia Goschler

 

Weitere Informationen zum Film

 

Zusammen mit seinen Adoptivkindern und seiner attraktiven Frau Viktoria (Ursina Lardi) lebt der Milliardär in einem weißen Klassizismus-Traumpalast. Weil so viel Perfektion auf Dauer unerträglich ist, braucht Maynard einen Ausgleich in seinem Leben; also geht er auf die Jagd. Unschuldigen Tieren würde er jedoch nie etwas zuleide tun – eher schon den eigenen Artgenossen.

 

Ein offenes Geheimnis

 

Deswegen erschießt er statt Wild arglose Zufallsopfer. Er gibt sich nur mäßig Mühe, seine Spuren zu verbergen, und so wird Maynards blutiger Zeitvertreib zum offenen Geheimnis. Nur ein grummeliger Jagdaufseher und ein abgehalfterter Journalist (Dominik Warta) versuchen vergeblich, den Großkopferten zur Strecke bringen.

Offizieller Filmtrailer


 

Zu groß zum Scheitern

 

Aber ebenso wie kriselnde Großbanken ist Investor Maynard too big to fail – zu groß, um fallengelassen zu werden. Die Honoratioren der Gesellschaft verschließen die Augen vor seinem Treiben; es kann nicht sein, was nicht sein darf. Sie interessiert nur die Mikrochip-Fabrik, die zu bauen Maynard verspricht. Wer bei diesem Machtspiel nicht mitmacht, wird entweder vereinnahmt oder ausgeschaltet.

 

„Veni Vidi Vici“ (lat.: „Ich kam, sah, siegte“) vom österreichischen Regieduo Daniel Hoesl und Julia Niemann ist eine bitterböse Groteske über die Straflosigkeit für die maßlos Reichen und Mächtigen, die mit allem durchkommen, über allen anderen stehen und für die es keine Grenzen gibt. In der Figur von Maynard bündelt sich die Amoral der Musks, Trumps und Bezos dieses Planeten.   

 

Neoliberale Parolen von Ayn Rand

 

Die Erzählung ist dabei garniert mit Redewendungen wie „Frische Besen kehren besser“ und neoliberalen Parolen wie „The point is: who will stop me?“ („Letzlich ist entscheidend: Wer wird mich aufhalten?“). Dieses Zitat stammt von der marktradikalen Denkerin Ayn Rand (1905 – 1982). Die russische Jüdin erlitt durch ihre Kindheit in der Sowjetunion offenbar ein solches Trauma, dass sie nach ihrer Emigration in die USA jegliche regulierenden Eingriffe des Staates in ökonomische und soziale Belange vehement ablehnte.

 

Während Rand in Europa kaum bekannt ist, wurde ihre libertäre Verherrlichung des Individualismus in den USA sehr einflussreich. Zahlreiche Prominente in Politik und Wirtschaft berufen sich auf ihr Werk; zudem war sie eine enge Vertraute des früheren Chefs der US-Zentralbank, Alan Greenspan. Doch auch ohne tiefere Kenntnisse von radikalindividualistischen Weltanschauungen lässt sich der Film problemlos verstehen.

 

Die Macht des Geldes

 

Seine Botschaft ist deutlich: Die Macht der Superreichen wächst ins Uferlose, und niemand setzt dem etwas entgegen, zum Beispiel durch eine gerechte Besteuerung von Vermögen. Obwohl sie oft etliche Leichen im Keller haben, gehen sie durch ihren Einfluss auf Entscheider und Gesamtgesellschaft meist straflos aus. Stattdessen machen sich Politik und Medien mitunter für ein paar Brosamen zu ihren willigen Gehilfen.

 

Das Regie-Duo Hoesl und Niemann ist schon mehrmals in das Milieu des großen Geldes eingetaucht: Hoesl mit seiner Komödie „Winwin“ (2016), beide gemeinsam mit dem Dokumentarfilm „Davos“ (2020). Doch „Veni Vidi Vici“ ist radikaler – kein Wunder: dieser Film wurde von Ulrich Seidl produziert. Das enfant terrible unter Österreichs Regisseuren widmet sich seit Jahrzehnten erbarmungslos der Erforschung menschlicher Abgründe.

 

Inhaltlich nicht neu, aber unterhaltsam

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Triangle of Sadness" – brillant ätzende Klassengesellschafts-Satire auf All-inclusive-Luxusliner von Ruben Östlund, prämiert mit Goldener Palme 2022

 

und hier eine Besprechung des Films "Dene wos guet geit" – subtile Satire auf Geldgier in der Schweiz von Cyril Schäublin

 

und hier einen Beitrag über den Film "Club Zero" von Jessica Hausner über radikale Sinnsuche reicher Zöglinge eines Elite-Internats.

 

Als süffisante Erzählerin leitet übrigens Maynards Adoptivtochter Paula (Olivia Goschler) durch den Film. Sie hat seine Erfolgsstrategien verinnerlicht und eifert ihm nach. Die Kombination aus jugendlicher Unbekümmertheit und innerer Eiseskälte auf ihrem frischen Mädchengesicht lässt schaudern. Auf eine Katharsis der Figuren wartet man indes vergeblich: Allen Beteiligten geht es blendend. Nur die Frage, warum ihn niemand aufhält, belastet Maynard ab und zu.

 

Natürlich liefern Hoesl und Niemann inhaltlich keine neuen Erkenntnisse: Dass viele Superreiche zutiefst amoralisch und gleichgültig auftreten, während die Politik allzu oft zu ihrem willfährigen Erfüllungsgehilfen wird – wer hätte das gedacht? Aber in dieser erfrischend kompromisslosen Form wird die wohlfeile Kritik vor allem sehr unterhaltsam.

 

Lachen und Würgen

 

Diese rabenschwarze Satire ist zudem opulent gefilmt, flott geschnitten und mit einem gelungenen Soundtrack unterlegt; das Ensemble tritt äußerst spielfreudig auf. Nur das Lachen bleibt einem im Halse stecken; stattdessen droht eher Brechreiz.