
„Glauben Sie nicht, dass es ausreicht, auf einen Knopf zu drücken!“, wies die Porträtfotografin Gisèle Freund (1908-2000) einmal Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre zurecht. Das Starphilosophen-Paar hatte der Fotografin nur fünf Minuten für einen Termin gewährt. Freund schickte Beauvoir eine Aufnahme mit der Anmerkung: Wenn sie gelungen sei, liege dies daran, dass sie ihre Gesichter bereits gut kenne – für ernsthaftes Arbeiten sei keine Zeit gewesen.
Info
Gisèle Freund - Fotografische Szenen und Porträts
23.05.2014 - 10.08.2014
täglich außer montags
11 bis 19 Uhr
in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Berlin
Pionierin der Farbfotografie
Die gebürtige Berlinerin jüdischer Herkunft, die 1933 nach Frankreich und im Zweiten Weltkrieg nach Argentinien auswanderte, verstand sich als Foto-Journalistin. Sie war eine Pionierin der Farbfotografie; solche Filme benutzte sie schon in den 1930er Jahren. Ihre Reportagen wurden häufig vom Life Magazine und anderen namhaften Illustrierten gedruckt.
Impressionen der Ausstellung
Simone de Beauvoir auf Bett hingestreckt
Berühmt wurde Freund als Erzählerin persönlicher Geschichten in Bildern. Ihre Porträts zeigen Künstler und Literaten, mit denen sie häufig eng befreundet war; man hat sie eine „Porträtistin des Geistes“ genannt. In ihrer Dokumentation von Pariser Bibliotheken, die in der Schau gezeigt wird, gelingen ihr jedoch die eindrucksvollsten Aufnahmen von Kindern; deren Verhalten ist schwierig festzuhalten.
Bei Freund verbindet sich ein scharfer Blick für Haltung und Mimik mit Talent für das Erfassen lebendiger Bewegung. So präsentiert sie Simone de Beauvoir als schöne junge Frau mit hellem Lippenstift, verträumt am Fenster sitzend oder auf einem Bett hingestreckt. Sie zeigt die Malerin Frida Kahlo als feuerrot gewandete Prinzessin im Rollstuhl; gespiegelt zwischen ihrem Arzt, der hinter ihr steht, und dem Porträt ihres Vaters, an dem sie malt.
André Breton im lila Jackett
Oder die Schriftstellerin Virginia Woolf als schüchterne feine Dame in spätviktorianischem Interieur; Jahre später – nach ihrem Freitod – ihren gealterten Gatten Leonard neben dem Schreibtisch, an dem sie früher gearbeitet hatte. Oder den jungen, noch unbekannten Autor Vladimir Nabokov, wie er in einem Schweizer Park laut lacht. Oder den herausfordernden Blick des Ober-Surrealisten André Breton; er thront im lila Jackett zwischen Kunstschätzen in seiner Wohnung.
Zweimal ist Freund aus der Emigration nach Berlin zurückgekehrt: 1957 und 1962. Einige der dabei entstandenen Aufnahmen sind ebenfalls ausgestellt. In Ostberlin wird die Stalinallee gebaut; eine Lehrerinnen-Brigade klopft Steine. Am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow ist es windig.