Sam Riley

Islands

Inseltour mit Fotostopps: Dave (Jack Farthing) fotografiert Tom (Sam Riley), Anne (Stacy Martin) und Anton (Dylan Torrell). Foto: 2025 Augenschein Filmproduktion / LEONINE Studios
(Kinostart: 8.5.) Niemand ist eine Insel – in diesem Fall doch: Ein Touristen-Tennislehrer auf den Kanaren wird in eine durchsichtige Dreiecksgeschichte verwickelt. Der Möchtegern-Thriller von Regisseur Jan-Ole Gerster gleicht einem Alptraum-Urlaub, bei dem man jedes Gerede der Hotel-Nachbarn mit anhören muss.

Fuerteventura ist eine der trockensten Inseln der Kanaren; eine Mondlandschaft aus Vulkangestein und Sand. Abwechslung fürs Auge bieten nur die Bettenburgen, die spanische Hoteliers in die Einöde gebaut haben. In einer dieser Touristen-Anlagen arbeitet der Brite Tom (Sam Riley) als Tennislehrer.

 

Info

 

Islands

 

Regie: Jan-Ole Gerster,

123 Min., Deutschland 2025;

mit: Sam Riley, Stacy Martin, Jack Farthing, Dylan Torrell

 

Weitere Informationen zum Film

 

Sein Leben folgt einer festen Routine: Zuverlässig verkatert steht er tagsüber auf dem Platz, um Hotelgästen aller Altersstufen bei der Vorhand-Verbesserung zu helfen. Ersten Bierchen nach den matches folgt nach Feierabend das Abtauchen in einem Club mit noch mehr Drinks, Koks und one-night stands. Am nächsten Morgen wacht er auf, wo er gestern umgekippt ist, und das Spiel beginnt von neuem. In der ersten Einstellung liegt er in der Wüste hinterm Hotel, als sei er vom Himmel gefallen.

 

Desillusionierter mit trüber Vergangenheit

 

Eine Viertelstunde lang führt Filmemacher Jan-Ole Gerster in Toms trostloses Leben ein; eine Weile sieht es so aus, als könnte sich um diesen desillusionierten Mann mit unklarer Vergangenheit eine interessante Geschichte entspinnen. Das zeichnet sich ab, als die blonde Anne (Stacy Martin) ihren Sohn Anton zur Tennisstunde anmeldet; wenig später lernt Tom auch Annes Mann Dave (Jack Farthing) kennen.

Offizieller Filmtrailer


 

Dialoge über Frühstücksflocken

 

Um es – was der Film tunlichst vermeidet – kurz zu machen: Die drei verbringen einige Zeit miteinander. Deutlich wird, dass sich Tom und Anne zueinander hingezogen fühlen, während es zwischen Anne und Dave, einem Ex-Alki, offenbar nicht mehr so gut läuft. Als Dave nach einer Sauftour verschwindet, springt Tom als Ersatzvater ein, und allmählich ahnt er, was hier gespielt wird. Bis sein Groschen fällt, dauert es aber fast 100 Filmminuten – während das jeder schon bei der ersten Tennisstunde begriffen haben dürfte, der je einen beliebigen ZDF-Urlaubsfilm gesehen hat.

 

Die Banalität der Geschichte wird nur noch durch die der Dialoge übertroffen, in denen von Frühstücksflocken wie „Choco Pops“ die Rede ist, oder einer TV-Serie, in der Anne einmal zu sehen war. Je länger der Film dauert, desto mehr gleicht er einem alptraumhaften Hotelurlaub auf einer entlegenen Insel – auf der man ohne Bücher oder Kopfhörer dazu verurteilt wäre, zwei Wochen lang alle Geschichten der Tischnachbarn anzuhören.

 

Kind wird Urlaubs-Therapie benötigen

 

Die einzigen, die eine gewisse Würde bewahren, sind die Einheimischen: Hotelangestellte, Polizisten und Türsteher ertragen die Eskapaden der britischen Urlauber augenrollend, aber geduldig. Die scheuen sich nicht, das gesamte Umfeld mit ihren privaten Angelegenheiten zu behelligen. Bald kreist auch noch ein Rettungshubschrauber über dem Strand, und aus der nächsten Stadt eilt ein Kommissar herbei, um Anne und Tom den Kopf zu waschen. Aber das ficht sie nicht an; sie haben Wichtigeres im Kopf, nämlich sich selbst.

 

So gibt es für die Schauspieler relativ wenig zu tun. Sam Riley verkörpert kompetent einen Dauerverkaterten, der mit den Folgen eines Filmrisses kämpft. Stacy Martin hat durchgehend schlechte Laune und scheint Kinder nicht besonders zu mögen. Da das Drehbuch aber dummerweise ein Kind vorschreibt, wird Anton so häufig wie möglich bei irgendeiner Animateurin geparkt. Später braucht der Junge vermutlich eine Therapie, um diesen Urlaub zu verarbeiten.

 

Kamel als Schweinehund-Symbol

 

Noch bedauernswerter als er ist nur noch ein Kamel, das immer wieder aus der nahen Kamelfarm abhaut und vermutlich ein Symbol für irgendetwas sein soll – vielleicht für Toms inneren Schweinehund: majestätisch, sensibel und nicht besonders helle. Einzig Jack Farthing als Dave tritt dynamisch auf und sorgt damit für Spannung, doch sie verpufft sofort nach seinem Verschwinden.

 

Selbst die Hoffnung trügt, Anne würde sich in einem Twist à la Alfred Hitchcock als raffinierte Arrangeurin dieser für alle peinlichen Situation entpuppen. Immerhin hat sie diese Reise geplant. Allerdings scheint sie, sobald sie ihren früheren Fehltritt noch einmal durchgespielt hat, zu dem Schluss zu kommen, dass sie mit einem unfähigen Vater genug gestraft ist. Daraufhin verfällt sie in die gleiche Apathie, in der Tom schon die ganze Zeit verharrt – und aus der er ausgerechnet jetzt erwacht.

 

Nachfolger von „Oh Boy“ + „Lara“ scheitert

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Lara" – intensives Mutter-Sohn-Kammerspiel von Jan-Ole Gerster

 

und hier eine Besprechung des Films "Challengers – Rivalen" – clever doppelbödige Tennisprofi-Dramödie von Luca Guadagnino

 

und hier einen Beitrag über den Film "Cranko" – stimmiges Biopic des Choreographen John Cranko mit beeindruckenden Tanzszenen von Joachim A. Lang mit Sam Riley.

 

Unschwer ist Tom als älterer Verwandter des Protagonisten Niko aus „Oh Boy“ (2012) zu erkennen, dem sehr erfolgreichen Regie-Debüt von Jan-Ole Gerster. Auch Niko, gespielt von Tom Schilling, war ein Windbeutel, der mit dem Erwartungsdruck von Eltern und Gesellschaft haderte – innerlich war er überzeugt, dass die Welt ihm etwas schuldig sei.

 

Im ähnlich gelungenen, aber weniger beachteten Nachfolger „Lara“ (2019) gelang Gerster das Kunststück, Sympathie für eine empathiefreie Mutter zu wecken: Corinna Harfouch als gescheiterter Musikerin. Nun wäre in „Island“ eine therapeutische Familienaufstellung an der Reihe, doch die gelingt dem Regisseur leider nicht: Lange wurde im Kino nicht mehr so viel Aufhebens um einen Urlaubsfick gemacht.

 

Schön öde wie die Landschaft

 

Darum drehte sich auch „Lucia und der Sex“ (2001) von Julio Medem, der dafür jede Menge poetischen Quatsch bemühte. Doch er hatte Gersters mattem Möchtegern-Thriller drei Dinge voraus: dramaturgische Unberechenbarkeit, die phänomenale Paz Vega in der Titelrolle und Sex. „Islands“ ist dagegen nur schön bebildert, aber dabei – wie die Landschaft – von gähnender Ödnis.