
Offenbar trifft Karoline Herfurth mit ihren Filmen einen Nerv beim deutschen Publikum. Bereits ihr Regiedebüt „SMS für Dich“, eine durchaus gelungene Variation der romantischen Komödie „Schlaflos in Seattle“ (1993), kam 2016 sehr gut an. Statt sich auf dieses Genre zu spezialisieren, drehte danach sie mit „Sweethearts“ (2019) eine weibliche Action-Gangstergeschichte, die ebenfalls ein beachtlicher Erfolg wurde. Für beide Produktionen fungierte sie zugleich als Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin; so hält sie es weiterhin.
Info
Wunderschöner
Regie: Karoline Herfurth,
132 Min., Deutschland 2024;
mit: Karoline Herfurth, Anneke Kim Sarnau, Nora Tschirner
Weitere Informationen zum Film
Wiedersehen mit Sonja und Milan
Die Fortsetzung ist ähnlich aufgebaut: Zunächst gibt es ein Wiedersehen mit einigen bekannten Charakteren. So haben sich Sonja (Karoline Herfurth) und Milan (Friedrich Mücke) inzwischen wieder getrennt. In einer Paartherapie versuchen sie auszuloten, wie viele Gefühle sie noch füreinander hegen. Allerdings hat Milan in der Zwischenzeit mit einer durchtrainierten Poledance-Lehrerin angebandelt. Als Sonja das herausfindet, versucht sie es mit App-Dating.
Offizieller Filmtrailer
Neue Figur kämpft gegen das Alter
Ihre beste Freundin Vicky (Nora Tschirner) weiß auch nicht genau über den Stand ihrer Beziehung Bescheid. Nach einem Streit ist ihr Freund Franz (Maximilian Brückner) auf unbestimmte Zeit zum Bergwandern verschwunden. Das einstige Model Julia (Emilia Schüle) hat nun einen neuen Job als Aufnahmeleiterin bei einer Fernseh-Talkshow. Neu im Figuren-Ensemble des Films ist Nadine (Anneke Kim Sarnau): Die 50-Jährige arbeitet hart daran, für ihren Mann Philipp (Godehard Giese) jung und sexy zu bleiben.
Der verlässt sich als Finanzsenator ganz auf seine loyale Ehefrau, die erfolgreich eine Stiftung leitet. Ihr Familienidyll, zu dem noch zwei Kinder gehören, bekommt aber tiefe Risse, als Philipp sie mit einer Prostituierten betrügt und dabei auch noch fotografiert wird. Derweil bekommt es ihre Teenager-Tochter in der Schule mit dem feministischen Engagement ihrer Lehrerin Vicky zu tun: Die will sie im Rahmen eines Projekts zum Nachdenken über die Unsichtbarkeit von Frauen in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft zwingen.
Mütterliche Gefühle für käufliche Konkurrentin
Das ist auch unterschwellig das Hauptthema des Films. Dabei nimmt Nadine den meisten Raum ein: Sie fragt sich, warum ihr Mann eine Prostituierte bevorzugt und beschließt, diese junge Frau selbst in Augenschein zu nehmen. Doch anstatt auf einen skrupellosen Vamp trifft sie auf ein verängstigtes Mädchen, das seinen Job nicht freiwillig ausübt. Hier schlägt der zuvor leichte Ton der Erzählung, die nun offenbar über Zwangsprostitution aufklären will, ins Ernsthafte um. Wobei es arg fantastisch wirkt, dass eine wohl situierte Großbürgerfrau mütterliche Gefühle für eine Sexarbeiterin entwickelt.
Plausibler sind die Handlungsstränge zu Sonja und Vicky. Die Pädagogin ist schwer beeindruckt von einem neuen Kollegen, der einen Kurs über toxische Männlichkeit leitet, und lässt sich mit ihm auf eine Affäre ein. Sonja hat sich dagegen zwischen Job, Haushalt und Kindern allmählich selbst verloren. Sie braucht ebenso wie Milan einen Stups von Außen, um ihrer Gefühle wieder sicher zu sein. Julie hingegen wäre gerne unsichtbar, wird aber im neuen Job wie schon in „Wunderschön“ mit einem übergriffigen Chef konfrontiert, was einmal mehr ihre labile Psyche belastet.
Schauwerte für weibliche Selbstbehauptung
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Alles Fifty Fifty" – Beziehungskomödie über ein getrenntes, aber gemeinsam erziehendes Paar von Alireza Golafshan mit Moritz Bleibtreu
und hier eine Besprechung des Film "791 km" – Roadmovie-Komödie über eine Taxifahrt von München nach Hamburg von Tobi Baumann
und hier einen Beitrag über den Film "Der Nachname" – Nachfolger der Erfolgskomödie "Der Vorname" von Sönke Wortmann.
Auch die Besetzung kann sich sehen lassen und hat unübersehbar Spaß an der Sache. Das täuscht aber ebenso wenig über dramaturgische Ungereimtheiten hinweg wie über die platte Bild-Symbolik. So steigert sich die Parteinahme für weibliche Selbstbehauptung zu einer Sequenz, die dem Skandal bei der letzten Frauenfußball-EM nachempfunden ist, als der spanische Verbandschef eine der Siegerinnen ungefragt auf den Mund küsste.
Einfach mal laut schreien
So wirkt der Tiefgang des Films in weiten Teilen nur behauptet; immer wenn es ernst werden soll, rutscht der Films ins reichlich Plakative ab. Auch dass am Ende alle Männer geläutert sind, entspricht eher einer Wunschvorstellung als der Wirklichkeit. Realistisch und nachvollziehbar ist hingegen das gemeinsame Bestreben der weiblichen Charaktere: einfach als facettenreiche Personen ernst genommen zu werden, auch wenn es dafür manchmal nötig ist, ordentlich laut zu schreien.