Sein Leben war kurz und wild, doch er hat die Kunstgeschichte geprägt wie kaum ein anderer. Von Michelangelo Merisi (1571 – 1610), genannt Caravaggio, sind 65 Werke von eigener Hand erhalten. Ganze zwei davon befinden sich in deutschem Besitz: «Amor als Sieger», ein Aushängeschild der Berliner Gemäldegalerie. Und «Der ungläubige Apostel Thomas», Prachtstück der Potsdamer Bildergalerie in Sanssouci.
Info
Hommage an Caravaggio 1610 - 2010
12.10.2010 - 06.03.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr
in der Gemäldegalerie, Kulturforum Potsdamer Platz, Berlin
Caravaggios in Preußen
Marchese Vincenzo Giustiniani war ein wichtiger Mäzen Caravaggios, der seine Bilder ankaufte und dem Maler half, wenn er Ärger mit der Justiz hatte – gegen den Heißsporn wurde ständig wegen Beleidigung, Sachbeschädigung und Totschlags ermittelt. 1815 kaufte der preußische König die Sammlung Giustiniani an: So kamen fünf Caravaggios nach Preußen.
Impressionen der Ausstellung
Schon zu Lebzeiten oft kopiert
Drei davon sind verschollen. Sie waren während des Zweiten Weltkriegs mit den Beständen des Kaiser-Friedrich-Museums in einen Flak-Bunker in Berlin-Friedrichshain ausgelagert worden. Wenige Tage nach Kriegsende brannte der Bunker aus – bis heute ist ungeklärt, ob dabei alle Kunstwerke zerstört wurden. Als Memento zeigt die Gemäldegalerie schwarz-weiße Kopien der Verluste in einem eigenen Saal.
Dagegen kann sie zwei hochwertige Kopien als Leihgaben präsentieren: Das «Bildnis eines Mannes mit Schwert und Handschuhen» aus Privatbesitz und «Die heilige Familie mit dem Johannesknaben» aus der Galerie Alter Meister in Kassel. Das ist bei Caravaggio nicht ungewöhnlich: Viele seiner Hauptwerke sind in mehreren Fassungen erhalten oder in Kopien, die oft schon zu seinen Lebzeiten angefertigt wurden.
Krasse Hell-Dunkel-Kontraste
Denn sein einzigartiger Stil wurde Anfang des 17. Jahrhunderts schlagartig populär. Seine naturalistischen Darstellungen, die nichts beschönigten, die Dramatik seiner Figuren-Kompositionen und die raffinierte Lichtführung mit krassen Hell-Dunkel-Kontrasten riefen zahllose Nachahmer auf den Plan – die Caravaggisten.
Teils kamen sie aus seinem Umfeld in Rom. Wie Bartolomeo Manfredi, dessen ausgestelltes «Martyrium des heiligen Sebastian» vom Meister selbst stammen könnte. Oder Giovanni Baglione: Dessen Bild «Der himmlische Amor besiegt den irdischen Amor» will Caravaggio mit seinen eigenen Mitteln schlagen – das Vorbild hängt links daneben.
Tisch- + Bettgenosse Boneri
Das engste Verhältnis zu ihm hatte Francesco Boneri: Er stand Caravaggio Modell für den siegreichen Amor wie den römischen «Johannes der Täufer» und teilte wohl auch Tisch und Bett mit. Lange war er nur als Cecco del Caravaggio bekannt; erst seit wenigen Jahren weiß man seinen Taufnamen. Boneri malte selbst: Seine großformatige «Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel» verdankt in Figurenzeichnung und –anordnung dem Mentor viel.
Caravaggios revolutionäre Malweise wirkte auf den halben Kontinent: Die spanische Barockmalerei ist ohne ihn gar nicht zu denken. Das belegen zwei Werke von Jusepe Ribera, das «Brustbild eines Mannes mit dunklem Vollbart» und die monumentale «Madonna mit Kind und dem heiligen Bruno», weniger die gezeigten «Musiker» von Diego Velazquez. Auch in Frankreich ist sein Einfluss deutlich zu spüren, etwa bei der «Auffindung des heiligen Sebastians» aus der Werkstatt von Georges de La Tour.
Größter Erfolg in den Niederlanden
Am größten war sein Erfolg aber in den weit entfernten Niederlanden. In Utrecht verschrieb sich eine ganze Gruppe junger Maler dem neuen Stil – zu ihnen zählten Gerrit van Hondhorst, Hendrick ter Bruggen und Dirck van Baburen. Selbst Rembrandt und Rubens, die ihre ureigene Handschrift pflegten, konnten sich der Ausstrahlung des früh vollendeten Römers nicht entziehen.
Diese weit verzweigte Wirkungsgeschichte lässt sich in drei Sälen der Gemäldegalerie wunderbar konzentriert studieren. Drei Original-Werke, zwei hochwertige Kopien und 28 caravaggeske Bilder: Mehr Caravaggio geht in Deutschland nicht.