
Zwischen beiden Selbstporträts liegen rund 20 Jahre – mit einer Karriere ohnegleichen und eine Reihe epochaler Kunstwerke: Auf seinem Siebdruck von 1967 posiert Andy Warhol in selbstbewusst nachdenklicher Pose. Dagegen ist sein Bildnis mit Weißhaar-Fontäne auf dem Kopf von 1986, ein Jahr vor seinem Tod, zur ausdruckslosen Selbststilisierung erstarrt.
Info
Yes!Yes!Yes! Warholmania in Munich
+ Dark Pop
23.06.2015 - 18.10.2015
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr,
donnerstags bis 20 Uhr
im Museum Brandhorst, Theresienstraße 35 a, München
Drei Mal Elvis, zehn Mal Marilyn
Diese Sammlung zeichnet sich eher durch Quantität als durchgängige Qualität aus. Doch die Kuratoren, die erst seit drei Jahren bzw. Jahresanfang hier tätig sind, machen das Beste daraus; sie arbeiten den Bestand chronologisch und ziemlich luzide auf. Ob celebrities wie „Liz“ Taylor, die verzehnfachte Marilyn Monroe, der verdreifachte Elvis Presley oder eine Serie von Transvestiten-Porträts: All diese Werk-Komplexe wurden in den letzten Jahren zwar einzeln, aber nicht zusammen gezeigt.
Impressionen der Ausstellungen; © Jerzy Wasner
Pinkel-Persiflage auf Jackson Pollock
Kaum bekannt ist, dass Warhol in seinen Anfängen als Werbegrafiker und Schaufenster-Gestalter ein hervorragender Zeichner war. Seine frühen Grafiken wie junge Männer und zarte Pflanzen im „Gold Book“, Damenschuh-Modelle oder „Heilige Katzen“ seiner Mutter zeigen einen präzise-kräftigen und dennoch eleganten Strich. Er hatte ein ausgezeichnetes Gefühl für das Verhältnis von Figur zum Bildgrund sowie der Flächen zueinander.
Seine Formate wurden mit der Zeit immer größer. Warhols kritische Abstraktion und seine Fixierung auf die Oberflächen-Erscheinung sind deutlich erkennbar, besonders bei großformatigen Arbeiten: ob bei den fast gegenstandlosen „Shadows“ der späten 1970er Jahre oder den „Oxidation Paintings“ – einer Pinkel-Persiflage auf die drip paintings von Jackson Pollock.
Dark Pop als Begleit-Ausstellung
Ebenso bei den Rorschach- und camouflage-Bildern der 1980er Jahre; dabei verschwindet sogar Joseph Beuys in einem Tarnmuster. Zugleich lässt Warhol kommunistische Symbole wie Hammer und Sichel oder Lenin-Porträts mit dem kapitalistischen Warenwert von Kunst kollidieren: Jedes Bild hat seinen Preis, wie der Siebdruck „Dollar Note“ drastisch deutlich macht.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Andy Warhol - Frühe Werke" in der Villa Schöningen, Potsdam
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Ludwig goes Pop" - facettenreicher Überblick der Pop-Art mit Werken von Andy Warhol im Museum Ludwig, Köln
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Von Beckmann bis Warhol – Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts" aus der Sammlung Bayer mit Werken von Andy Warhol im Martin-Gropius-Bau, Berlin.
Düstere Faszination für Tragisches
Drastisch wirken nebenan Polkes Raster-Gemälde mit abgeschnittenen Köpfen unter dem Titel „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ und eine Bein-Plastik von Robert Gober, die aus der Wand ragt. Reale Gewalt zeigen Szenen von US-Rassenunruhen aus der Warhols Siebdruck-Serie „Death & Disaster“.
Ergänzt werden die grafischen Arbeiten um Mitschnitte von Warhols Fernsehsendung “15 Minutes“ und der Film-Projektion „Lupe“, die das Leben der mexikanischen Schauspielerin Lupe Vélez nacherzählt: Sie brachte sich schwanger im Alter von 36 Jahren um. Auch das zeigt Warhols düstere Faszination für Tragisches.
Diese Doppel-Ausstellung lässt zumindest erahnen, dass Warhols Bedeutung für die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts mehr als eine Behauptung ist: Ehe der Pop-Art-Gigant zum Selbstvermarktungs-Genie wurde, hat er immerhin durch Talent geglänzt.