Yoko Ono + John Lennon

One to One: John & Yoko

Standbild aus dem Film "Bed Peace", 1970 dir: John Lennon & Yoko Ono,© 1970 Yoko Ono Lennon
(Kino-Start: 26.6.) All We are Saying is Give Peace a Chance: Ein legendäres Konzert von Ex-Beatle John Lennon mit seiner Frau Yoko Ono 1972 macht Regisseur Kevin MacDonald zum Aufhänger für eine flott montierte Geschichtsstunde. Die Story wird dabei allein durch O-Töne und Archivmaterial lebendig.

“Power to the people!” ruft das aufgeheizte Publikum im New Yorker Madison Square Garden. Die Stimmung am 30. August 1972 ist elektrisiert, der Saal bis unter die Decke gefüllt. Gleich wird John Lennon auf die Bühne treten, um ein Konzert zu geben – ohne die Beatles! Es ist eine Sensation.

 

Info

 

One to One: John & Yoko

 

Regie: Kevin Macdonald,

101 Min., Großbritannien 2024;

mit: John Lennon, Yoko Ono

 

Weitere Informationen zum Film

 

Gut ein Jahr zuvor hatte sich die legendäre britische Rockband getrennt. Die Gründe für dafür waren mannigfaltig: Seit dem Tod ihres Managers Brian Epstein 1967 hatte sich die Dynamik unter den Musikern verschoben. Alkohol, Drogen, Vaterpflichten, kreative Differenzen sowie unterschiedliche Geschäftsinteressen führten schließlich zum Bruch.

 

Yoko Ono als Sündenbock

 

Lennon wollte den Popstar-Rummel um die Beatles schon lange hinter sich lassen; er sah sich eher als politischer Künstler. Seine Liebe zu Yoko Ono, die er 1968 in London kennengelernt hatte, gab diesem Sinneswandel ein Gesicht, zumal sie gemeinsam die experimentelle „Plastic Ono Band“ gründeten. Die Medien stürzten sich auf das Paar. Für Beatles-Fans und Kritiker wurde die japanische Avantgarde-Künstlerin zum Sündenbock; sie gaben ihr die Schuld am Ende der Band.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Das letzte große Konzert

 

Im September 1971 zogen Lennon und Ono von London nach New York um; 18 Monate lang lebten sie in einer kleinen Wohnung im Greenwich Village. Sie mischten sich unter das ansässige Künstlervolk – und sie sahen viel fern. Mit dieser Information beginnt Regisseur Kevin Macdonald seinen Dokumentarfilm, der sich auf diese Phase im Leben des legendären Künstlerpaares konzentriert.

 

„One to One: John & Yoko“ verdankt seinen Titel jenem berühmten Konzert, das Lennon damals in New York mit Yoko Ono an seiner Seite spielte. Es sollte seine letzte abendfüllende Live-Show bleiben, bis er am 8. Dezember 1980 einem Attentat zum Opfer fiel. Angeregt wurde die Benefizveranstaltung von einer TV-Reportage über die unmenschlichen Zustände in psychiatrischen Einrichtungen wie der Willowbrook State School auf Staten Island, einem der fünf boroughs von New York.

 

Fülle an historischem Material

 

Die erschütternden Bilder der Sendung sind Teil des Films; seine Montage bedient sich vor allem an einer Fülle von zeitgenössischem Film- und Fernsehmaterial. Darüber hinaus verwenden Macdonald und sein Mitarbeiter Sam Rice-Edwards nur wenige erzählende Bildunterschriften, um geschichtliche Zusammenhänge darzustellen. Auf zurückblickende Interviews wird ebenfalls verzichtet. So entsteht allein auf Basis der historischen Quellen ein gesellschaftliches Stimmungsbild, das die Atmosphäre jener Tage spürbar macht.

 

Darin eingebettet wird ein Porträt des Promi-Paars unmittelbar nach seiner Ankunft in New York: Lennon wirkt sichtlich befreit, und auch Ono tritt mehrmals hinter ihrem schwarzen, schweren Haarvorhang hervor. Betont wird ihre menschliche Seite: Tonaufnahmen von privaten Telefongesprächen sowie zahlreiche Radio- und TV-Interviews geben Einblick in Lennons Gedanken, Meinungen und Ängste.

 

Fernsehen mit John Lennon

 

Es geht um Vietnam, Richard Nixon, Rassismus und Freiheitskampf, aber auch um Privates wie das Sorgerecht für Onos Tochter aus erster Ehe. Darüber hinaus zeigt der Film, wie Lennon und Ono geschickt ihren Prominentenstatus nutzen, um politische Statements zu lancieren. Oftmals schließen sie sich mit Gleichgesinnten wie dem Beatnik-Poeten Allen Ginsberg oder den linken Aktivisten Jerry Rubin und AJ Weberman zusammen. An einer Stelle gesteht Lennon aus dem Off, wie gerne er Fernsehen schaue.

 

Für ihn sei der Bildschirm am Ende des Bettes „das Fenster zu Welt“, mitsamt den Cornflakes- und Cadillac-Werbespots, Nachrichten- und Ratesendungen. Der 1940 in Liverpool geborene Musiker ließ sich im Alltag gerne von einer auf Zerstreuung und Konsum ausgerichteten Medien- und Entertainment-Industrie berieseln.

 

Großereignis im Kontext

 

Durch die zahlreichen Quellen zappt auch „One to One“ wie durch TV-Kanäle. Diese rasante Doku ist eine wilde Collage, die das gleichnamige Konzert im Madison Square Garden zum musikalischen Aufhänger macht. Nur stellt sich die Frage: Warum gerade jetzt?

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Marley" fesselnde Doku über die Reggae-Ikone Bob Marley von Kevin Macdonald

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Yoko Ono: Peace is Power" – Retrospektive der größten Rockdiva des Kunstbetriebs im Museum der bildenden Künste, Leipzig

 

und hier einen Bericht über den Film "Der Mauretanier" – Dokudrama über den Leidensweg eines Häftlings im US-Gefängnis Guantánamo von Kevin Macdonald mit Tahar Rahim

 

und hier einen Beitrag über den Dokumentarfilm "Beuys" – Filmporträt des Aktionskünstlers aus Archiv-Material von Andreas Veiel.

 

Man sei auf ihn zugekommen, sagt Macdonald, um das kürzlich restaurierte 16-Millimeter-Filmmaterial des Konzerts erstmals auf die Leinwand zu bringen; bisher existiere nur ein schlecht produzierter Mitschnitt auf VHS aus den 1980er Jahren. Wie in seinem gelungen Porträt der Reggae-Ikone „Marley“ (2012) ordnet der Regisseur das musikalische Großereignis in die politischen Ereignisse im Umfeld ein.

 

Rekonstruierte Wohnung als Ruhepol

 

Dazu zählen Unruhen im Attica-Gefängnis von New York oder ein Mordanschlag auf den Gouverneur von Alabama, George Wallace. Um nichts zu verpassen, muss man dran bleiben und sich hineinziehen lassen in die flimmernden Erinnerungen. Allerdings hat der audiovisuelle overkill auch einen Nachteil.

 

Einige der Aussagen von Lennon und Ono, über die man gerne länger nachdenken würde, verhallen allzu schnell im Klang- und Bilderrausch. Dagegen wirkt ihre bis auf den letzten Zigarettenstummel rekonstruierte Wohnung in der 105 Bank Street, New York, wie ein Ruhepol. Langsam schweift die Kamera immer wieder durch die Räumlichkeiten, als wolle sie die Geister von damals heraufbeschwören.

 

Eloquente Yoko Ono

 

Nebenbei würdigt der Film Yoko Ono als schlagfertige Protagonistin in einem von Männern dominierten Milieu; eine eloquente, wenn auch exzentrische Frau, die ehrlich über die persönlichen Auswirkungen der medialen Hasskampagne gegen sie spricht. Der Umzug nach New York war für beide offenbar mehr als nur eine Ortsveränderung, sondern eher eine Art Wiedergeburt.