Karoline Herfurth

Wunderschöner

Vicky (Nora Tschirner) und Sonja Bode (Karoline Herfurth). Foto: © 2024 Hellinger / Doll Filmproduktion GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH
(Kinostart: 13.2.) Facettenreiche Frauen im Hochglanz-Look: Als Regisseurin wiederholt Karoline Herfurth in der Fortsetzung ihres Kassenschlagers die bewährte Formel. Das taugt für ein paar Lacher, doch sobald es tiefgründig werden soll, wirkt ihr Plädoyer für weibliche Selbstermächtigung reichlich plakativ.

Offenbar trifft Karoline Herfurth mit ihren Filmen einen Nerv beim deutschen Publikum. Bereits ihr Regiedebüt „SMS für Dich“, eine durchaus gelungene Variation der romantischen Komödie „Schlaflos in Seattle“ (1993), kam 2016 sehr gut an. Statt sich auf dieses Genre zu spezialisieren, drehte danach sie mit „Sweethearts“ (2019) eine weibliche Action-Gangstergeschichte, die ebenfalls ein beachtlicher Erfolg wurde. Für beide Produktionen fungierte sie zugleich als Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin; so hält sie es weiterhin.

 

Info

 

Wunderschöner

 

Regie: Karoline Herfurth,

132 Min., Deutschland 2024;

mit: Karoline Herfurth, Anneke Kim Sarnau, Nora Tschirner

 

Weitere Informationen zum Film

 

Ihr größter Kassenschlager mit immerhin 1,7 Millionen verkauften Tickets war „Wunderschön“ (2022); der Film arbeitet sich auf leichte Art an den Widersprüchen zwischen gesellschaftlichen Schönheitsidealen und dem selbst auferlegten Optimierungszwang der Protagonistinnen ab. In episodenhaft porträtierten Beziehungen versuchten verschiedene Frauen gleichzeitig schlank und jung, aber zugleich erfahren, interessant und unkompliziert zu sein.  

 

Wiedersehen mit Sonja und Milan

 

Die Fortsetzung ist ähnlich aufgebaut: Zunächst gibt es ein Wiedersehen mit einigen bekannten Charakteren. So haben sich Sonja (Karoline Herfurth) und Milan (Friedrich Mücke) inzwischen wieder getrennt. In einer Paartherapie versuchen sie auszuloten, wie viele Gefühle sie noch füreinander hegen. Allerdings hat Milan in der Zwischenzeit mit einer durchtrainierten Poledance-Lehrerin angebandelt. Als Sonja das herausfindet, versucht sie es mit App-Dating.

Offizieller Filmtrailer


 

Neue Figur kämpft gegen das Alter

 

Ihre beste Freundin Vicky (Nora Tschirner) weiß auch nicht genau über den Stand ihrer Beziehung Bescheid. Nach einem Streit ist ihr Freund Franz (Maximilian Brückner) auf unbestimmte Zeit zum Bergwandern verschwunden. Das einstige Model Julia (Emilia Schüle) hat nun einen neuen Job als Aufnahmeleiterin bei einer Fernseh-Talkshow. Neu im Figuren-Ensemble des Films ist Nadine (Anneke Kim Sarnau): Die 50-Jährige arbeitet hart daran, für ihren Mann Philipp (Godehard Giese) jung und sexy zu bleiben. 

 

Der verlässt sich als Finanzsenator ganz auf seine loyale Ehefrau, die erfolgreich eine Stiftung leitet. Ihr Familienidyll, zu dem noch zwei Kinder gehören, bekommt aber tiefe Risse, als Philipp sie mit einer Prostituierten betrügt und dabei auch noch fotografiert wird. Derweil bekommt es ihre Teenager-Tochter in der Schule mit dem feministischen Engagement ihrer Lehrerin Vicky zu tun: Die will sie im Rahmen eines Projekts zum Nachdenken über die Unsichtbarkeit von Frauen in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft zwingen.  

 

Mütterliche Gefühle für käufliche Konkurrentin

 

Das ist auch unterschwellig das Hauptthema des Films. Dabei nimmt Nadine den meisten Raum ein: Sie fragt sich, warum ihr Mann eine Prostituierte bevorzugt und beschließt, diese junge Frau selbst in Augenschein zu nehmen. Doch anstatt auf einen skrupellosen Vamp trifft sie auf ein verängstigtes Mädchen, das seinen Job nicht freiwillig ausübt. Hier schlägt der zuvor leichte Ton der Erzählung, die nun offenbar über Zwangsprostitution aufklären will, ins Ernsthafte um. Wobei es arg fantastisch wirkt, dass eine wohl situierte Großbürgerfrau mütterliche Gefühle für eine Sexarbeiterin entwickelt.  

 

Plausibler sind die Handlungsstränge zu Sonja und Vicky. Die Pädagogin ist schwer beeindruckt von einem neuen Kollegen, der einen Kurs über toxische Männlichkeit leitet, und lässt sich mit ihm auf eine Affäre ein. Sonja hat sich dagegen zwischen Job, Haushalt und Kindern allmählich selbst verloren. Sie braucht ebenso wie Milan einen Stups von Außen, um ihrer Gefühle wieder sicher zu sein. Julie hingegen wäre gerne unsichtbar, wird aber im neuen Job wie schon in „Wunderschön“ mit einem übergriffigen Chef konfrontiert, was einmal mehr ihre labile Psyche belastet.

 

Schauwerte für weibliche Selbstbehauptung

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Alles Fifty Fifty" – Beziehungskomödie über ein getrenntes, aber gemeinsam erziehendes Paar von Alireza Golafshan mit Moritz Bleibtreu

 

und hier eine Besprechung des Film "791 km" – Roadmovie-Komödie über eine Taxifahrt von München nach Hamburg von Tobi Baumann

 

und hier einen Beitrag über den Film "Der Nachname" – Nachfolger der Erfolgskomödie "Der Vorname" von Sönke Wortmann.

 

Fürs junge Publikum gibt es noch Teenager-Mädchen als Identifikationsfiguren, die in der Schule gerade das Thema weibliche Lust für sich entdecken. Sie setzen das in selbstgemachte Klitoris-Skulpturen um, die den Schuldirektor in Aufregung versetzen. Obwohl das optisch nahtlos in den hübsch ausgestatteten Kosmos dieser deutschen Hochglanzkomödie passt: Alle leben in geräumigen Häusern oder Wohnungen, haben ein Händchen für Inneneinrichtung und liefern sich in jeder Lebenslage pointierte Schlagabtausche.  

 

Auch die Besetzung kann sich sehen lassen und hat unübersehbar Spaß an der Sache. Das täuscht aber ebenso wenig über dramaturgische Ungereimtheiten hinweg wie über die platte Bild-Symbolik. So steigert sich die Parteinahme für weibliche Selbstbehauptung zu einer Sequenz, die dem Skandal bei der letzten Frauenfußball-EM nachempfunden ist, als der spanische Verbandschef eine der Siegerinnen ungefragt auf den Mund küsste.

 

Einfach mal laut schreien

 

So wirkt der Tiefgang des Films in weiten Teilen nur behauptet; immer wenn es ernst werden soll, rutscht der Films ins reichlich Plakative ab. Auch dass am Ende alle Männer geläutert sind, entspricht eher einer Wunschvorstellung als der Wirklichkeit. Realistisch und nachvollziehbar ist hingegen das gemeinsame Bestreben der weiblichen Charaktere: einfach als facettenreiche Personen ernst genommen zu werden, auch wenn es dafür manchmal nötig ist, ordentlich laut zu schreien.