Pamela Anderson

The Last Showgirl

Shelly (Pamela Anderson) bei einem Auftritt in Las Vegas. Foto: Constantin Film Verleih
(Kinostart: 20.3.) Melancholisches Resümee eines Daseins im Rampenlicht: Pamela Anderson meldet sich zurück – in der Rolle einer gealterten Show-Tänzerin. Leider gleicht das Leben der Protagonistin dem Film von Regisseurin Gia Coppola: Beide erweisen sich als Sammelsurium falscher Entscheidungen.

Das Scheinwerferlicht fällt unbarmherzig grell auf das gequälte Gesicht von Showgirl Shelly Gardner (Pamela Anderson). Sie spricht zum ersten Mal seit etlichen Jahren vor, und die Fragen ihres Gegenübers aus dem Dunkel des Raums sind schonungslos. Daher findet sie nicht den richtigen Ton, plappert nervös vor sich hin und lügt, als sie ihr Alter nennen soll. Es ist eine Erniedrigung.

 

Info

 

The Last Showgirl

 

Regie: Gia Coppola,

88 Min., USA 2024;

mit: Pamela Anderson, Brenda Song, Kiernan Shipka, Dave Bautista

 

Weitere Informationen zum Film

 

Seit 30 Jahren steht Shelly in der „Razzle Dazzle Show“ Abend für Abend auf der Bühne. Mit Haut und Haaren, nur mit Strass und Federn bekleidet, ist sie Tänzerin in Las Vegas. Sie versteht sich als Showgirl alter Schule, als eine Botschafterin für Stil und Anmut. Die Wurzeln ihrer Kunst reichen in ihrer Vorstellung zurück bis ins Pariser Lido der 1940er Jahre. Um ihren Showtanz-Traum zu leben, hat sie einst sogar ihre Tochter Hannah (Billie Lourd) der Obhut ihrer Schwester überlassen.

 

Ende der Show als Ende der Welt

 

Nun stellt sie fest, dass sich die Sitten um sie herum geändert haben. Von jüngeren Tänzerinnen erwartet man heutzutage Posen, die sie schlicht als pornografisch empfindet. Doch das steigert für sie eher den Wert der eigenen Arbeit, als dass sie darin eine Bedrohung erkennt. Als ihr Ex-Freund und Produzent Eddie (Dave Bautista) das Ende der Show verkündet, bricht für Shelly eine Welt zusammen.

Offizieller Filmtrailer


 

Revanche eines Sex-Symbols

 

Pamela Anderson spielt in „The Last Showgirl“ eine Frau, die auf etwas naive Weise davon überzeugt ist, dass es ihr zusteht, gesehen zu werden und sich schön zu fühlen, wenn sie angeblickt wird. Sobald ihr das nicht gelingt, ist sie verzweifelt, fahrig und hoffnungslos. Anderson selbst galt mit ihren Rollen in der TV-Serie „Baywatch“ und Popcorn-Filmen wie „Barb Wire“ als Sex-Symbol der 1990er Jahre. Ihre Ambitionen als ernsthafte Darstellerin wurden jedoch durch den Skandal um ein zum „Sex Tape“ aufgebauschtes Urlaubs-Video von 1995 im Keim erstickt.

 

Eine Gelegenheit zur späten Revanche bietet ihr nun der Film von Regisseurin Gia Coppola, einer Enkelin von Francis Ford Coppola. So wird „The Last Showgirl“ für Anderson zum Schlüsselfilm wie jüngst „The Substance“ für Demi Moore und „Babygirl“ für Nicole Kidman. Doch während die Kolleginnen mit ihren Rollen dem Jugendfetischismus im Showbusiness recht bissige Statements entgegensetzten, bleibt Andersons Figur nur das melancholische Resümee eines Lebens voller falscher Entscheidungen.

 

Jamie Lee Curtis überstrahlt alle

 

Das Drehbuch von Kate Gersten basiert auf ihrem eigenem Theaterstück „A Body of Work“. Bei ihrer Kino-Adaption stellt Coppola die Protagonistin ganz in den Mittelpunkt. Mehrfach wird Shelly in schnell geschnittenen Bildfolgen beim aufwändigen Ankleiden und Schminken gezeigt, oder im Kreis ihrer Wahlfamilie von Tanzkolleginnen. Häufig starrt sie aber nur einsam ins Leere, während sie vor einem Sonnenuntergang über eine womöglich triste Zukunft sinniert. Passend zur Darstellerin: Abgesehen von einer sehr offen zur Schau getragenen Verletzlichkeit scheint die Bandbreite von Andersons darstellerischen Möglichkeiten doch recht begrenzt zu sein.

 

Mit Bautista als Ex-Freund hat sie einen ebenbürtigen Partner an ihrer Seite: Der nur äußerlich robuste und bärenhaft wirkende Eddie hat stets Verständnis für Shelly. Beide werden jedoch von Jamie Lee Curtis in den Schatten gestellt; sie spielt Shellys beste Freundin Annette. Curtis’ von der Sonne gegerbtes Gesicht, neben dem selbst ein Donald Trump blass wirken würde, überstrahlt alle Szenen, in denen sie auftritt.

 

Eindrückliche Tanzeinlage zu Bonnie Tyler

 

Vielleicht wäre die Handlung interessanter, wenn sie Annette mehr Platz einräumen würde. Sie hält sich mit schlecht bezahlten Servicejobs über Wasser und sorgt für einen der eindrucksvollsten Momente im Film: Zu Bonnie Tylers überstrapazierter Power-Ballade „Total Eclipse of the Heart“ legt sie eine grandios uneitle Tanzeinlage hin.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Substance" – bitterböse Körperkult-Satire über alternde Schauspielerin von Coralie Fargeat mit Demi Moore

 

und hier eine Besprechung des Films "Babygirl" – realistisch-nuancierte SM-Romanze von Halina Reijn mit Nicole Kidman

 

und hier einen Bericht über den Film "Everything Everywhere All At Once" – überbordende Science-Fiction-Komödie von Dan Kwan + Daniel Scheinert mit Jamie Lee Curtis

 

und hier einen Beitrag über den Film "Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll" – Biopic über den brillanten Las-Vegas-Entertainer von Steven Soderbergh.

 

Doch die Kamera schwenkt achtlos weg; offenbar weiß Regisseurin Coppola damit nichts rechtes anzufangen. Ebenso könnte Shellys Beziehung zu ihrer Tochter Hannah, die eines Tages vor der Tür steht, die Aufmerksamkeit fesseln, wenn sie nur etwas ernsthafter behandelt würde. Dem steht jedoch ein bemühtes Happy End im Weg.  

 

Glaubhafte Atmosphäre des Verlusts

 

Shelly weiß, dass sie als Mutter versagt hat – aber auch, dass sie nicht anders handeln konnte. Der Rausch, sich vor den Blicken ihrer Betrachter immer wieder überlebensgroß zu fühlen, ist stets stärker gewesen als alle übrigen Empfindungen. Dadurch wird zur grausamen Ironie ihres Lebens, dass Hannah irgendwann unerwartet im Publikum ihrer Show sitzt. Und sie ist alles andere als angetan von dem, was sie sieht.

 

Trotz einiger starker Szenen wirkt „The Last Showgirl“ wie ein Sammelsurium halbgarer Ideen. Da erscheinen Momentaufnahmen in weichgezeichneten, grobkörnigen Bildern, die Las Vegas als verblassende Stadt der Träume in Unschärfen verschwinden lassen, vor allem als Abgesang auf eine zu Ende gehende Showbiz-Ära. Immerhin wird so die Atmosphäre des Verlusts wirkungsvoll in Bilder gebannt, die sich auch auf manch andere Bereiche der US-amerikanischen Realität übertragen lässt.