Angelina Jolie

Maria

Maria Callas (Angelina Jolie) in ihrer plüschig-pompösen Pariser Wohnung. Foto: Studiocanal
(Kinostart: 6.2.) Elegischer Schwanengesang mit Sedativum: Regisseur Pablo Larraín zeichnet die letzten Tage der Operndiva Maria Callas nach. Angelina Jolie verkörpert sie optisch respektabel, akustisch jedoch weniger – trotz Gesangsunterricht. So fehlt dieser Hommage die Lebendigkeit.

Am Anfang ein Ende: Die Filmhandlung des Biopic „Maria“ von Pablo Larraín setzt am 16. September 1977 ein, dem Todestag des Opernstars. Callas ist in ihrer Pariser Wohnung zusammengebrochen. Notärzte, Polizisten und Hausbedienstete können nur noch ihr Ableben bezeugen, das absehbar war. Dann springt der Film eine Woche zurück. Sieben Tage lang begleitet er die zurückgezogen lebende Diva, die seit mehr als vier Jahren nicht mehr aufgetreten ist, in der für Larraín typischen intimen Art und Weise.

 

Info

 

Maria

 

Regie: Pablo Larraín,

124 Min., USA/ Italien/ Chile/ Deutschland 2025;

mit: Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba Rohrwacher

 

Weitere Informationen zum Film

 

„Maria“ ist der dritte Film des chilenischen Regisseurs, in denen prominente Frauen unter dem Druck ständiger öffentlicher Beobachtung persönliche Richtungs-Entscheidungen treffen müssen. „Jackie: Die First Lady“ (2016) schilderte die Neuerfindung der Kennedy-Witwe als starke Frau, die aus dem Schatten ihres überlebensgroßen toten Mannes tritt. „Spencer“ (2021) zeichnete nach, wie Lady Di aus dem goldenen Käfig des Windsor-Königshauses ausbrach. In beiden Fällen ging es um Aufbrüche in ein neues Leben.

 

Auf Suche nach der verlorenen Stimme

 

Damit kann „Maria“ nicht dienen. Im akkurat nachempfundenen Ambiente herrschaftlicher Räume – von der geräumigen Pariser Stadtwohnung der Callas über die bedeutendsten Opernbühnen und schicksten Hotels der Welt – steht das absehbare Ende von Anfang an fest. Ihr verzweifeltes Ringen, einen neuen Lebensentwurf und die Kraft ihrer Stimme wiederzufinden, kann Maria Callas nicht gewinnen.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Kein Tag ohne Mandrax

 

Also zelebriert der Film vor allem die Einsamkeit seiner Hauptfigur, ihren Eigensinn und ihre Versenkung in ihre Vergangenheit. Am wichtigsten sind dem Weltstar das häusliche Bett, der Apothekenschrank und der Platz vor dem Plattenspieler. Auch im Ankleidezimmer, das bis unter die Decke mit Kostümen, Mänteln und Schuhen gefüllt ist, hält sich Callas oft auf. Wobei sie Kleider aussortiert und verbrennt, die mit unliebsamen Erinnerungen behaftet sind, oder Tabletten in möglichst vielen Taschen versteckt, damit sie stets einen Vorrat hat.

 

Um überhaupt aufstehen und ihren Tagesablauf ertragen zu können, benötigt Maria mehr als alles andere einen Mix aus Uppern und Downern. Vor allem Mandrax; das Medikament kam zunächst als Wundermittel gegen Schlaflosigkeit und Angstzustände auf den Markt, wurde aber in den 1980/90er Jahren verboten, da es körperlich und psychisch stark abhängig macht.

 

Fantasie-Reporter als Begleiter

 

Anstatt ihren Arzt zu konsultieren oder wenigstens in der Küche vom Essen ihrer Köchin Bruna (Alba Rohrwacher) zu kosten, wie es ihr Butler und Chauffeur Ferruccio (Pierfrancesco Favino) ihr immer wieder ans Herz legt, trifft Maria lieber ihre eigenen Verabredungen: Gesangsstunden, die sie jedoch überanstrengen, und Interviews mit dem jungen Journalisten Mandrax (Kodi Smit-McPhee).

 

Der Mann mit dem Medikamenten-Namen existiert zwar nur in ihrem Kopf, begleitet sie aber an all die Orte, die ihr wichtig sind. Er lässt sich dahin dirigieren, wohin es Maria beliebt, wenn sie Stationen ihres Lebens Revue passieren lassen will. Etwa in elegante Cafés und Restaurants in der Pariser Innenstadt, wo sie nach ehrerbietiger Anerkennung ihrer Bewunderer sucht. Aber nicht nur: In ihren Erinnerungen an ihre Mutter und Aristoteles Onassis (nachdrücklich: Haluk Bilginer) stellt sie sich den Gespenstern ihrer Vergangenheit.

 

Zwei Frauen-Mythen überlagern einander

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Maria by Callas" – Dokumentation aus Selbstzeugnissen der Opernsängerin von Tom Volf

 

und hier einen Bericht über den Film "Spencer" – brillantes Psychogramm der Lady Diana von Pablo Larraín

 

und hier eine Besprechung des Films "Jackie: Die First Lady" – einfühlsames Biopic der Kennedy-Witwe von Pablo Larraín

 

und hier einen Bericht über den Film "Pavarotti" – liebedienerische Doku über den Tenor-Superstar von Ron Howard

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung  "Die Oper als Welt – Die Suche nach einem Gesamtkunstwerk" – prächtige Ausstellung über Künstler als Opern-Ausstatter im Centre Pompidou-Metz, Frankreich.

 

Eine Solopartie für Angelina Jolie: Sie spielt die Callas mit großen Augen und elegischer Emphase. Dabei gelingt es ihr, mit Wimpernaufschlag und markanten Zügen ikonische Merkmale der Diva nachzuempfinden. Jolie nahm auch Gesangunterricht, um einen Teil der Callas-Arien selbst zu singen. Darüber hinaus hat Larraín ihre Interpretationen mit Original-Aufnahmen der Callas zu einer Hybridform mischen lassen, bei der gerade, wenn es aufs Finale zugeht, der von Jolie stammende Anteil mehr und mehr in den Vordergrund tritt.

 

Dennoch führt die Besetzung der legendären Sopranistin durch die Star-Schauspielerin Jolie, die seit ihrer Ehe mit Brad Pitt samt Rosenkrieg medial dauerpräsent ist, auch dazu, dass die Mythen der beiden Frauen einander überlagen. Zu oft sieht man auf der Leinwand Angelina Jolie anstelle von Maria Callas. Vergleicht man ihr Verhalten mit Original-Bildern aus dem Jet-Set-Leben der Callas in den 1960/70er Jahren, die in den Film montiert sind, fällt unweigerlich auf, dass deren Minenspiel deutlich lebendiger wirkt.

 

Allein der Weg in den Tod

 

Dabei sprengt Regisseur Larraín durchaus das dramaturgische Korsett der letzten sieben Tage. Mit Rückblenden auf die Biographie der Titelheldin von ihrer schwierigen Kindheit in Griechenland während der NS-Besatzung im Zweiten Weltkrieg bis zum komplizierten Verhältnis zu ihrem Geliebten Onassis bietet der Film glaubhafte Einblicke in ihren Charakter.

 

Und wenn er ihr ambivalentes Verhältnis zu ihren Hausangestellten schildert, das zwischen Familienbande und Sklaventreiberei oszilliert, hat der Film anrührende und betörende Momente. Doch indem Larraín sich darauf beschränkt, elegisch das Scheitern von Callas‘ letzten Aufbruchsversuchen und ihren Weg in den Tod nachzuverfolgen, fehlt „Maria“ die lebendige Energie, die „Jackie: Die First Lady“ und „Spencer“ zu eigen war.