Trier

Marc Aurel – Kaiser, Feldherr, Philosoph

Giovanni Paolo Pannini (1691–1765): Capriccio mit der Reiterstatue von Marc Aurel (Detail), 1745, © Gallerie Nazionali d'Arte Antica di Roma. Fotoquelle: Rheinisches Landesmuseum Trier
Seine „Selbstbetrachtungen“ wurden ein Bestseller – 1400 Jahre nach seinem Tod. Marc Aurel gilt als der wohl beste Kaiser, den das Römische Reich je hatte; doch warum, ist oft unklar. Leben und Taten zeichnet das Rheinische Landesmuseum anschaulich nach – das Stadtmuseum verhebt sich an einer Aktualisierung.

Zunächst ein Blick auf das, was fehlt – die beiden bedeutendsten und gewichtigsten Kunstwerke mit Bezug auf Marc Aurel (121-180 n.Chr.). Zum einen das größte: die Marcus-Säule auf der Piazza Colonna mitten in Rom vor dem Palazzo Chigi, dem Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten. Die fast 30 Meter hohe Säule enthält innen eine Wendeltreppe, so dass man sie besteigen kann. Außen schmückt sie ein Reliefband in 20 Windungen; 116 Einzelszenen zeigen, wie der Kaiser in den Markomannen-Kriegen das Reichsgebiet an der Donau gegen Eindringlinge verteidigte.

 

Info

 

Marc Aurel –
Kaiser, Feldherr, Philosoph

 

15.06.2025 - 23.11.2025

täglich außer montags 10 bis 18 Uhr

im Rheinisches Landesmuseum, Weimarer Allee 1, Trier

 

Katalog 40 €

 

Weitere Informationen zur Ausstellung

 

 

Marc Aurel - Was ist gute Herrschaft?

 

täglich außer montags 10 bis 18 Uhr

im Stadtmuseum Simeonstift, Simeonstraße 60, Trier

 

Katalog 19,90 €

 

Weitere Informationen zur Ausstellung

 

Zum anderen die Reiterstatue des Kaisers auf dem Kapitol in Rom. Sie ist wohl das bekannteste Reiterstandbild der Welt – zahlreiche Herrscher sind später in ähnlicher Weise hoch zu Ross verewigt worden. Marc Aurel sitzt in leichter Uniform und fast schon lässiger Weise auf dem Pferd. Den rechten Arm hat er zu einer Geste erhoben, deren Bedeutung bis heute umstritten ist: Grüßt er das Volk oder seine Truppen? Hält er eine Ansprache? Oder zeigt er einfach seine souveräne Beherrschung der Lage?

 

Reiterstatuen-Kopie von Helmut Schmidt

 

Dass beide Artefakte nicht ausgeliehen werden können, gleicht die Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum hervorragend aus; im Fall der Säule mit Foto-Reproduktionen einzelner Reliefs, welche die Drastik der Kriegs-Szenen deutlicher erkennen lassen, als das in situ möglich wäre. Und im Fall der Reiterstatue nicht nur mit Repliken in der zweiten Ausstellung im Stadtmuseum, darunter einer Kopie aus dem Arbeitszimmer von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, sondern vielmehr mit ausgiebiger Erläuterung von Marc Aurels Souveränität am Beispiel seiner „Selbstbetrachtungen“.

Impressionen der Ausstellung


 

Im Jahrhundert der Adoptivkaiser

 

Vor allem diese Schrift über die Tugenden der Bescheidenheit, Mäßigung und Selbstkontrolle begründete seinen Nachruhm – allerdings erst in der Neuzeit, nachdem sie 1558/9 erstmals gedruckt und danach vielfach übersetzt worden war. In der Antike galt Marc Aurel als Inbegriff eines guten Kaisers wegen seiner gewissenhaften Regierungsführung, die Krisen geschickt abfederte, aber auch wegen der erfolgreichen Verteidigung des Territoriums gegen äußere Feinde. Dass beides – stoische Philosopie einerseits, entschiedenes Durchgreifen andererseits – einander nicht widerspricht, ist die Kernthese der Schau.

 

Dazu stellt sie ausführlich den Zustand des Römischen Reiches im zweiten Jahrhundert n.Chr. dar. Es war das Jahrhundert der Adoptivkaiser: Angefangen mit Nerva (gestorben 98 n.Chr.) waren vier Kaiser (außerdem Trajan, Hadrian und Antoninus Pius) kinderlos. Sie bestimmten ihre Nachfolger, indem sie viel versprechende Kandidaten adoptierten. Zugleich erlebte das Reich mit den Eroberungen von Trajan (gest. 117 n.Chr.) seine größte Ausdehnung und eine Phase stabiler Prosperität; das sollte sich in der Regierungszeit von Marc Aurel allmählich ändern.

 

Durch Heirat Schwiegersohn des Kaisers

 

Er entstammte einer hochrangigen Familie; sie hatte mit der Herstellung von Ziegeln aus Ton großen Reichtum erworben, was die Voraussetzung für politischen Aufstieg war. Seine Ur- und Großväter bekleideten höchste Ämter. Zwar starb sein Vater früh, doch Marc Aurel erhielt eine hervorragende Ausbildung durch Privatlehrer; er war ein fleißiger und gewissenhafter Schüler.

 

Als der todkranke Kaiser Hadrian im Jahr 138 n.Chr. Antoninus Pius zum Thronfolger kürte, zwang er diesen, zugleich Marc Aurel und Lucius Verus aus einer anderen Familie zu adoptieren. Sie waren dadurch als Nachfolger bestimmt; als der Ältere von beiden hatte Marc Aurel das Anrecht auf den Thron. Zudem heiratete er im Jahr 145 n.Chr. die 15-jährige Faustina, Tochter von Antoninus Pius; somit wurde er dessen Schwiegersohn. Ihre kinderreiche Ehe scheint harmonisch gewesen zu sein; eine in der Schau gezeigte Kamee vergöttlicht das Paar als Jupiter und Juno.

 

Adoptivbruder wird Mitkaiser

 

Bevor Marc Aurel seinen Schwiegervater beerben konnte, vergingen jedoch 23 Jahre: Antoninus Pius herrschte als Monarch von 138 bis 161 n.Chr.. Seine Regierungszeit verlief recht friedlich, was dem Thronanwärter Gelegenheit gab, sich gründlich auf seine künftige Position vorzubereiten. Als es soweit war, machte er seinen Adoptivbruder Lucius Verus zum Mitkaiser. Diese Doppelherrschaft war eine Premiere; erst im dritten Jahrhundert n.Chr. kam sie häufiger vor. Vermutlich wollte Marc Aurel verhindern, dass ihm sein potentieller Rivale gefährlich werden konnte.

 

Bis dahin ist die Präsentation ziemlich konventionell, wie in Antikensammlungen üblich: Marmorstatuen, -köpfe und -reliefs, Münzen und Gebrauchsgegenstände in bunter Reihe. Es ist keine kulinarische Ausstellung, die mit Schauwerten prunkt; man muss viel lesen, um die Kontexte zu begreifen, in denen die Exponate stehen. Das gilt naturgemäß für die Themenräume zur Philosophie der Stoiker und zu den „Selbstbetrachtungen“, aber auch für den zur so genannten „Antoninischen Pest“. Phiolen, Tiegel und ähnliches Zubehör verdeutlichen nur, dass damalige Ärzte kaum etwas vermochten – und „Pest“ nur ein Sammelbegriff für periodisch auftretende Seuchen war.

 

Statt Expansion nun Verteidigung

 

Das ändert sich im Abschnitt über Marc Aurels Kriegsführung. Kurz nach der Thronbesteigung ließ er zwei neue Legionen ausheben; das entsprach 11.000 Soldaten, zu denen mehr als 8.000 Mann Hilfstruppen kamen. Was die Schau mit einer ganzen Legion aus Spielzeugfiguren vor Augen führt – eine gewaltige Streitmacht. Der Kaiser benötigte sie für langwierige und wechselhaft verlaufende Kriege an der mittleren Donau gegen germanische und sarmatische Stämme. Um sie erfahrbar zu machen, wird ein multimediales Feuerwerk abgebrannt; samt Rekonstruktion von Legionslager und Statthalterpalast in Carnutum nahe Wien.

 

Auch wenn man sich kaum für das Hin und Her längst vergangener Feldzüge interessiert, wird klar: Zum ersten Mal seit Jahrhunderten gelang es äußeren Feinden, ins Reichsgebiet einzufallen und Städte zu zerstören – das lang anhaltende Gefühl von Sicherheit durch militärische Überlegenheit schwand. Künftig expandierte das Reich nicht mehr, sondern musste sich verteidigen. Angesichts solcher Schicksalsschläge lag es nahe, Trost in stoischer Selbstbescheidung zu suchen, wie sie Marc Aurel in seinem Brevier formulierte: „Denke stets auch daran, dass ein glückliches Leben auf ganz wenigen Dingen beruht.“

 

Saal voller Rathaus-Fresken aus Siena

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Caesar & Kleopatra" – anschaulicher Vergleich von Römischer Republik und Ptolemäer-Ägypten im Historischen Museum der Pfalz, Speyer

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann" – grandios inszenierte Ausstellungs-Trilogie in drei Trierer Museen

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Der Untergang des Römischen Reiches" –hervorragende Triple-Schau über Auslöser seines Verfalls in drei Museen in Trier

 

und hier einen Bericht über den Film "Seneca" – brillant groteskes Porträt des antiken Philosophen vor seinem Freitod von Robert Schwentke mit John Malkovich.

 

Diese Maxime hätten die Macher der zweiten Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift beherzigen sollen. Unter dem Titel „Was ist gute Herrschaft?“ versuchen sie allen Ernstes, auf zwei Etagen die Geschichte von good governance seit der Antike bis zur Gegenwart nachzuzeichnen. Ein vermessenes Vorhaben, das naturgemäß scheitern muss: In überfrachteten Räumen werden viele Aspekte nur angetippt, wobei die Auswahl der Objekte oft willkürlich und fragwürdig erscheint.

 

Obwohl sie teilweise eindrucksvoll sind: Einen ganzen Saal füllen Reproduktionen des Fresken-Zyklus im Palazzo Publico, also dem Rathaus von Siena. Ambrogio Lorenzetti schuf sie 1338/9; seine „Allegorien der guten bzw. schlechten Regierung“ und ihre Auswirkungen auf Stadt und Land sind ein figurenreicher Augenschmaus. Er lässt zahllose Details des Alltagslebens in Italien vor fast 700 Jahren erkennen, aber tatsächliche Herrschaftsformen selbstredend nicht – es handelt sich um Eigenwerbung der damaligen Stadtoberen.

 

Nur Fotos über „Demokratie in Gefahr“

 

In ihrer Oberflächlichkeit geradezu lächerlich wirken die letzten beiden Räume: Sie behandeln Volkssouveränität und parlamentarische Demokratie, als sei die Bundesrepublik im Hegelschen Sinne der Endzweck des Weltgeistes. Für „Demokratie in Gefahr“ bleiben nur ein paar Fotos übrig – dabei könnte man dem brennend aktuellen Thema ganze Ausstellungs-Zyklen widmen. Dieser sinnlosen Materialschlacht lässt sich nur eine Einsicht von Marc Aurel entgegenhalten: „Die Zeit, wo Du alles vergessen hast, ist nahe; nahe auch die Zeit, wo Dich alle vergessen haben.“