Wes Anderson

Der Phönizische Meisterstreich

Zsa-Zsa Korda (Benicio Del Toro) und Liesl (Mia Threapleton). Foto: Courtesy of TPS Productions/Focus Features, © 2025 All Rights Reserved.
(Kinostart: 29.5.) Neues aus der Comic-Welt von Regisseur Wes Anderson: Diesmal will ein skrupelloser Geschäftsmann einen Mega-Deal abschließen – mit seiner Tochter, einer Nonne. Wie gewohnt stehlen etliche Stars in skurrilen Situationen einander die Show; in einer Euro-Alternative zum Marvel-Universum.

Im Jahr 1950 ist Zsa-Zsa Korda (Benicio del Toro) einer der reichsten und umstrittensten Geschäftsmänner der Welt. Seine Projekte kennen keine geografischen oder politischen Grenzen, so dass selbst die Regierungen verfeindeter Länder ihm das Handwerk legen wollen. Zu Beginn des Films überlebt er seinen sechsten Flugzeugabsturz. Das abermalige Nahtod-Erlebnis bringt ihn zum Nachdenken, und so beschließt er, seinen Nachlass zu regeln.

 

Info

 

Der Phönizische Meisterstreich

 

Regie: Wes Anderson

101 Min., USA/ Deutschland 2025;

mit: Benicio Del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Tom Hanks

 

Weitere Informationen zum Film

 

Obwohl er mit zehn – zum Teil adoptierten – Söhnen gesegnet ist, erklärt er sein ältestes Kind zur Alleinerbin: Tochter Liesl (Mia Threapleton) ist in einem Kloster aufgewachsen, was sie ihm maximal entfremdet hat. Um die widerstrebende Novizin auf ihre künftige Führungsrolle vorzubereiten, weiht Zsa-Zsa sie in die Geheimnisse seines bisher ehrgeizigsten Vorhabens ein: Im politisch zersplitterten Wüstenreich Phönizien will er eine neue Handelsroute öffnen.

 

Weltreise zum Geldeintreiben

 

Dafür sieht sein Plan nicht weniger als eine Kombination aus Assuan-Staudamm, Suez-Kanal und Gotthard-Tunnel vor. Leider fehlt zur Fertigstellung noch eine beträchtliche Summe Geld, die er bei einer Reihe dubioser Geschäftspartner eintreiben will. So begeben sich Vater und Tochter auf eine Reise um die Welt, um gemeinsam die Finanzierung zu sichern und nebenbei ihr schwer gestörtes Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.

Offizieller Filmtrailer


 

Bilderbuch-Welt mit verfeinertem Stil

 

Da es sich bei diesem Film um ein Werk von Wes Anderson handelt, dient die Ausgangslage vor allem dazu, eine Unmenge schräger Figuren einzuführen und in allerlei haarsträubende Situationen zu bringen. Die zahlreichen Stationen der Weltreise sind der Anlass, um eine entsprechende Menge entzückend arrangierter Sets zu errichten, in denen sich Andersons persönliche Handschrift entfalten kann.

 

Symmetrisch rechtwinklig abgezirkelte Tableaus, zwischen denen per 90-Grad-Reißschwenk oder Schnitt gewechselt wird – diesen Stil hat Anderson in jedem seiner Filme verfeinert, so wie der belgische Comiczeichner Hergé seine ligne claire. Mit der Bilderbuch-Welt von Hergés Serie „Tim & Struppi“ hat „Der phönizische Meistertrick“ auch den leichtfüßigen Umgang mit politischen Themen und physischer Gewalt gemeinsam.

 

Ohne Sklavenarbeit, Hungersnöte + Putsche

 

Unternehmer Korda lebt gefährlich und führt als universales Begrüßungsgeschenk nicht von ungefähr stets eine Kiste Handgranaten mit sich. Doch in den verschiedenen Konfrontationen mit seinen potentiellen Geldgebern zählt eher Verhandlungsgeschick als Meuchelmord. Zudem sorgt Liesl dafür, dass er bei diesem Projekt auf die gewohnten Mittel verzichten will: Von nun an sollen Sklavenarbeit, fingierte Hungersnöte und Putsche der Vergangenheit angehören.

 

Allein die Rededuelle zwischen Zsa-Zsa und Liesl sind ein Filmvergnügen für sich – allerdings nur in der englischen Originalfassung. Papa ist auf distinguierte Weise besoffen von sich selbst; seine Tochter so, wie alle Teenager gerne wären: moralisch haushoch überlegen und nie um einen trockenen Spruch verlegen.

 

Overacting als Tugend

 

Außerdem tritt noch der übliche Pantheon von Hollywood-Stars auf, die sich in Andersons künstlicher Comic-Umgebung darin überbieten, einander die Show zu stehlen. So verwandelt sich Michael Cera aus einem norwegischen Hauslehrer in einen amerikanischen Doppelagenten; in dieser Umgebung, in der overacting als Tugend daherkommt, erscheint das alles durchaus folgerichtig.

 

Höhepunkt der Albernheit ist wohl das uncoolste Basketball-Match aller Zeiten, das sich Tom Hanks und Bryan Cranston liefern. Übertroffen werden sie nur von Benedict Cumberbatch, der mit angeklebtem Bart Zsa-Zsas dämonischen Bruder gibt. Allein mit dem biblischen Personal – u.a. Willem Dafoe, F. Murray Abraham und Bill Murray –, das Zsa-Zsa während seiner zahlreichen Nahtod-Episoden imaginiert, ließe sich ein eigener Sandalenfilm besetzen.

 

Kulissen-Bilder im Abspann aufgelistet

 

Hintergrund

 

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Dagegen regiert in der irdischen Gegenwart wie stets eine strenge Farbpalette: In Phönizien herrschen eine Palette aus Wüsten-Sandfarben mit kontrastierendem Himmelblau vor, dazu kommen Akzente in Karminrot und Flaschengrün. Die marmorfarbenen Wände in Kordas Villa sind geschmückt mit ausgesuchten Gemälden, die im Abspann eigens aufgelistet werden; die Filmmusik stammt diesmal komplett von Igor Strawinsky.

 

Diese bildungsbürgerlichen Details bilden aber nur eine von mehreren Ebenen des Films, und auf fast allen läuft Andersons Popcorn-Kino wieder wie geschmiert. Nur an die eigentliche Handlung dürfte sich nach ein paar Stunden kein Zuschauer mehr erinnern. Auf der moralischen Ebene lässt sich Zsa-Zsa als Gegenentwurf zum historischen Tycoon wie zum zeitgenössischen Tech-Milliardär deuten – aber als größenwahnsinniger Welten-Erschaffer ist er auch ein Sinnbild des Filmregisseurs selbst.

 

Mehr auf die Tochter hören

 

Gleichviel: Zsa-Zsa gewinnt seine Menschlichkeit zurück, indem er auf die Stimme seiner vernünftigen Tochter hört. Mit dieser schlichten Botschaft erweist sich Andersons Filmkosmos als europhile Alternative zum Superhelden-Universum à la Marvel, aber eben auch als nicht viel mehr.