Natürlich mangelt es auch auf dieser Messe nicht an den geläufigen Selbstreferenz-Spielchen des Kunstbetriebs – wie bei Florian Meisenberg, der die derzeitigen Marktführer der Branche drastisch verdaut, indem er sie symbolisch durch seinen Darm schickt (Tanja Pol). Auch nicht an brachialen Versuchen, die Zweidimensionalität von Malerei in irgendeine Richtung zu überwinden – was bei Pablo Rasgado mit Sprenglöchern in der Wand endet (Arratia Beer).
Materialschlachten in der Post-Schlingensief-Ära
Oder im Revival der raumfüllenden Monster-Installation: Rokni and Ramin Haerizadeh wuchten ihr gesamtes Atelier in die Ausstellungsräume. Ein unüberschaubares Konglomerat aus Vorlagen, Un- und Halbfertigem, mit dem die Newcomer ihre Affinität zu Trash und pornographischen Wimmelbildern belegen. Das mag Neureichen in Dubai gefallen – von dort kommt Galeristin Isabelle van den Eynde. Doch im Deutschland der Post-Schlingensief-Ära wirken solche Materialschlachten entbehrlich.
Dennoch: Die Vielfalt des Gezeigten ist beeindruckend. Sie balanciert geschickt zwischen vertraut und unbekannt, Rückschau und Ausblick, regionalen Schwergewichten und internationaler Ausstrahlung. Bei den Künstlern laufen zahlreiche Zugpferde auf – Daniel Buren, Olafur Eliasson, Valie Export, Per Kirkeby, Matt Mullican und Elizabeth Peyton, um nur die Arriviertesten zu nennen.
Gelungene Standortwahl
Bei den Galerien sind die lokalen Platzhirsche nahezu vollzählig versammelt: Capitain Petzel, Contemporary Fine Arts, Crone, Eigen+Art, Kicken, neugerriemschneider, Giti Nourbakshsch, Sprüth Magers et al. Trotzdem kann man genug Nachwuchskräfte mit originellen Ansätzen entdecken, um ein Übermaß an Déjà-vu-Erlebnissen zu vermeiden.
So wächst die vierte «art berlin contemporary» über die Rolle einer Lückenbüßerin weit hinaus. Auch mit der Standortwahl: Das geschlossene Ensemble des ehemaligen Postbahnhofs am Gleisdreick eignet sich wesentlich besser als das weitläufige Messegelände mit seinen unübersichtlichen Raumfluchten.
Mit ihrem stimmigen Konzept gewinnt die abc-Messe ein unverwechselbares Profil, dass das «Art Forum» stets anstrebte und selten erreichte. Ihr dürfte ohnehin das Publikum kaum nachtrauern: Es fühlt sich vom überquellenden Kunst-Füllhorn der Hauptstadt erschlagen und sehnt sich nach kompakten Veranstaltungen, die das Überangebot kompetent sichten und bündeln. Und überflüssige Diskussionen – ein weiteres Berlin-Laster – rigoros beenden.
Wie der Beitrag von Andreas Slominski zur Ausstellung: Er montiert schlicht ein umgedrehtes Garagentor an die Wand. Von hinten betrachtet, erscheint das Allerwelts-Readymade plötzlich als nie gesehene Raumskulptur und interessant serielle Komposition: Klappe zu, Debatte geschlossen.