Schluss mit dem Zwang zum Schreiben von links nach rechts! Die Lettern tanzen, taumeln, trudeln, ballen sich und fliegen auseinander. In der Ausstellung des «Studienzentrums für Künstlerpublikationen» kann dem Besucher Lesen und Sehen vergehen. Oder er entdeckt es für sich ganz neu.
Info
Poetry goes Art & vice versa
21.05.2011 - 14.08.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, am Wochenende ab 11 Uhr in der Weserburg - Museum für moderne Kunst, Teerhof 20, Bremen
Titel als Etiketten-Schwindel
Das verdeutlichen Hunderte von Manuskripten und Publikationen von mehr als 80 Autoren. Man muss die vielen hier vertretenen Sprachen nicht verstehen, um sich am Einfallsreichtum der Arbeiten zu erfreuen: Da Konkrete Poesie Sprache und Schrift von ihrer Bedeutung löste und als reine Laute bzw. Zeichen verwendete, sind viele ihrer Werke universell verständlich.
Indes wurde sie nicht sehr populär. Von Ernst Jandl und, mit Abstrichen, seinem Landsmann Gerhard Rühm abgesehen, fand Konkrete Poesie nie ein großes Publikum. Das empfand offenbar ihren graphischen Witz und ihre Lust am Experiment als Spielerei. Insofern ist der englische Titel der Ausstellung ein kleiner Etikettenschwindel: Im angelsächsischen Raum mit seiner Fixierung auf das lineare Erzählen spielte Konkrete Poesie kaum eine Rolle.
Abgeschlossenes Sammelgebiet
Längst prägt die Rückkehr zum konventionellen Roman wieder den Literaturbetrieb. Da kommt diese Schau gerade recht: Sie erinnert daran, welche literarischen Freiheiten sich Dichter schon vor einem halben Jahrhundert genommen – und welche Möglichkeiten sie ausgekundschaftet haben.
Audio-Interview mit Kuratorin Anne Thurmann-Jajes
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ernst Jandl Show im Literaturhaus Berlin.
Allerdings umflort die Ausstellung das nostalgische Flair eines abgeschlossenen Sammelgebietes. Nicht nur, weil die meisten Erstausgaben inzwischen arg vergilbt sind, sondern vor allem, weil von dieser Bewegung so wenig geblieben ist. Am ehesten haben die Sprach-Bilder der so genannten Visuellen Poesie in der Werbung überlebt. Und die Laut-Poesie in der lautmalerischen Wort-Kaskaden der Slam-Poetry: Deshalb werden Führungen mit einem aktiven Slammer angeboten.