Riccardo Milani

Willkommen in den Bergen

Michele (Antonio Albanese) will seinen Schülern vom Wolf erzählen – allerdings wissen sie mehr als der Städter. Foto: Filmwelt
(Kinostart:13.2.) Der Lehrer, der uns die Welt erklärte: Der fröhliche Öko-Aktivismus von Regisseur Riccardo Milani lockte in Italien eine Million Zuschauer in die Kinos. Doch außer Gags, die den Stadt-Land-Gegensatz ausschlachten, und hübschen Natur-Aufnahmen bietet diese Komödie nur eine simple Wohlfühl-Fabel.

Michele Cortese (Antonio Albanese) ist von seinem Job als Lehrer in Rom überfordert. Seine Grundschüler tanzen ihm auf der Nase herum und drohen bei Ärger schon mal damit, ihre Väter zu holen; die würden ihm dann beibringen, sich ihnen gegenüber respektvoll zu verhalten. Also hat Michele seine Versetzung beantragt – in einen kleinen Ort in einem Nationalpark in der bergigen Abruzzen-Region. Als sie überraschend bewilligt wird, macht er sich auf den Weg nach Rupe, dem 378-Seelen-Dorf seiner Wahl. Bereits die Anreise erweist sich als beschwerlicher als erwartet.

 

Info

 

Willkommen in den Bergen

 

Regie: Riccardo Milani,

113 Min., Italien 2024;

mit: Antonio Albanese, Virginia Raffaele, Alessandra Barbonetti

 

Weitere Informationen zum Film

 

Mit dem Auto bleibt er auf der Bergstraße im Schneesturm liegen. In seiner leichten Kleidung droht er zu erfrieren, während Wölfe sich um den Wagen sammeln. Gerettet wird er von seiner neuen Kollegin Agnese (Virginia Raffaele), der resoluten stellvertretenden Schulleiterin von Rupe. Sie erklärt ihm als erstes, dass sein neuer Heimatort nur noch 364 Einwohner zählt: wegen 14 Todesfällen im letzten Jahr ohne Geburten oder Zuzüge. An diesem Bevölkerungsschwund lässt sich ablesen, was der Gemeinde droht.

 

Vom Kabarett ins Kino

 

Die Hauptdarsteller Antonio Albanese und Virginia Raffaele begannen ihre Karrieren im Kabarett. In Italien wurden sie mit komischen oder skurrilen Rollen in Fernsehserien bekannt. Insbesondere die Figur des Lehrers Michele folgt, wenn auch abgeschwächt, diesem Strickmuster. Doch trotz des Argwohns, der ihm anfangs entgegenschlägt, und einigen Widrigkeiten zum Trotz gelingt es ihm, sich in kurzer Zeit im Ort einzuleben und winterfest zu werden.

Offizieller Filmtrailer


 

Mokassins versus Schnürstiefel

 

Die sieben Schülerinnen und Schüler in seiner so genannten Multiklasse, die er parallel mit Stoff für die erste, dritte und fünfte Klasse unterrichtet, sind freundlich, hilfsbereit und außerdem so lebensklug wie pragmatisch – als Berufswunsch geben sie alle an, YouTube-Influencer werden zu wollen. Dagegen stören sich ihre Eltern bald an Micheles etwas naiven Öko-Predigten, in denen er allseitigen Ad-hoc-Aktivismus für den Erhalt des Naturraums der Abruzzen fordert. 

 

Er bestätigt damit ihre Vorurteile über besserwisserische Städter, die das harte Leben in den Bergen nicht verstehen und ihre Kinder mit utopischem Gerede manipulieren. Aus diesem relativ schlicht gestrickten Aufeinanderprallen eines urbanen Intellektuellen mit der konservativen Landbevölkerung speisen sich sowohl Spannung als auch Humor des Films. Die Differenzen reichen vom Kleidungsstil – Mokassins versus Schnürstiefel – bis zum Gefälle zwischen Hochsprache und Dialekt. 

 

Komödienhit mit Aktivismus

 

Dazu kommt ein Trommelfeuer aus kleinen Nebenhandlungen und Witzeleien über Themen, die vor allem das italienische Publikum ansprechen dürften: Dauerbrenner wie Eheprobleme und Landflucht, Armut und Resignation, Korruption und Erpressung. Schließlich droht die Schule geschlossen zu werden, weil es zu wenig Nachwuchs gibt. Die rettende Idee, was sich dagegen machen lässt, kommt Michele, als er die Fernsehnachrichten einschaltet. 

 

Darin ist von ukrainischen Geflüchteten die Rede, die ein neues Zuhause brauchen. Daraufhin zählt der Lehrer Eins und Eins zusammen, so dass er zwei Krisen in eine Vision für funktionierendes Miteinander in der Region verwandelt. Nun muss er nur noch alle Willigen und weniger Willigen zur Kooperation bewegen, um die Schulschließung zu verhindern.

 

Bietet filmisch wenig

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "RadicalEine Klasse für sich" – enthusiastischer Lehrerfilm aus Mexiko von Christopher Zalla

 

und hier einen Beitrag über den Film "Wie wilde Tiere" über Landflucht und Zuzügler in den Bergen Nordspaniens von Rodrigo Sorogoyen

 

und hier einen Bericht über den Film "Morgen ist auch noch ein Tag" italienischer Kassenschlager über Machismo + häusliche Gewalt von Paola Cortellesi

 

und hier eine Besprechung des Films "Der Lehrer, der uns das Meer versprach" über einen Reformpädagogen im spanischen Bürgerkrieg von Patricia Font. 

 

Mit ihrem fröhlichen Aktivismus ist die Komödie von Regisseur Riccardo Milani deutlich auf den Geschmack der ganzen Familie zugeschnitten; sie lockte im vergangenen Jahr in Italien mehr als eine Million Zuschauer ins Kino. 2023 war „Morgen ist auch noch ein Tag“ von Milanis Frau Paola Cortellesi sogar zum erfolgreichsten italienischen Kinofilm des Jahres geworden. Diese Tragikomödie behandelte ideenreich und mit überraschenden Wendungen gewalttätige Geschlechter-Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg: So illustrierten Musical-Einlagen originell und eindrücklich Momente von Brutalität.

 

Dagegen überzeugt an „Willkommen in den Bergen“ allenfalls die Aufforderung, beherzt Eigeninitiative zu entwickeln, um dem ländlichen Raum eine Zukunftsperspektive zu geben. Ansonsten wird bis auf hübsche Natur-Aufnahmen und gut eingesetzte Laiendarsteller filmisch wenig geboten. Etliche Dialoge sind häufig als Erklärungen der jeweiligen Situation angelegt; und jedes auftretende Problem wird, sobald es nur benannt ist, gemeinschaftlich aus der Welt geschafft.

 

Konfliktpotenzial verschenkt

 

Auch die Liebesgeschichte, welche die Macher für einen Kassenschlager wohl als unerlässlich betrachteten, ergänzt so vorhersehbar wie überflüssig den Gang der Dinge. Mehr Realismus jenseits von Schnee, Wind und Wetter hätte dem Drehbuch gut getan. Denn die geschilderten Verhältnisse enthalten genug interessantes Konfliktpotenzial; dem wird eine derart einfache Wohlfühl-Fabel nicht gerecht.