Albrecht Schuch

Pfau – Bin ich echt?

Matthias (Albrecht Schuch) und sein bester Freund und Kollege David (Anton Noori). Foto: © NGF CALA 2024
(Kinostart: 20.2.) Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt: auch gegen Geld. Regisseur Bernhard Wenger inszeniert eine ausgefeilte Satire über einen „Rent-a-Friend“-Darsteller, der an seinem Rollenspiel allmählich irre wird – brillant verkörpert von Albrecht Schuch.

Hier kommt die Vollendung der Dienstleistungs-Gesellschaft: Man bezahlt eine andere Person dafür, eine bestimmte Rolle zu übernehmen – etwa den dankbaren Sohn, eine charmante Begleitung beim Konzert oder den Traumvater mit angesehenem Beruf. Das klingt weit hergeholt, ist es aber nicht. In Japan gibt es so genannte „Rent-a-Friend“-Agenturen seit etlichen Jahren; dort hat der östereichische Regisseur Bernhard Wenger für seinen Debütfilm recherchiert.

 

Info

 

Pfau – Bin ich echt? 

 

Regie: Bernhard Wenger,

102 Min., Österreich/ Deutschland 2024;

mit: Albrecht Schuch, Julia Franz Richter, Anton Noori

 

Weitere Informationen zum Film

 

Allerdings verlegt er die Handlung nach Wien und stattet sie mit einem Schuss Surrealismus aus, der sein Werk „Pfau – Bin ich echt?“ raffiniert in der Schwebe hält. Für den Filmemacher ist ein Pfau „ein Tier, das wenig kann, außer schön zu sein“: Abgesehen von seiner attraktiven Erscheinung hat es nicht viel zu bieten. Deshalb läuft sein Protagonist Matthias (Albrecht Schuch) auf seiner zusehends verzweifelten Suche nach sich selbst mehrfach einem Pfau über den Weg.

 

Hinter allen Rollen kein Ich

 

Als Inhaber der Agentur „My companion“ ist er sehr erfolgreich. Für die Erledigung seiner Aufträge geben die Kunden dem Miet-Gefährten, der mit gepflegtem Schnauzer und sanfter Stimme formvollendet auftritt, stets Bestnoten. Im eigenen Leben hat Matthias jedoch zwischen all seinen Rollen sein Ich längst verloren. Als unbeschriebenes Blatt verharrt er passiv auf der Couch in seiner sterilen Designer-Villa und reagiert nur auf die Erwartungen Anderer. Dabei wirkt er gar nicht sonderlich unglücklich, sondern eher wie ein Automat.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Was ist überhaupt echt?

 

Auch als seine langjährige Freundin Sophia (Julia Franz Richter) als Provokation eine große, schwarze Dogge auf dem Sofa füttert, empört das Matthias kaum. Nachdem sie ihn verlassen hat, scheint er sich erstmals traurig zu fühlen. Danach laufen seine akribisch vorbereiteten Aufträge zunehmend aus dem Ruder. Das echte Leben holt ihn allmählich ein.

 

Was ist überhaupt „echt“? Wurde die schöne Norwegerin, der Matthias mehrmals begegnet, engagiert, um ihn aufzumuntern? Ist seine couragierte Hilfe für ein älteres Paar, das in Bedrängnis gerät, eine Inszenierung, um vor seiner Ex-Freundin Sophia gut dazustehen? Sein Verständnis von Realität wird nicht nur für Matthias fragwürdig, sondern auch für den Zuschauer.

 

Vignetten-Reigen gleitet ins Absurde ab

 

Manchmal begibt er sich in einen Raum seiner Villa voller akkurat aufgereihten Akten und gestapelten Kisten. Was sich wohl darin befindet? Unterlagen von allen bislang erledigten Aufträgen? Man erfährt es nicht – und der Film ist klug genug, um nicht alles auszuformulieren.

 

Im Grunde ist diese so vielschichtige wie rabenschwarze Satire eine Folge von sorgfältig gestalteten Vignetten, die immer stärker ins Absurde abgleiten; Tragik und Humor halten sich perfekt die Waage. Dabei vollbringt Hauptdarsteller Albrecht Schuch das Kunststück, glaubwürdig jemanden zu verkörpern, der ständig in verschiedene Rollen schlüpft, ohne sich je mit einer zu identifizieren. Als sei sein Selbst permanent abwesend, eine Leerstelle. Man bekommt ihn einfach nicht zu fassen.

 

Wenn hinten ein Kinderkopf hüpft

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Veni Vidi Vici" – bitterböse Gesellschaftssatire über Superreiche von Daniel Hoesl + Julia Niemann

 

und hier eine Besprechung des Films "Rimini" – herrlich schwarzhumoriges Porträt eines abgetakelten Schlagersängers von Ulrich Seidl

 

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und hier einen Beitrag über den Film "Systemsprenger" – fesselndes Drama über ein schwer erziehbares Kind von Nora Fingscheidt, prämiert mit Silbernem Bären 2019, mit Albrecht Schuch.

 

Dennoch hegt Regisseur Wenger Sympathie für seine zutiefst einsame Hauptfigur. Er beobachtet sie nicht aus kühler Distanz, wie es etwa sein österreichischer Kollege Ulrich Seidl in seinen Filmen zu tun pflegt.

 

So wird Matthias eine kathartische Entwicklung zugestanden, wobei er bei seiner Selbstsuche sehr komisch aus seinen Rollen fällt. Der Humor findet vor allem im Bild statt: Während der Dienstleister im Vordergrund an einer Haustür klingelt, hüpft hinter einer gestutzten Gartenhecke der Kopf eines Kindes, das auf einem Trampolin springt. Solche Momente gibt es einige.

 

Logisch nächster Schritt

 

Regisseur Wenger hat alle Einstellungen genau kadriert – sie sind genauso durchgestaltet wie Matthias’ Leben. Doch diese Überinszenierung wird zuweilen geschickt durchbrochen. Etwa durch eine Eisbären-Figur aus Plastik, die Matthias angeschafft hat, um seine Gäste zu beeindrucken; später wird sie jedoch als Kleiderständer oder als Sitzgelegenheit missbraucht.

 

Trotz solcher Kurzweil verweist diese Sittenkomödie auf ein zeitgenössisches Problem. In einer durchökonomisierten Gesellschaft werden uneigennützige soziale Beziehungen für diejenigen, die es sich leisten können, immer häufiger durch Dienstleistungen ersetzt: seien es Therapeuten, Coaches oder Escort-Ladys. Da erscheint das Mieten von Verwandten, Freunden und Bekannten nur als logisch nächster Schritt.