Leonardo DiCaprio + Sean Penn

One Battle After Another

Bob Ferguson (Leonardo DiCaprio) auf der verzweifelten Suche nach seiner Tochter Willa. Foto: Courtesy Warner Bros. Pictures
(Kinostart: 25.9.) Linker Drogenfresser-Revoluzzer gegen sexuell frustrierten Rechtsaußen-Offizier: Der Roman “Vineland” von Thomas Pynchon verdichtet die Lagerbildung in den USA zum Zweikampf. Seine aktualisierte Verfilmung durch Paul Thomas Anderson ist ein Meisterwerk, in dem alles passt.

„Ich und Willas Mom, wir waren krass unterwegs. Wir haben wirklich üblen Scheiß gemacht.“ So fasst Bob Ferguson (Leonardo DiCaprio) die Zeit vor der Geburt seiner Tochter (Chase Infiniti) zusammen. Damals war er als Ghetto Pat bekannt. Willas Mutter – seine Frau und große Liebe – Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor) ist verschwunden, als Willa noch ein Baby war. Dennoch verklärt Bob sie immer noch zur Heldin.

 

Info

 

One Battle After Another 

 

Regie: Paul Thomas Anderson,

161 Min., USA 2025;

mit: Leonardo DiCaprio, Sean Penn, Benicio del Toro

 

Weitere Informationen zum Film

 

Mit „wirklich üblem Scheiß“ meint er den bewaffneten Kampf am Anfang des neuen Jahrhunderts: Seine militärisch gedrillte und mehrheitlich von schwarzen Frauen dominierte Guerilla-Gruppe „French 75“ kämpfte mit großen Mengen Sprengstoff gegen das politische System in den USA, die aus ihrer Sicht von einer autoritären weißen Oberschicht repressiv regiert wurden. Unter anderen stürmte das Kommando damals ein Lager der Einwanderungsbehörde ICE und befreite mehr als 200 dort inhaftierte Immigranten.

 

Sexualopfer wird Feind fürs Leben

 

Dabei trifft die liebestolle Perfidia auf den Befehlshaber Colonel Steven J. Lockjaw (Sean Penn). Sie überwältigt und demütigt ihn sexuell mit großem Genuss an der Sache. Damit schafft sie sich einen Feind fürs Leben. Doch Lockjaw will nicht einfach nur Rache; er ist von der Idee besessen, sich diese Frau gefügig zu machen, deren erotische Energie ihm überlegen ist.

Offizieller Filmtrailer


 

Zweite Adaption eines Pynchon-Romans

 

Während Lockjaw die Gruppe mit allen Mitteln verfolgt und zerschlägt, gelingt es ihm auch, Perfidia kurz nach der Geburt ihrer Tochter Willa zu verhaften. Er bringt sie in einem Zeugenschutz-Programm unter, um direkten Zugriff auf sie zu haben. Doch Perfidia kann fliehen und taucht spurlos unter. Selbst Bob und Willa werden kein Lebenszeichen mehr von ihr erhalten, bis das Mädchen 16 Jahre alt ist.

 

Mit „One Battle After Another“ hat Paul Thomas Anderson zum zweiten Mal nach „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ (2014) einen Roman von Thomas Pynchon adaptiert: „Vineland“ erschien 1990, der Regisseur verlegt die Handlung in die Gegenwart. Im Zentrum von Buch und Film steht die Beziehung zwischen Vater und Tochter. 16 Jahre nach den wilden Guerilla-Abenteuern hat sich Bob mit Willa in ein Provinznest zurückgezogen. Hier untersagt er seiner Tochter strikt, Mobiltelefone oder digitale Medien zu benutzen, und überwacht penibel ihren sozialen Umgang – er fürchtet immer noch, dass Lockjaw ihn umbringen will.

 

Mit Karatelehrer in die letzte Schlacht

 

In der Rolle als paranoid verdrogter Ex-Revolutionär ähnelt er „The Dude“, der Hauptfigur der Dropout-Krimikomödie „The Big Lebowski“ (1998) von Joel und Ethan Coen. Allerdings befindet sich Bob anders als der tiefenentspannte Dude ständig im Ausnahmezustand. Doch als Willa eines Tages entführt wird, erweisen sich Bobs Befürchtungen plötzlich als absolut berechtigt.

 

Damit bleibt ihm nur, noch einmal in die Schlacht zu ziehen, um seine Tochter zu retten; mit Hilfe seines Freundes Sensei Sergio (Benicio del Toro), einem Karatelehrer, den nichts aus der Ruhe bringt. Dummerweise kann sich Bob aufgrund seines Drogenkonsums kaum an die Passwörter für die Kommunikation mit seinen früheren Waffenbrüdern erinnern. Und an körperlicher Fitness mangelt es ihm obendrein.

 

Schlagabtausch zwischen Extremisten

 

Neben dem Militär macht bald auch der „Christmas Adventure Club“ Jagd auf Bob; eine Vereinigung mächtiger weißer Rassisten, die sich mit „Heiliger Nikolaus!“ begrüßen. Auf den Plan gerufen hat sie der Colonel; in ihr Mitglied zu werden, bedeutet für ihn die Erfüllung seiner Existenz. Was sich bewahrheiten wird – nur ganz anders, als er denkt.

 

Regisseur Paul Thomas Anderson inszeniert den Feldzug von Bob gegen Lockjaw voller Witz, Slapstick und Spannung, so dass seine Dramödie in jeder Minute fesselt. Zugleich steckt in seiner burlesken Beschreibung der gesellschaftlichen und politischen Lage aber auch viel ernst gemeinte Boshaftigkeit – man kommt beim Schlagabtausch zwischen den links- und rechtsextremen Protagonisten kaum umhin, an heutige Entwicklungen in den USA zu denken.

 

Nicht Wortlaut, aber Geist der Vorlage

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Licorice Pizza" nostalgisch sensible High-School-Sittenkomödie über Jugendliche im Kalifornien der 1970er Jahre von Paul Thomas Anderson

 

und hier eine Besprechung des Films "Der seidene Faden" über einen exzentrischen Schneider im London der 1950er Jahre von Paul Thomas Anderson

 

und hier einen Beitrag über den Film "Inherent Vice – Natürliche Mängel" – fantasievolle Verfilmung des 70er-Jahre-Späthippie-Krimis von Thomas Pynchon durch Paul Thomas Anderson mit Joaquin Phoenix

 

und hier einen Bericht über den Film "The Master" – ambivalentes Psychodrama über die Scientology-Sekte von Paul Thomas Anderson mit Philip Seymour Hoffman.

 

Zwar folgt Anderson nicht wirklich der Romanvorlage, aktualisiert sie inhaltlich aber im Geiste des Autors, wobei er wichtige Bestandteile beibehält: etwa sprechende Namen, eine von Gossensprache durchtränkte Redeweise der Figuren und Pynchons Behauptung, hinter der Fassaden der offiziellen Politik laufe eine Parallelgeschichte ab – solche Elemente der literarischen Welt des US-Schriftstellers, der die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten meidet, transportiert der Film in die Gegenwart.

 

All das wird in durchgehend großartigen Bildern gezeigt. Einander so rasant hetzende Autos wie gegen Ende des Films in einer wüstenhaften Landschaft waren wahrscheinlich seit der legendären zehnminütigen Verfolgungsjagd von Steve McQueen im Krimi „Bullitt“ (1968) nicht mehr auf der Leinwand zu sehen. Zudem kann sich Anderson auf seine erstklassigen Schauspiel-Stars verlassen. Sowohl Leonardo DiCaprio als tollpatschiger Terrorist als auch Sean Penn, der als Uniformträger aufgeblasen herumstakst, laufen zu Höchstform auf.

 

Wo bleibt Präsidialerlass-Verbot?

 

Dabei verstärkt der – wie immer bei Anderson – sorgfältig ausgewählte Soundtrack kongenial die emotionale Wirkung und popkulturelle Bedeutung an den richtigen Stellen. Ein Meisterwerk aus einem Guss wider den trumpistischen Zeitgeist: Da verwundert eigentlich nur, dass dieser Film in den USA noch nicht per Präsidialerlass verboten worden ist.