Jannis Alexander Kiefer

Another German Tank Story

Das Dorf Wiesenwalde wird auf den Kopf gestellt, als eine amerikanische Crew dort eine Serie über den Zweiten Weltkrieg drehen will. Foto: Filmperlen Filmverleih
(Kinostart: 10.4.) Als hätte Wim Wenders versucht, eine Komödie zu drehen: Seinen Debütfilm verlegt Regisseur Jannis Alexander Kiefer in ein Kaff in Brandenburg. Dort wird eine Weltkriegs-Fernsehserie inszeniert, für die ständig ein Panzer durchs Bild tuckert – nur einer von lauter lahmen Gags.

Im brandenburgischen Dorf Wiesenwalde ist noch nie viel passiert. Das letzte bedeutende Ereignis war im 18. Jahrhundert, als der erkrankte Barock-Komponist Georg Philipp Telemann hier einkehrte und über Nacht genas. An seine wundersame Heilung erinnern ein Denkmal und der Name der Pension „Telemann Klause“. Seitdem liegt der Ort offenbar in einer Art Dornröschenschlaf. Es geschieht schlicht nichts; die Einwohner warten nach eigenen Worten „auf ein Wunder.“

 

Info

 

Another German Tank Story

 

Regie: Jannis Alexander Kiefer,

95 Min., Deutschland 2024;

mit: Meike Droste, Johannes Scheidweiler, Roland Bonjour, Gisa Flake

 

Weitere Informationen zum Film

 

Aus Sicht der Bürgermeisterin Susanne (Meike Droste) ist schon ein kleines Wunder geschehen: Ein US-Fernsehteam hat eine nahe Industriebrache gemietet, um dort eine Serie über den Zweiten Weltkrieg zu drehen. Für die Dorfbewohner gibt es nun endlich wieder etwas Arbeit. Die Pension ist ausgebucht, es werden Statisten engagiert, und sogar Susannes nichtsnutziger Sohn (Johannes Scheidweiler) hat einen Job als Produktionsfahrer bekommen.

 

Regisseur wuchs selbst in Provinz auf

 

Dass er zuvor durch die Fahrprüfung gefallen ist, hat er einfach keinem verraten. So tuckert er im Schritttempo durchs Dorf und nimmt dabei sein Kaninchen mit – was nicht einmal der lahmste running gag im Debütfilm von Regie-Neuling Jannis Alexander Kiefer ist. Er ist selbst auf dem Land aufgewachsen, bevor er Regie in Potsdam-Babelsberg studiert hat.

Offizieller Filmtrailer


 

Wohin mit Opas NVA-Souvenirs? 

 

Seine Biographie spiegelt sich wohl in der Filmfigur des Journalisten Bert (Roland Bonjour), dem es ebenfalls geglückt war, in die Stadt zu entkommen. Nun kehrt er, wegen der Promi-Präsenz eine Story witternd, in sein Heimatdorf zurück. Leider verwechselt er den Hauptdarsteller mit dessen Lichtdouble – also dem Stellvertreter, mit dem Beleuchtung und Kameraposition eingestellt werden. Das Double gibt ihm bereitwillig ein Interview, hat aber natürlich nichts zu erzählen.

 

Derweil sorgt sich Seniorin Rosi (Monika Lennertz), mit ihr und ihrem Gatten werde es wohl bald zu Ende gehen; sie nutzt die Gelegenheit, unauffällig zwei Langwaffen und einen Panzer loszuwerden, die dieser aus unerfindlichen Gründen gelagert hatte. Vielleicht gehört er zur Reichsbürger-Szene, oder er hoffte noch 1990 auf einen Partisanenkampf gegen den Klassenfeind – das Publikum wird es nie erfahren.

 

Welche deutschen Panzergeschichten?

 

Diese Eigenschaft teilt der Film mit seinem Schauplatz Wiesenwalde: Es passiert einfach nichts – und das wenige, was geschieht oder auch nur leidlich interessant erscheint, wird nicht erklärt. So muss man sich aus dem faden Salat aus Anspielungen, den die selbsterklärte Tragikomödie anrichtet, selbst einen Reim machen. Was schwerfällt: In seiner umfassenden Apathie gibt der Film nie Anlass auch nur zum Schmunzeln. Es ist, als hätte Wim Wenders versucht, eine Komödie zu drehen.

 

Vor allem aber beschleicht den Zuschauer das Gefühl, dass Jannis Alexander Kiefer trotz seiner Herkunft nicht viel zum Thema zu sagen hat. Angefangen beim Titel, denn es bleibt unklar, auf welche „deutschen Panzergeschichten“ der sich beziehen soll. Zwar gibt es etliche deutsche Kriegsfilme, aber keinen veritablen Panzerfilm wie „Herz aus Stahl“ (USA, 2014) von David Ayer oder „Lebanon“ (Israel, 2009) von Samuel Maoz. Das Gefährt im Zentrum der Handlung ist ein ausrangierter NVA-Schützenpanzer.

 

Lakonische Episoden wie aus TV-Serien

 

Nicht nur waffentechnisch passt nichts zusammen. Das eigentliche Thema, nämlich Verfall und Trotz-alledem-Hoffnungen in der ostdeutschen Provinz, wird ebenso unentschlossen behandelt. Lakonisch abgespulte Episoden scheinen eher von TV-Serien als vom wahren Landleben inspiriert zu sein. Zudem spricht keiner der Darsteller Dialekt; so wirken sie wie Fremde im eigenen Dorf.

 

Hintergrund

 

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Schön abgelichtet wird immerhin die herbstliche Umgebung in Brauntönen: Häuserfassaden, Tapetenmuster, matschige Wege und jene Mauern mit gräulich-beigem Kratzputz, die überall in der Ex-DDR herumstehen, erzeugen authentische Atmosphäre. Aber was dort vorgeht, ist einfach nicht der Rede wert. Dass es in der Gegend ein Naziproblem gibt, wird erwähnt. Doch in dieser liebenswerten Dorfgemeinschaft, die weder Parteien noch Ausländer kennt, kann es auch keinen Nazi geben.

 

Euthanasie in Wehrmachts-Uniform

 

Die Figur, die ihm am nächsten kommt, ist ein junger Komparse (Alexander Schuster), für den seine Wehrmachts-Uniform zum Erweckungserlebnis wird: Er merkt, dass er gebraucht werden will! Das führt zu einer Art völlig verrätselter Schlüsselszene: Ein hilfsbereiter Junge, der kein Nazi ist, aber mit Begeisterung eine Weltkriegs-Uniform trägt, euthanisiert symbolisch eine lebensmüde Greisin mit mutmaßlicher NVA-Vergangenheit – denn sie kann einen Panzer fahren. Was, um Himmels willen, will der Regisseur uns damit sagen?

 

Dass sich reale Brandenburg-Bewohner in diesem Film wiedererkennen werden, darf man bezweifeln: Sein Gruppenporträt von Träumern, die aus eigener Kraft nichts auf die Kette kriegen, wirkt doch eher herablassend als einfühlsam. Sollte sich hier irgendwo ein politischer Kommentar verstecken, dann beschränkt er sich auf geraunte, vage Andeutungen ohne jeden Anflug von Mut, Klugheit oder Phantasie. So verfehlt Regisseur Kiefer jeden denkbaren Aspekt seines Sujets.