
Im Jahr 1950 ist Zsa-Zsa Korda (Benicio del Toro) einer der reichsten und umstrittensten Geschäftsmänner der Welt. Seine Projekte kennen keine geografischen oder politischen Grenzen, so dass selbst die Regierungen verfeindeter Länder ihm das Handwerk legen wollen. Zu Beginn des Films überlebt er seinen sechsten Flugzeugabsturz. Das abermalige Nahtod-Erlebnis bringt ihn zum Nachdenken, und so beschließt er, seinen Nachlass zu regeln.
Info
Der Phönizische Meisterstreich
Regie: Wes Anderson
101 Min., USA/ Deutschland 2025;
mit: Benicio Del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Tom Hanks
Weitere Informationen zum Film
Weltreise zum Geldeintreiben
Dafür sieht sein Plan nicht weniger als eine Kombination aus Assuan-Staudamm, Suez-Kanal und Gotthard-Tunnel vor. Leider fehlt zur Fertigstellung noch eine beträchtliche Summe Geld, die er bei einer Reihe dubioser Geschäftspartner eintreiben will. So begeben sich Vater und Tochter auf eine Reise um die Welt, um gemeinsam die Finanzierung zu sichern und nebenbei ihr schwer gestörtes Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.
Offizieller Filmtrailer
Bilderbuch-Welt mit verfeinertem Stil
Da es sich bei diesem Film um ein Werk von Wes Anderson handelt, dient die Ausgangslage vor allem dazu, eine Unmenge schräger Figuren einzuführen und in allerlei haarsträubende Situationen zu bringen. Die zahlreichen Stationen der Weltreise sind der Anlass, um eine entsprechende Menge entzückend arrangierter Sets zu errichten, in denen sich Andersons persönliche Handschrift entfalten kann.
Symmetrisch rechtwinklig abgezirkelte Tableaus, zwischen denen per 90-Grad-Reißschwenk oder Schnitt gewechselt wird – diesen Stil hat Anderson in jedem seiner Filme verfeinert, so wie der belgische Comiczeichner Hergé seine ligne claire. Mit der Bilderbuch-Welt von Hergés Serie „Tim & Struppi“ hat „Der phönizische Meistertrick“ auch den leichtfüßigen Umgang mit politischen Themen und physischer Gewalt gemeinsam.
Ohne Sklavenarbeit, Hungersnöte + Putsche
Unternehmer Korda lebt gefährlich und führt als universales Begrüßungsgeschenk nicht von ungefähr stets eine Kiste Handgranaten mit sich. Doch in den verschiedenen Konfrontationen mit seinen potentiellen Geldgebern zählt eher Verhandlungsgeschick als Meuchelmord. Zudem sorgt Liesl dafür, dass er bei diesem Projekt auf die gewohnten Mittel verzichten will: Von nun an sollen Sklavenarbeit, fingierte Hungersnöte und Putsche der Vergangenheit angehören.
Allein die Rededuelle zwischen Zsa-Zsa und Liesl sind ein Filmvergnügen für sich – allerdings nur in der englischen Originalfassung. Papa ist auf distinguierte Weise besoffen von sich selbst; seine Tochter so, wie alle Teenager gerne wären: moralisch haushoch überlegen und nie um einen trockenen Spruch verlegen.
Overacting als Tugend
Außerdem tritt noch der übliche Pantheon von Hollywood-Stars auf, die sich in Andersons künstlicher Comic-Umgebung darin überbieten, einander die Show zu stehlen. So verwandelt sich Michael Cera aus einem norwegischen Hauslehrer in einen amerikanischen Doppelagenten; in dieser Umgebung, in der overacting als Tugend daherkommt, erscheint das alles durchaus folgerichtig.
Höhepunkt der Albernheit ist wohl das uncoolste Basketball-Match aller Zeiten, das sich Tom Hanks und Bryan Cranston liefern. Übertroffen werden sie nur von Benedict Cumberbatch, der mit angeklebtem Bart Zsa-Zsas dämonischen Bruder gibt. Allein mit dem biblischen Personal – u.a. Willem Dafoe, F. Murray Abraham und Bill Murray –, das Zsa-Zsa während seiner zahlreichen Nahtod-Episoden imaginiert, ließe sich ein eigener Sandalenfilm besetzen.
Kulissen-Bilder im Abspann aufgelistet
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Asteroid City" – 1950er-Jahre-Sci-Fi-Komödie von Wes Anderson
und hier eine Besprechung des Films "The French Dispatch" – Hommage an die goldenen Zeiten des Magazin-Journalismus von Wes Anderson
und hier einen Bericht über den Film "Isle of Dogs - Ataris Reise" – hochklassiger Stopptrick-Animationsfilm von Wes Anderson
und hier einen Beitrag über den Film "The Grand Budapest Hotel" – überdrehte Komödie im Fantasie-Osteuropa mit großem Staraufgebot von Wes Anderson.
Diese bildungsbürgerlichen Details bilden aber nur eine von mehreren Ebenen des Films, und auf fast allen läuft Andersons Popcorn-Kino wieder wie geschmiert. Nur an die eigentliche Handlung dürfte sich nach ein paar Stunden kein Zuschauer mehr erinnern. Auf der moralischen Ebene lässt sich Zsa-Zsa als Gegenentwurf zum historischen Tycoon wie zum zeitgenössischen Tech-Milliardär deuten – aber als größenwahnsinniger Welten-Erschaffer ist er auch ein Sinnbild des Filmregisseurs selbst.
Mehr auf die Tochter hören
Gleichviel: Zsa-Zsa gewinnt seine Menschlichkeit zurück, indem er auf die Stimme seiner vernünftigen Tochter hört. Mit dieser schlichten Botschaft erweist sich Andersons Filmkosmos als europhile Alternative zum Superhelden-Universum à la Marvel, aber eben auch als nicht viel mehr.