
Ihre Küche sieht aus wie in einem Hochglanzmagazin. Ihre Sprache fließt so präzise und kontrolliert wie die Dialoge erfahrener Bühnenschauspieler: George Woodhouse (Michael Fassbender) und Kathryn (Cate Blanchett) sind seit mehr als 20 Jahren verheiratet, haben ein Haus in einer schicken Londoner Wohngegend und sind, wie man dort sagen würde, high achiever.
Black Bag – Doppeltes Spiel
Regie: Steven Soderbergh,
93 Min., USA 2025;
mit: Cate Blanchett, Michael Fassbender, Marisa Abela
Weitere Informationen zum Film
Die Sauce der Wahrheit
Hinter dem gediegenen Ambiente lauern düstere Motive. George hat beim Kochen ein Wahrheitsserum in die Sauce gemischt. Das führt alsbald zu hitzigen Dialogen und bringt Clarissa schließlich dazu, ein Steakmesser durch die Hand ihres Bett-Partners Freddie zu rammen. So weit, so brutal, so verwirrend. Doch eines ist klar: George und Kathryn gelten nicht von ungefähr als die besten in ihrem Job.
Offizieller Filmtrailer
Balance zwischen Wahrheit und Lüge
Das bedeutet in dieser Branche: sowohl bei der Arbeit als auch im Privatleben stets die Balance zwischen Lüge und Wahrheit zu meistern. Dieses Spiel inszeniert Regisseur Steven Soderbergh, der für „Traffic – Macht des Kartells“ 2001 einen Oscar erhielt, in seinem Thriller „Black Bag – Doppeltes Spiel” auf gewohnt eigensinnige Weise. Bis zum Schluss wird nie wirklich klar, was real und was erfunden ist.
George hat seine Kollegen nicht aus Sympathie eingeladen. Er will herausfinden, wer der Maulwurf in den eigenen Reihen seines Arbeitgebers ist, des staatlichen Geheimdienstes SIS. Beauftragt hat ihn sein Boss Philip Meacham (Gustaf Skarsgård), nachdem die streng geheime Software “Severus”, die er und seine Kollegen entwickelt haben, in falsche Hände gelangte. Das kann nur durch ein Mitglied des innersten Zirkels geschehen sein.
Maulwurfsjagd beim Abendessen
Jetzt steht mehr auf dem Spiel als die nationale Sicherheit – es droht der Tod tausender Zivilisten. Denn mit “Severus” lassen sich Atomkraftwerke lahmlegen und Kernschmelzen auslösen. Erste Hinweise deuten in verschiedene Richtungen: eine manipulierte Zugangskarte bei James, ein anonymer Tipp gegen Zoe. Das Misstrauen verteilt sich auf alle Beteiligten, so dass diese sich Tests mit Polygraphen, auch Lügendetektoren genannt, unterziehen müssen. Dann gerät selbst Georges Frau Kathryn in Verdacht.
Ihr Gatte entdeckt verschlüsselte Dateien mit ihrem Kürzel. Ihre Erklärung bleibt vage: „Manchmal schütze ich dich nur vor Dingen, die du nicht wissen willst.“ Gegen Ende des Films gibt es ein zweites Dinner. Dabei testet George die Gäste mit einer gezielten Frage, die nur drei Menschen beantworten können. Allein Kathryn reagiert – ein Fehler?
Loyalität oder Liebe
Plötzlich steht nicht nur der Weltfrieden auf dem Spiel, sondern auch Georges Ehe. Er steht vor der Wahl: Loyalität oder Liebe? Soderbergh inszeniert diese Konflikte mit chirurgischer Präzision. Besonders die Beziehung zwischen George und Kathryn fängt er kunstvoll ein: Sätze, Blicke und Pausen verbergen mehr als sie enthüllen. Selbst Zärtlichkeit wirkt wie Taktik.
In einer Welt, in der Vertrauen ständig entwertet wird, wird Liebe zur Schwachstelle. So entpuppt sich „Black Bag“ als ein Film, der sich selbst stets unter Verdacht stellt – und mit ihm jede Geste, jedes Wort. Unter dem Deckmantel des Thrillers verhandelt Soderbergh Fragen zu Wahrheit, Vertrauen und Wirklichkeit. Das gelingt dem US-Regisseur meisterhaft und vielschichtig.
Wichtig ist, was nicht gesagt wird
„Wenn man immer eine perfekte Ausrede hat, um zu lügen, warum sollte man dann jemals die Wahrheit sagen?“ heißt es in einem der Dialoge, die oft auf dem schmalen Grat zwischen britischer Höflichkeit und radikaler Ehrlichkeit balancieren. Was gesagt wird, ist dabei oft weniger wichtig als das, was nicht gesagt – aber dafür gezeigt – wird.
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Side Effects" – spannender Psychiatrie-Thriller mit Jude Law von Steven Soderbergh
und hier eine Besprechung des Films "Contagion" über eine Seuchen-Katastrophe mit Jude Law von Steven Soderbergh
und hier einen Beitrag über den Film "Tar" – mitreißendes Porträt einer in Ungnade gefallenen Dirigentin von Todd Field mit Cate Blanchett
und hier einen Bericht über den Film “Dame, König, As, Spion” – brillante Verfilmung des Spionage-Thrillers von John Le Carré durch Tomas Alfredson.
Test für die Zuschauer
Durch diesen interessanten Effekt wird die Geschichte selbst zum Test für die Zuschauer: Glaubst du, was du siehst? Oder siehst du nur, was du glauben willst? Das kompetente Schauspieler-Ensemble macht es einem dabei nicht leicht, allen voran das power couple im Zentrum: Cate Blanchett verkörpert Kathryn mit einer Mischung aus Gravitas und Undurchschaubarkeit.
Fassbender spielt einmal mehr, was er am besten kann: den charmanten Gentleman mit blendend versteckter Gewaltbereitschaft. Man glaubt ihm jedes Lächeln und hat gleichzeitig Angst vor dem Moment, in dem er es ablegt. „Black Bag“ schließt so genial wie kurzweilig die Welt der Geheimdienste mit black boxes in langjährigen Beziehungen kurz. Am Ende geht es nicht darum, wer lügt, sondern wer am besten mit der Wahrheit leben kann.